Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist: FVgg Weingarten vs FC Germania Karlsdorf 1:2 – 4.6.2023
Die Relegation zur Landesliga hatte einen Sonntagsknaller in den ruralen Weiten Stutensee-Spöcks im Programm. Der Karlsruher Vertreter FVgg Weingarten traf auf den Bruchsaler Zweiten FC Karlsdorf und sah in einem chancenarmen und zähen Spiel schon wie der Sieger aus. Aber da es nach einem alten Filmboxer-Zitat »erst vorbei ist, wenn es vorbei ist« verdaddelte Weingarten die knappe Führung noch in den letzten Minuten der Nachspielzeit und verpasste damit in zwei Saisons hintereinander den Aufstieg in der Relegation…
Relegation zur Landesliga
Die Landesliga Mittelbaden ist die 7. Spielklasse (eine von dreien, die anderen beiden sind Rhein-Neckar und Odenwald) im Badischen Fußballverband und wird mit Teams aus den Fußballkreisen Karlsruhe, Bruchsal, und Pforzheim bestückt. Auf- und Abstieg erfolgt in und aus den jeweiligen Kreisligen. In »unserer« Kreisliga Karlsruhe stieg bekanntlich die SG Stupferich als Meister direkt auf und die FVgg Weingarten musste, wie im letzten Jahr, in die Relegation.
In Pforzheim kehrte der TuS Bilfingen nach einem Jahr »Betriebsunfall Abstieg in die Kreisliga« als Meister in die Landesliga zurück. Der SV Kickers Pforzheim belegte Relegationsrang 2. Und im Kreis Bruchsal duellierten sich mit Meister FV Neuthard und dem FC Karlsdorf gleich zwei Teams aus der leicht nördlich zwischen Stutensee und Bruchsal gelegenen 10.000-Einwohner-Gemeinde Karlsdorf-Neuthard um den Aufstieg. Der FV Neuthard holte sich mit 3 Punkten Vorsprung die Meisterschaft und stieg direkt auf. Der andere Gemeindeteil Karlsdorf musste als Zweiter in die Relegation. Die Rivalität in der Gemeinde scheint in der Kategorie »KSC vs VfB«, »Gladbach vs Köln« oder »Celtic vs Rangers« zu spielen, denn zum Derby in der Kreisliga wurden sogar am Sportplatz Wände mit Schmierereien besudelt!
Die Landesliga-Relegation ist aus unbekannten Gründen eine merkwürdige Mischung aus Auf- und Abstiegsrelegation. Denn neben den drei erwähnten Kreisliga-Zweiten Weingarten, Kickers Pforzheim und Karlsdorf nimmt mit Fortuna Kirchfeld auch der 14. der Landesliga an der Relegationsrunde teil. Ausgespielt wird das Ganze als Play-Off-Runde mit Halbfinale und Finale. Die Fortuna aus dem Karlsruher Stadtteil Neureut traf im Halbfinale im ruralen Bergland von Schöllbronn auf die Kickers aus Pforzheim. Unsere Wahl fiel auf das andere Halbfinale, das in Stutensee beim FC Spöck ausgetragene Duell zwischen der FVgg Weingarten und dem FC Karlsdorf.
FVgg Weingarten vs FC Karlsdorf 1:2
Und da war was los, im Specha-Stadion des gastgebenden FC Spöck. Etwa 4 km sind es nach Karlsdorf und 5,8 km nach Weingarten, weshalb sich gut 1.100 Schlachtenbummler rund um das nahe satte Grün kurz vor der Grenze des Fußballkreises versammelten. Die Abordnung aus Karlsdorf hatte sogar einen hinter dem Tor des Gegners platzierten Stimmungsbeauftragten mit einem Mehrton-Signalhorn dabei, wie es in der »guten alten Zeit«, bevor es Ultras und ihren Dauer-Singsang gab, typisch für den »Sound« eines Fußballstadions war (Video):
Nach einer Gedenkminute für den kürzlich auf dem Fußballplatz gewaltsam verstorbenen 15-jährigen Jugendfußballer pfiff Schiri Kastner die Partie an. Weingarten tat sich zunächst schwer mit dem unbekannten Gegner aus dem benachbarten Fußballkreis. Immer wieder kamen die grün-schwarzen Karlsdorfer vor das Weingartener Tor, kreierten daraus aber nur wenige gute Abschlusssituationen. Und wann immer sie die Mittellinie überquerten, ertönte das Mehrton-Signalhorn…
Das klingelte den »Klemmbeitel« wohl in den Ohren, denn nach etwa 20 Minuten kam Weingarten besser ins Spiel und das Signalhorn ertönte seltener. Zählbares kam dabei aber ebensowenig herum, so dass es mit einem verdienten 0:0 zum Pausenbier ging…
Nach der Pause bot das Match ein ähnliches Bild. Natürlich wollte in einem Spiel, in dem es um den Aufstieg geht, niemand ein großes Risiko eingehen. Den Fans am Rand dämmerte schon, dass hier nicht viele Tore fallen würden…
Etwas überraschend fiel dann plötzlich doch eins. In der 59. Minute gab es ein kleines Durcheinander in der sonst wohlsortierten Karlsdorfer Defensive, Weingarten kam im Strafraum zu drei Abschlussversuchen hintereinander. Der letzte von Ljiridon Iljazi war schließlich hinter der Linie – 1:0.
Weingarten wollte diese Führung nun verwalten und machte das recht geschickt. Die Minuten verrannen und immer seltener schallte die Fanfare des Karlsdorfer Signalhorns über die flachen Weiten Stutensees. Die digitale Spielzeituhr (die man mit einer Digitalkamera nicht fotografieren kann, da die Frequenzen der Anzeige und des Kamerasensors nicht synchronisiert werden können, interessant, oder?) näherte sich der 90, als ein großer Storch auf dem Flutlichtmast an der Tribüne landete (siehe unten, »Impressionen«).
Möglicherweise ein seltsames Fanal der zuständigen Fußballgottheit, denn in der Nachspielzeit änderte sich plötzlich alles. Aus einer undurchsichtigen Aktion an der Seitenlinie heraus traf plötzlich Tobias Fückel zum 1:1 in der 90+2. Minute. Und jene, die sich schon langsam Richtung Ausgang orientiert hatten, dachten: »Oh Nein, Verlängerung, noch eine halbe Stunde mehr davon…«
Aber nix da, denn wenige Minuten später drehte der FC das Spiel noch. Leandro Hellriegel traf nach einem Konter nach einem Weingartener Standard(!). Das Signalhorn machte kaum noch Pause. Unglaublich. »Football, bloody hell«, wie es Sir Alex Ferguson einst bei einem CL-Endspiel mit ähnlichem Verlauf formulierte…
Das war der Schlusspunkt, Weingarten scheiterte erneut in der Relegation, der FC Karlsdorf zieht ins Relegations-Finale…
Karlsruhkalypse now!
Wenige Stunden später kam es noch dicker für den Karlsruher Fußballkreis. Denn Fortuna Kirchfeld unterlag im anderen Halbfinale den Kickers aus Pforzheim und steigt damit aus der Landesliga in die Kreisliga ab. Was wiederum dazu führt, dass die SG Daxlanden aus der Kreisliga in die A-Klasse absteigen muss.
Im Endspiel um den Aufstieg in die Landesliga treffen sich am kommenden Sonntag FC Karlsdorf und Kickers Pforzheim.