Vergnügungspark schlägt Volksschauspiele: FV Ötigheim vs SV Rust 1:3 – 25.6.2022
Einen haben wir noch! Während im Kreis Karlsruhe die letzte Entscheidung bereits gefallen ist, wurde jenseits der südlich von Karlsruhe verlaufenden »Zonengrenze« noch um den Aufstieg gekickt. Im Rückspiel um einen Platz in der Landesliga I des Südbadischen Fußballverbandes trafen der FV Ötigheim und der SV Rust aufeinander, und die Gäste vom südbadischen Vergnügungspark lösten die Aufgabe mit 1:3 souverän und steigen auf…
Südlich der Zonengrenze wird noch gekickt…
Südwestlich der Nachbarorte von Karlsruhe (Rheinstetten und Ettlingen) verläuft die Grenze (Klick auf‘s Kartenbildchen öffnet die große Ansicht, Kartenausschnitt von Openstreetmap CC BY-SA 2.0) zwischen den Landkreisen Karlsruhe und Rastatt, die gleichzeitig die Grenze zwischen dem Fußballkreis Karlsruhe und dem Fußballbezirk Baden-Baden und die »Zonengrenze« zwischen dem Badischen Fußballverband und dem Südbadischen Fußballverband (der sich bis hinunter an den Bodensee erstreckt) darstellt.
Die Tabellenzweiten aus der Bezirksliga Baden-Baden (8. Spielklasse, die im Badischen FV die Kreisliga ist), FV Ötigheim, und der Bezirksliga Offenburg (SV Rust) kämpften in Hin- und Rückspiel um den Aufstieg in die Landesliga Südbaden Staffel I.
Der Fußballverein 1919 Ötigheim beendete seine Bezirksliga mit satten 19 Punkten Rückstand hinter Meister SpVgg Ottenau. Ötigheim ist ein 5000-Einwohner-Ort, bekannt vor allem durch die S-Bahn-Station an der Linie zwischen Baden-Baden und Karlsruhe sowie der Freilichtbühne der Ötigheimer Volksschauspiele. Ein Highlight der Vereinsgeschichte des 1919 gegründeten Fußballvereins Ötigheim war der Auftritt der Kastelruther Spatzen auf der Freilichtbühne anlässlich des 80-jährigen Vereinsjubiläums im Juni 2000. Sportlich gelang 2004 der Aufstieg in die Bezirksliga. Der im Karlsruher Fußball bestens bekannte Dietmar Blicker (aktuell mit dem ATSV Mutschelbach in die Oberliga aufgestiegen) agierte bis 2008 als Spieler und Spielertrainer beim FV. In dieser Zeit kämpfte man bereits um den Aufstieg in die Landesliga, der allerdings nicht gelang. Stattdessen ging es in den Jahren danach zurück in die A-Klasse. Seit 2018 ist es wieder die Bezirksliga, und in der aktuellen Saison gelang mit Trainer Andy Brandenburg der Marsch auf Rang 2 und in die Aufstiegsspiele zur Landesliga.
Gegner Sportverein Rust 1923 hatte am Ende in der Bezirksliga Offenburg 9 Punkte Rückstand auf Meister FSV Seelbach. Der SV war 2010 aus der Landesliga abgestiegen und bis in die A-Klasse durchgereicht worden. Nun wird nach 12 Jahren die Rückkehr in die Landesliga angestrebt. Rust ist ein 4300-Einwohner-Ort zwischen Offenburg und Freiburg und vor allem durch den großen Vergnügungspark »Europa-Park« bekannt, dessen kühn geschwungene Achterbahnen die dekorative Kulisse für den Sportplatz bilden. Hübsch!
Das Hinspiel um den Aufstieg endete im Schatten jener Achterbahnen in der letzten Woche 1:1-Unentschieden. Beide Tore fielen erst in den letzten 10 Minuten. Was für das Rückspiel alles offen ließ…
FV Ötigheim vs SV Rust 1:3
Der FV Ötigheim kickt auf einem geräumigen Ground in der Nähe der Freilichtbühne, so dass auch der kürzlich vor der Freilichtbühne aufgestellte Wilhelm Tell seine Armbrust schulterte und sich »durch diese hohle Gasse« auf dem Weg zum Relegationsspiel machte. Gut, machte er nicht, aber bei Frühsommerwetter mit Temperaturen zwischen 25 und 30 Grad kamen geschätzte 600 (offizielle Zahl gibt es keine) andere Fans (darunter viele Schlachtenbummler aus Rust mit Smokern und Trommel), um bei der Entscheidung dabei zu sein. Der Sportplatz des FV verfügt über eine schmucke kleine befestigte Tribüne und erhöhten Wällen rund um das Spielfeld, so dass man dem Treiben auf dem Rasen gut folgen konnte. Ein sehr schöner Ground!
Wie gesagt, 1:1 stand es nach dem Hinspiel, so dass noch nix entschieden war. Aber obacht, in Baden-Württemberg gehen die Uhren anders. Wie schon bei der Relegation zur Oberliga BW vor ein paar Tagen gilt hier noch die Auswärtstorregel. Was bedeutete: Ötigheim hätte ein 0:0 gereicht, aber jedes Ruster Tor (»Auswärtstore zählen doppelt«) machte die Aufgabe schwieriger…
Nach dem von blauen Smokern begleiteten Anpfiff des souveränen Schiris Johannes Bacher dominierten die auswärtsstarken Gäste (sie waren das beste Auswärtsteam in ihrer Bezirksliga) das Geschehen. Für den heimischen FV gab es kaum ein Durchkommen, das Geschehen spielte sich vorwiegend vor dem Ötigheimer Strafraum ab. Das ging nicht lange gut, in der 15. gab es ein Durcheinander mit abprallenden Bällen zwischen FV-Keeper Hegele und seiner Abwehr, was dazu führte dass Lars Szkibick zum 0:1 ins Netz traf.
Danach kam Ötigheim besser ins Spiel und ließ sich häufiger in der Hälfte des SV Rust blicken. Die FV-Versuche Richtung Tor bestanden aber meistens aus übertriebenen Dribblings und hohen Bällen, die Rust leicht verteidigen konnte.
0:1 zur Halbzeit, noch alles drin für den FV, aber jedes weitere Ruster Tor hätte die Aufgabe verkompliziert. Dummerweise passierte genau das. In der 56. verwertete Szkibick eine schöne Flanke von der linken Seite zum 0:2. Durch die Auswärtstorregel brauchte Ötigheim nun drei Tore…
Ein Elfmeter vier Minuten später brachte diesbezüglich ein wenig Hoffnung zurück, Florian Kleinschmidt verkürzte auf 1:2. Bemerkenswert: Die Tormusik besteht aus dem Gladbacher »Döp Döp Döp« von Scooter und dem anhängenden »Toor Toor Toor«, nur das »Tor für die Borussia« wurde abgeschnitten…
Nur noch zwei! Der FV intensivierte nun seine Bemühungen, es fehlte aber die richtige Durchschlagskraft. Die Gäste verteidigten ihren Vorsprung ohne größere Probleme, das 1:3 in Nachspielzeit durch Yves Hauser beseitigte alle Zweifel.
Damit steigen die Männer vom Sportplatz am Vergnügungspark in die Landesliga auf, die Volksschauspiele werden auch weiterhin in der Bezirksliga aufgeführt…