Nullnummer im »Nachbarschaftsduell«: SV Sandhausen vs KSC 0:0 – 14.8.2021
Vor 538 Tagen, am 24.2.2020, ging es zum letzten Mal hinaus in ein Profifußball-Stadion. SV Sandhausen gegen den Karlsruher SC stand damals auf dem Programm, und genau das sollte auch das »Comeback-Spiel« sein. Und genau wie weiland in den letzten Wochen »vor Corona« war dieses Duell erneut eine etwas öde Angelegenheit, diesmal auch noch torlos…
Alle Jahre wieder…
Immer, wenn das Duell der beiden (einzigen) Vertreter des Badischen Fußballverbandes in der 2. Bundesliga auf dem Programm steht (Entfernung Luftlinie Hardtwaldstadion - Wildpark: 38,717 km), wird in Karlsruhe eine an vatikanische Konzile erinnernde Bulle um die Auslegung des Begriffs »Derby« herausgegeben. Denn wenn man schon nicht mit sportlichen Erfolgen gegenüber dem »Emporkömmling« aus der Nachbarschaft punkten kann, der am Ende der Saison 21/22 im Gegensatz zum »Traditionsklub« KSC 10 Jahre Zweite Liga am Stück zu bieten hat, so muss man die Fußballtraditionsreligion auspacken: »Gegen Euch Emporkömmlinge, die ja gar nicht so tolle ruhmreiche Tradition haben wie wir hier aus Karlsruhe, spielen wir kein ›Derby‹, sondern nur ein ›Nachbarschaftsduell‹!«
Fehlstart vs Tabellenführung
Den Sandhäusern war der »Derby oder Nachbarschaftsduell«-Salbader einerlei, denn die Schwarz-Weißen haben ganz andere Sorgen. Nachdem sie in der letzten Saison so gerade eben die Klasse gehalten haben, tauschten sie zu Saisonbeginn die halbe Mannschaft aus, um das nicht noch mal zu erleben. »Stand heute« hat das noch nicht so ganz funktioniert: Nach den drei ersten Pflichtspielen gegen Fortuna Düsseldorf, bei Jahn Regensburg und im Pokal gegen RB Leipzig steht die niederschmetternde Bilanz von drei Niederlagen und 0:9 Toren zu Buche. Und schlimmer als die nackten Zahlen war die Spielweise. Wackelig in der Defensive, harmlos im Angriff – so wird man nix gewinnen können…
Ganz anders der KSC: Der legte einen Traumstart mit drei Siegen in 2. Liga und Pokal hin, hatte dabei satte 10:2 Tore erzielt und konnte sich deshalb mit dem inoffiziellen Titel »beste Mannschaft im deutschen Profifußball« schmücken. Das traditionell zu vorzeitiger Euphorie neigende Karlsruher Umfeld diskutierte ob dieser Zahlen nur noch die Höhe des Auswärtssiegs im »Nachbarschaftsduell«…
SV Sandhausen vs KSC 0:0
Von den knapp 7.700 erlaubten Tickets waren bei sommerlich heißen Temperaturen genau 4.908 verkauft worden. Und schätzungsweise 1.500 davon waren an KSC-Fans gegangen, die das Match zum »Heimspiel am Hardtwald« machten.
Das deutsche Corona-Reglement hat dem Stadionbesuch besondere Regeln auferlegt. Allerdings machte das keine großen Probleme, das Checken des Impfzertifikats am Einlass dauerte auch nicht länger als die sonst übliche Kartenkontrolle. Dazu gab es als Spezialität noch die Maskenpflicht in einem zu einem Drittel gefüllten Stadion unter freiem Himmel. Aber so ist das halt bei uns…
Als das Spiel angepfiffen wurde, bekam die Euphorie der lautstarken KSC-Fans im Stadion dann schnell einen Dämpfer. Denn auf dem Feld passierte gar nix. Den Herren war es wohl zu warm für Fußball, der Rasen war auch nicht schön genug gemäht worden, da beschränkte man sich auf sommerlichen Standfußball. Der SVS verteidigte recht solide, in der gegnerischen Hälfte gelang aber nichts. Der KSC beschränkte sich auf bräsiges Ballbesitzgekicke im Stehen und hatte außer einem knapp das Tor verfehlenden Schuss von Fabio Kaufmann in der Anfangsphase auch nichts zu bieten. Da war sie, die tolle »Superliga Zweite Liga«…
Die Sandhäuser Fankultur hinter dem Tor hatte wohl mit Langeweile auf dem Rasen gerechnet, denn sie vertrieben sich den Nachmittag mit dem Vorzeigen eines Konvoluts beschrifteter Tapetenrollen. Die hätten gar keine Zeit für‘s Fußballgucken gehabt, so waren sie unentwegt mit dem Auspacken und Entrollen von Tapeten beschäftigt. Was für ein Stress! Sie formulierten darauf ihre Unzufriedenheit mit der Gesamtsituation und kritisierten die Sandhäuser Verantwortungsträger, insbesondere den Sportlichen Leiter Mikayil Kabaca und den »Big Boss« Jürgen Machmeier. Es ist unruhig geworden im Zweitligadorf…
Ein wenig mehr Unruhe bot das Match dann nach der Pause. Die Sandhäuser legten sich nun ein bisschen mehr ins Zeug, sie liefen mehr und aggressiver Richtung KSC-Strafraum an. Und offenbarten dabei ihr größtes Defizit: Bei allem Engagement kann von organisiertem Angriffsspiel keine Rede sein, Torannäherungen waren nur das Ergebnis von Zufallsaktionen. Wenn mal jemand den Ball eroberte und über den Flügel nach vorne lief, stand in der Mitte niemand und der Ball wurde mangels Anspielstationen umgehend verloren…
In den letzten 20 Minuten, nach einer Gelben Karte gegen Kobald, über die sich die Karlsruher Bank lautstark beschwerte, erlebte das Match seine beste Phase. Der KSC-Teil des Publikums fühlte sich vom Schiri benachteiligt und brüllte herum, was die Akteure auf dem Rasen beflügelte. Es ging nun flotter und rustikaler zur Sache (drei weitere Gelbe waren die Folge) und beide Teams näherten sich den Strafräumen an, ohne die richtig großen Chancen zu haben. Ein Gewaltschuss von Sebastian Jung in der Nachspielzeit war noch die beste Aktion des entthronten Tabellenführers aus Karlsruhe…
Am Ende stand ein gerechtes 0:0, und der Schuldige an der Nullnummer war auf Karlsruher Seite danach schnell ausgemacht: Das Wetter sowie der Sandhäuser Platzwart und sein »Schwimmbadrasen«!
Der SVS hat andere Baustellen als die Länge der Grashalme, denn die aufkommende Unruhe wird wohl nur durch Siege zu besänftigen sein. Aber dazu muss Sandhausen in die Lage kommen, ein zweitligawürdiges Offensivspiel auf den Rasen zu bringen. Die bisherigen 360 Minuten ohne eigenes Tor sind kein Zufall…