Nach 111 Jahren: Ein baskisches Pokalfinale

Spielbetrieb

Nach der etwas öden Länderspielpause (ich sage es ja immer: Nations League ist viel interessanter als diese aufgeblähte »normale« Quali zu WM oder EM) gibt es am Osterwochenende endlich wieder »richtigen« Liga-Fußball zu sehen. Das ist schön und gut, aber ein Spiel verspricht das absolute Highlight des Fußball-Wochenendes zu werden: Das nachgeholte Endspiel um den spanischen Pokal 19/20, der »Copa Del Rey« zwischen den beiden baskischen Giganten Athletic Club und Real Sociedad. Hier kommt eine kleine Vorschau mit Links zur Vorbereitung auf das Match…

111 Jahre später…

Mannschaftsfoto des Pokalsiegers Athletic Club 1920 (Bild: Wikimedia Commons, gemeinfrei) Ein baskisches Derby als Pokalendspiel – das hat es schon lange nicht mehr gegeben! Präziser: Nicht mehr seit dem 20. März 1910. Und wie die Ausgabe 19/20 in den aktuellen Corona-Zeiten war auch das Endspiel 1910 kein »normales«.

1909 hatte sich der spanische Fußballverband »FECF« (Federación Española de Clubes de Fútbol) gegründet und wollte das Pokal-Turnier in Madrid veranstalten. Der 1905 gegründete »San Sebastian Football Club« (aus dem 1910 die heute bekannte »Real Sociedad de Fútbol« wurde, kurz »La Real« genannt) hatte das Turnier 1909 gewonnen und bestand aber auf eine Austragung in San Sebastian. Eine gewisse Kompromisslosigkeit in Verbandskonflikten war dem spanischen Fußball schon immer eigen (bis heute, Stichwort »Tebas vs Rubiales«), weshalb die »Lösung« dieses Konfliktes war, dass es zwei Turniere gab. Eines der FECF in Madrid mit Deportivo La Coruña, dem nur wenige Jahre existierenden Club Español de Madrid und dem FC Barcelona, der dieses Turnier auch gewann.

Das Alternativturnier, veranstaltet vom als Konkurrenzorganisation zur FECF kurzfristige gegründeten eigenen Verband namens »UECF«, fand in San Sebastian statt, an der Real Madrid (damals noch als »Madrid FC«), Athletic Club und Real Sociedad (aus juristischen Gründen als »Vasconia San Sebastian«) teilnahmen und den Titel in einer Runde »jeder gegen jeden« ausspielten. Am Ende gewann Athletic Club vor San Sebastian, beide besiegten Madrid und das direkte Duell endete 1:0 für das Team aus Bilbao, das damit UECF-Meister und/oder -Pokalsieger war.

Als dann 1913 der einheitliche spanische Verband »Real Federación Española de Fútbol« gegründet wurde, beschloss man zur Befriedung vergangener Konflikte, dass beide Sieger der beiden Turniere sich »Pokalsieger 1910« nennen dürfen und die Gruppenspiele der beiden Pokalsieger, Athletic vs La Real, und Barcelona vs Club Español, nachträglich in die Reihe der spanischen Pokalendspiele aufgenommen werden. Damit finden sich in den Annalen des spanischen Fußballs für das Jahr 1910 zwei Pokalsieger, was sich 1913 noch einmal wiederholen sollte…

Ein Jahr Corona-Verspätung…

Fans von Athletic Club beim Pokalfinale 2009 (Bild: Alberto Varela via Wikimedia Commons, Creative Commons Attribution 2.0 Generic Licence) 2020, Corona-Zeiten! Kurz nachdem sich Athletic Club (per Auswärtstor-Regelung gegen Granada) und Real Sociedad (gegen den sensationell ins Halbfinale vorgedrungenen Zweitligisten CD Mirandés) Anfang März 2020 im Halbfinale durchgesetzt hatten, brach die Corona-Krise aus. Beide Klubs beschlossen, dass ein solches Jahrhundertmatch zwischen den baskischen »Großmächten« nach 111 Jahren unbedingt mit Publikum ausgetragen werden müsste und sie deshalb auf das Ende der Corona-Zeiten warten wollten.

Ein Jahr später sitzen wir immer noch da mit Geisterspielen und sind in Sachen Corona kaum weiter als vor einem Jahr, im Gegenteil. Da in zwei Wochen das Endspiel 20/21 (wieder mit Athletic Club) ansteht, muss das Finale 19/20 nun ohne Zuschauer ausgetragen werden. Was wäre das für ein Fest geworden! Beim großen baskischen Derby gibt es keine Fantrennung, Polizei-Hundertschaften oder ähnliches, was in unseren Breiten wie selbstverständlich zur »Fußball-Fankultur« gehört. Sondern die Fans beider Teams hätten sich im La-Cartuja-Stadion in Sevilla vermischt und im (vom Baskenland aus gesehen) anderen Ende Spaniens ein großes baskisches Fußballfest gefeiert…

Das große Basken-Derby

Nichtsdestotrotz ist es nach 111 Jahren natürlich trotzdem ein großes Match. Die Einwohner Bilbaos sind so etwas wie die »Kölner« des Baskenlandes und neigen zu einem gewissen Größenwahn (der »Bilbainada«), während die aus San Sebastian (oder »Donostia«, wie die Stadt auf baskisch heißt) eher eine stolze Zurückhaltung an den Tag legen. Fans des Athletic Clubs (8 Meisterschaften und 23 Pokalsiege) schauen dazu gerne ein wenig auf La Real hinab, weil in San Sebastian deutlich weniger Pokale (2 Meisterschaften und 2 Pokalsiege) in der Vitrine stehen.

Ähnlich gegensätzlich ist die Anlage des Spiels auf dem Rasen. Während der Athletic Club einen robusten »britischen« Stil mit einer gewissen Körperlichkeit an den Tag legt, bevorzugt La Real unter Trainer Imanol einen spielerisch hochwertigen Stil mit einer Reihe feiner Techniker auf dem Platz.

Sportlich ist Real Sociadad, betrachtet man die Tabelle der aktuellen La-Liga-Saison, als Fünftplatzierter gegenüber dem mit 10 Punkten Rückstand auf Rang 9 stehenden Athletic Club leicht favorisiert. Aber seit Anfang Januar Marcelino den glücklosen Gaizka Garitano als Coach in Bilbao ablöste, steht ein anderer Athletic Club auf dem Rasen. In der Formtabelle seitdem hat La Real nur einen Punkt mehr geholt. Und Marcelino gewann zum Einstand mit dem Athletic Club gleich mal den Spanischen Supercup gegen Barcelona.

Von daher dürfte dieses Spiel völlig offen sein. Gerade die besondere Konstellation mit der Möglichkeit, innerhalb von zwei Wochen zwei Pokalendspiele zu gewinnen, sollte den Athletic Club besonders beflügeln. Auf der anderen Seite hat La Real seit 1987 keinen Titel mehr geholt und sollte ebenso motiviert sein, die 34-jährige titellose Durststrecke zu beenden…

Lange Rede, kurzer Sinn: Das verspricht ein »Cracker« zu werden. Live zu sehen heute (Samstag 3.4.21) um 21:30 auf DAZN…

Nachtrag: Und wie ging es aus?

Real Sociedad gewann 1:0 (Highlight-Video auf Youtube) durch einen Elfmeter in der 63. Minute, den Mikel Oyarzabal souverän verwandelte. Das Finale war eine eher zähe und an Torgelegenheiten arme Angelegenheit. Wie sagt man immer so schön? »Es lebte von der Spannung…«

Legendärer als das Spiel selbst wird der Auftritt von La-Real-Trainer Imanol auf der PK nach dem Spiel werden. Nachdem er das Übliche erzählte, was man als Trainer halt so erzählt, legte Imanol Trikot und Fanschal an und feierte den Pokalsieg wie ein Kurvenfan (Video auf Youtube). Grandios!

Der Ausbruch des normalerweise eher sachlich auftretenden Imanol zeigt, was dieser Titel allen bei Real Sociedad bedeutet. Seit 1987 wurde kein »Pott« mehr geholt. Imanol (Alguacil) stammt aus einem kleinen Fischerdorf in der Umgebung von San Sebastian und spielte dort bereits als Jugendlicher.

Groß war die Enttäuschung beim Athletic Club. Immerhin gibt es für diesen bereits nächste Woche die nächste Chance, wenn sie beim Finale 20/21 auf den FC Barcelona treffen. Einfacher wird es aber nicht werden…