2018
Es ist schon wieder soweit, die Inkrementierung des willkürlich gesetzten nummerischen Etiketts für einen Umlauf der Erde um die Sonne steht an! Und zum Jahreswechsel gehört der traditionelle Jahresendbeitrag. Wie in den vergangenen Jahren üblich, soll auch diesmal ein wie immer höchst subjektiver Blick zurück auf die »Stadionbesuche des Jahres« geworfen sowie die Plus- und Minus-Zeichen für die Entwicklungen des Fußballs 2018 verteilt werden…
Von Spiel zu Spiel…
Gemäß des ballreiter-Mottos »die Fußballwelt ist zu groß und zu bunt, um immer nur dasselbe Gekicke des immer selben Vereins gegen die immer selben Gegner anzuschauen« wurden im Kalenderjahr 2018 üppige 77 Spiele in 3 Ländern angeschaut und verbloggt. Gut die Hälfte davon waren »Amateur«-Spiele im Regional- und Lokal-Fußball unterhalb der großen Profiligen. Wenn man sich erst einmal ein wenig auskennt in diesen regionalen Ligen, findet man fast immer ein interessantes Match auf einem Sportplatz in der Nähe…
Dieses kleine Fußballblog erlebt nun schon den vierten Jahreswechsel. Da im Fußball bekanntlich nichts ohne Tradition geht, soll die hier von Anfang an (2017,2016 und 2015) gepflegte ebensolche des Kürens der »Stadionbesuche des Jahres« natürlich auch 2018 fortgeführt werden.
Der erfolgreichste Stadionbesuch
Es muss nicht immer der »große« Fußball sein, der Jubel und Freude auslöst. Der erfolgreichste Stadionbesuch war 2018 ein Sportplatzbesuch. Dem ruhmreichen Karlsruher FV, Deutscher Fußballmeister von 1910, gelang im letzten Aufstiegsspiel in Jöhlingen der Aufstieg in die B-Klasse. Damit verließ der 127 Jahre alte Verein, der Mitte der Nullerjahre aus monetären Gründen vorübergehend den Spielbetrieb einstellen musste, erstmals seit der Wiederaufnahme des Spielbetriebs 2007 die unterste (11.) Spielklasse…
Der enttäuschendste Stadionbesuch
Vor einem Jahr schrieben wir, das Jahr des KSC betrachtend: »Das blau-weiße Karlsruher Fußballjahr 2018 kann nur besser werden…«
Ein Jahr später hinterlässt eine Betrachtung des Jahres 2018 einen zwiespältigen Eindruck. Von den nackten Zahlen her kann man sich eigentlich nicht beschweren: Von 38 Drittliga-Spielen 2018 wurden 22 gewonnen und satte 77 Punkte eingefahren. Trotzdem kann man nicht ganz zufrieden sein. Die mit einer mutlosen Defensivtaktik schon im 0:0-Hinspiel vergeigte Relegation gegen Wismut Aue war in ihrer taktischen Fehlleistung und offensichtlichen Chancenlosigkeit eine große Enttäuschung und damit ein herber Dämpfer für die Gesamteinschätzung. Und wenn man bedenkt, dass der KSC in der Dritten Liga mit einer der teuersten Mannschaften unterwegs war und ist, relativiert sich auch die Punktausbeute ein wenig. Dazu kommt, dass die Blau-Weißen bis weit in den Herbst hinein fußballerisch nur selten überzeugen konnten.
In den letzten Monaten des Jahres 2018 sieht das Spiel des KSC aber endlich besser aus. Man entwickelt endlich ein vernünftiges Offensivspiel, schießt Tore und ist an der Tabellenspitze der Dritten Liga aussichtsreich positioniert. Gute Voraussetzungen dafür, dass 2019 dann tatsächlich ein gutes KSC-Jahr werden könnte. Das Ziel muss die Rückkehr in die Zweite Liga sein, zwei Spielzeiten in der Dritten Grottenfußball- und Pleite-Liga reichen völlig aus…
Der langweiligste Stadionbesuch
Der »Langweiler des Jahres« war das einzige 2018 live im Stadion erlebte Bundesliga-Spiel, der »Elendskick im Talkessel« zwischen dem VfB Stuttgart und Borussia Mönchengladbach. Im Spielbericht stand: »Im Grunde hätte man nach fünf Minuten gehen können, ohne groß etwas zu verpassen…«
Der spektakulärste Stadionbesuch
Das »erste Mal« im Stadion ist schon über 35 Jahre her. Und trotzdem erlebt man nach all den Jahren beim Fußball noch Premieren. Beim Aufstiegsspiel in die Dritte Liga zwischen Waldhof Mannheim und dem KFC Uerdingen gab es den ersten live im Stadion erlebten Spielabbruch!
Auch ein halbes Jahr später ist es noch erstaunlich, wie ungestört sich dort die »Fankultur« in einem »selbstverwaltete Kurve« genannten Ultra-Abenteuerspielplatz (Dienstkleidung »schwarze Kapuzenjacken und Halstuch vor‘m Gesicht« bei 27 Grad im Sonnenschein…) mitten im Stadion ausleben und einen Spielabbruch herbeiführen konnte.
Noch erstaunlicher war es dann, wie sich danach der Täterverein durch juristische Winkelzüge trotzdem den Aufstieg krallen wollte. Und als das vergeblich war, sich selbst und seine glorreiche »Fankultur« im Zuge der selbstverständlich folgenden Konsequenzen für den Spielabbruch als unfair bestrafte Opfer der »DFB-Willkürjustiz« stilisierte und damit teilweise auch noch durchkam…
Der beste Stadionbesuch
Endlich mal wieder Celtic live im Stadion, und das gleich zweimal! Celtics Auswärtsspiele in der Europa League bei den Red-Bull-Klubs Salzburg und Leipzig waren eine willkommene Gelegenheit, das Lieblingsteam aus Glasgow mal wieder leibhaftig in Aktion zu erleben. Trotz der sportlich bescheidenen Ausbeute (es gab zwei Niederlagen, aber am Ende nahm die Gruppenphase bekanntlich für Celtic ein gutes Ende) machten beide Spiele eine Menge Spaß!
Fußball 2018 – Minus und Plus
Was war 2018 im Fußball gut und was war schlecht? Es folgt die selbstverständlich hochgradig subjektive Verteilung der Minus- und Plus-Punkte für 2018.
- Deutscher Fußballkulturpessimismus
Dieser wird, wie schon in den letzten Jahren, immer schlimmer. Ob Montagsspiele, Videobeweis, Ablösesummen, Nations League, Europa League 2, TV-Rechte, Beleuchtungseffekte, Pausenunterhaltung, Digitalisierung (die regen sich 2018 über Digitalisierung auf, you‘re in Neuland, Baby!) – der gelebte Fußballkulturpessimismus findet einfach alles doof. Und in den Jammerchor stimmen mittlerweile nicht mehr nur die passionierten Schilderbemaler in den Kurven und Dauernöhler in Social Media ein. Selbst routinierte Sport-Journos sondern heutzutage (auf ein vages Gerücht aus einer Springer-Postille hin) Artikel voller hanebüchenem Gejammer ab.
Ebenso larmoyante wie wortreiche Texte über die endgültige Abkehr vom so furchtbar bösen Profifußball haben in Blogs und Journaille Hochkonjunktur. Der diesbezügliche Tiefpunkt des Jahres war dieses Prachtstück mit dem Titel »Es reicht endgültig, moderner Fußball« bei n-tv.de…
Das fußballkulturpessimistische Dauergejammer war auch 2018 das, was am Fußball am meisten genervt hat. Und wird es – da muss man nicht Nostradamus sein, um das vorauszusehen – auch 2019 wieder sein…
- Fankultur und »organisierte Fanszenen«
Zu einem starken Konkurrenten als »Nervfaktor Nummer 1« ist ein enger Verwandter des Fußballkulturpessimismus geworden: Die glorreiche deutsche »Fankultur« in den so genannten »organisierten Fanszenen«. Leute, deren einzige Tugend es ist, regelmäßig als Zusehende Spiele im Profifußball zu besuchen, bilden sich ein, sie wären der Fußball und der Fußball würde in erster Linie für sie veranstaltet. Und leiten daraus einen Führungsanspruch in Hinsicht auf strategische Grundsatzentscheidungen des Profifußballs ab. Dabei interessieren sich »führende Persönlichkeiten der Fanszenen« (also die mit dem größten Mundwerk) mitunter nicht mal für Fußball. Oder Leute fahren Hunderte von Kilometern zu einem Auswärtsspiel, verlieren hoch, sehen nicht viel, weil vor ihrer Nase ständig riesige Fahnen geschwenkt werden, aber fanden es ganz toll, weil sie ja 90 Minuten so schön gesungen aka »guten Support geleistet« haben. Und das sollen die sein, die »der Fußball sind«? Wie einst ein berühmter Fußballlehrer sagte: »Da lache ich mir doch den Arsch ab!«
Und wenn sie ihren Willen nicht bekommen, machen sich die vorwiegend männlichen wohlstandsgelangweilten Jünglinge ihre eigenen Regeln (»ich bin der totale Outlaw, ich rauche in der S-Bahn…«) und schreien Zeter und Mordio auf »Faszination Fankurve«, wenn die erwartbaren Gegenreaktionen kommen, weil sie sich stets als unschuldige Opfer grausamer Polizeistaatswillkür fühlen…
Natürlich kann und soll jede(r) den Fußball so genießen, wie sie es möchten. Nervig wird das, wenn daraus ein durch nichts zu legitimierender Führungsanspruch abgeleitet wird und durch das Wochenend-Outlaw-Gehabe der Besuch des Spiels für alle anderen nervig wird. Fankultur und »organisierte Fanszenen« waren 2018 die »Stakeholder« des Fußballs, die sich und ihren Einfluss auf das Spiel am meisten überschätzt haben…
- Bundesliga
Kommen wir zum Sportlichen. 2018 sah eine weitergehende Abkehr vom Bundesliga-Fußball. Im ganzen Jahr gab es genau ein Bundesliga-Spiel live im Stadion. Die Zeiten aus den ersten Blogsaisons, als noch Samstags stundenlange Zugfahrten für Bundesliga-Spiele in den heimatlichen Gefilden am Niederrhein durchgeführt wurden, sind vorbei. Gladbach-Spiele (und ab zu mal die Fortuna) im TV sehen reicht als »Bundesliga-Dosis« völlig aus. Die Begegnungen anderer Vereine langweilen mich schon, wenn ich nur die Namen (»Freiburg gegen Mainz«, »Hertha gegen Hoffenheim«…) lese…
+ »Amateur«-Fußball
Genug genöhlt, Zeit ein paar Plusse zu verteilen! Was 2017 galt, gilt auch 2018. Der sonntägliche Sportplatzbesuch in den regionalen und lokalen Ligen ist mittlerweile ein festes Ritual geworden. Kurze Wege, oft unterhaltsame Spiele ohne große Wichtigtuerei von Akteuren und Zusehenden – der »kleine Fußball« nebenan macht Spaß. Kann ich nur empfehlen, er ist ein angenehmes Kontrastprogramm zum »heiligen Ernst« des Profifußballs. Es ist Fußball, der auf den Kern des Spiels reduziert ist…
+ La Liga
Meine Lieblingsliga (neben der schottischen natürlich!) war 2018 die spanische La Liga. Elegante Fußballer, denen der Ball ein Freund ist, taktisch ausgefeilte Spielweisen mit flott rollenden Bällen und gesunder Härte sind das Rezept für unterhaltsame Spiele, auch bei Begegnungen der Mittelfeldteams – La Liga »liefert« (fast) immer! Und je besser man sich auskennt mit den Hintergründen, desto interessanter wird es. Für ein Match Sevilla vs Villarreal lasse ich jedes Bundesliga-Match in der Küche stehen…
+ Internationalisierte Medien-Fußball-Moderne
Auch 2018 galt: Die internationalisierte mediale Fußball-Moderne mit Internet und Co. ist für Menschen, die sich für Fußball interessieren, ein Paradies. Man muss die Auswahl haben. Denn nur weil die Medien wg. eines angeblich wichtigen Bundesliga-Spiel ausrasten, ist es noch lange nicht gesagt, dass es das Spiel ist, das ich gucken möchte. Die Entscheidungshoheit liegt heutzutage bei uns, nicht bei irgendwelchen Redaktionen. Und das ist gut so! Das noch immer zu hörende Gerede vom »Überangebot« ist Humbug, weil es fälschlicherweise impliziert, man müsse alles gucken…
Danke, guten Rutsch und ein gutes Jahr 2019!
Zum Jahresende möchte ich mich bei allen Leserinnen und Lesern dieses kleinen Fußball-Blogs bedanken. Natürlich macht man das, weil man es selbst möchte und weil es Spaß macht. Aber wenn es ein paar Leserinnen und Leser gibt, erfreut das den Autor exorbitant. Danke!
Team ballreiter wünscht eine wilde Inkrementierung der Jahreszahl und ein erfolgreiches 2019 voller guter Fußball- und sonstiger Tage.
Und auch an diesem Jahreswechsel gilt: Lasst Euch nicht vom omnipräsenten Dauergejammer runterziehen, auch 2019 wird es wieder großartige Spiele in nah und fern geben.
In diesem Sinne, ein Prosit auf das schönste Spiel, und es gilt auch weiterhin: »Fußball ist immer noch wichtig«…