Auf Voltaires Spuren: SV 98 Schwetzingen vs FC Germania Friedrichstal 1:2 – 24.2.2018

Stadion

»Ich will, bevor ich sterbe, noch einer Pflicht genügen und einen Trost genießen: ich will Schwetzingen wiedersehen, dieser Gedanke beherrscht meine ganze Seele.« Das soll der große französische Schriftsteller und Philosoph Voltaire gesagt haben, der auf seinen Reisen durch Europa auch im nordbadischen Städtchen vor den Toren Heidelbergs Station machte.

Voltaires Pech war, dass zu seinen Lebzeiten der Fußball noch nicht erfunden war. Denn als Kicker oder Interessent der Verbandsliga Nordbaden könnte er jede Saison Schwetzingen wiedersehen. Am letzten Wochenende war dieses Glück dem Tabellenzweiten Germania Friedrichstal beschieden, der nach fast zweieinhalb Monaten Winterpause zum Nachholspiel beim SV 98 Schwetzingen antreten musste und das erste Pflichtspiel im Jahre 2018 mit 2:1 gewann…

Verbandsliga-Kick im Freilichtmuseum

Das Städtchen Schwetzingen ist für sein pittoreskes barockes Schloss nebst Gärtchen berühmt, das einst den pfälzischen Kurfürsten als Sommerresidenz diente und vor allem im 18. Jahrhundert allerlei kulturelle Prominenz an den Hof der Fürsten lockte. Neben dem erwähnten Voltaire trieben sich u.a. Wolfgang Amadé Mozart, Willibald Ritter von Gluck und Friedrich Schiller zeitweilig im Schwetzinger Schloss herum.

Entsprechend ist Schwetzingen im Grunde ein Freilichtmuseum. Der schöne Teil, Schloss und Garten, ist umzäunt und kostet Eintritt. Durch den frei zugänglichen Teil quält sich selbst an einem Samstag ein permanenter Strom von Automobilen, weshalb man überall durch Autoabgaswolken watet. Die Innenstadt autofrei machen möchte man wohl nicht, denn das würde den solventen Gästen und Einwohnern das Vergnügen nehmen, mit dem teuren Automobil (ich habe noch nie in so kurzer Zeit so viele fette Porsche-SUVs vorbeifahren sehen…) am Schloss vorbei zu tuckern…

Immerhin: Die Straßen rund um das Schloss sind mit Kunstwerken dekoriert, wie dem Glückschwein von Peter Lenk auf dem Schlossplatz oder der »Claque« von Guido Messer.

Nach Schwetzingen muss man also nur, wenn man Barockschlossfan ist. Oder eben Verbandsliga-Fußball schauen möchte…

SV 98 Schwetzingen

Der örtliche Fußballverein ist der SV 98 Schwetzingen. Der 1898 gegründete Klub klopfte zweimal (während des Zweiten Weltkriegs zur Gauliga Baden und 1964 zur damals zweitklassigen Regionalliga Süd) an die Tür höherer Spielklassen an, scheiterte aber jedesmal in der Qualifikation. Ansonsten trieb und treibt sich der Sportverein 98 in den höheren und mittleren Amateurklassen herum, aktuell im tabellarischen Mittelfeld der Verbandsliga Nordbaden.

Für einen Verbandsligisten verfügt der SV 98 mit dem Stadion an der Ketscher Landstraße über einen üppig ausgestatteten Ground, auf dem 10.000 Leute Platz finden können und der über eine schmucke überdachte Sitzplatz-Tribüne verfügt. Das Verbandsligaspiel wurde aber nicht im Stadion ausgetragen, sondern auf dem Kunstrasenplatz nebenan. Immerhin, bei der Konstruktion der Anlage wurde an alles gedacht, man konnte auf die Tribüne gehen und das Spiel von deren Rückseite aus der Vogelperspektive betrachten.

SV 98 Schwetzingen vs FC Germania Friedrichstal 1:2

Da es so viele Wochen keine Verbandsliga gab und ich auch noch nie in Schwetzingen war, ging es an einem sonnigen und überaus frostigen Tag hoch in den Norden Badens. Von Karlsruhe aus ca. 35 Bahnminuten, um genau zu sein. Nachdem sich davon überzeugt wurde, dass Voltaire, was die Stadt angeht, grenzenlos übertrieben hatte (oder vor 260 Jahren war es da irgendwie aufregender…), ging es einen kurzen Fußmarsch hinaus an den Stadtrand zum Stadion.

Auf dem Kunstrasennebenplatz fanden sich schätzungsweise 80 bis 100 Zuschauende zum ersten Verbandsligaspiel des Jahres 2018 ein. Eigentlich sollte die Liga erst am nächsten Wochenende starten, das nasse Wetter Anfang Dezember machte aber einen Frühstart mit allerlei Nachholspielen notwendig.

In den beiden letzten Spielen vor der Winterpause setzte es für die Friedrichstaler zwei Niederlagen. War das 1:2 im letzten Heimspiel des Jahres gegen Eppingen noch knapp, so endete 2017 mit einer überraschend deutlichen 1:5-Packung in Mannheim beim VfB Gartenstadt. Man durfte also gespannt sein, wie die Germanen im Nachholspiel auftreten würden.

Personell hat sich in Friedrichstal in der Winterpause nicht viel getan. Einziger Neuzugang war mit dem 17-jährigen Mert Yörükoglu ein Nachwuchsspieler vom SV Sandhausen, der auch gleich in der Startelf stand. Gravierender war da die Ankündigung von Erfolgstrainer Andreas Augenstein, den FC Germania nach der Saison zu verlassen. Sein Nachfolger steht auch schon fest: Marcelus Noukiatchom wird im Sommer übernehmen.

Bei Sonnenschein und frostigen Temperaturen pfiff Schiedsrichter Daniel Schäfer pünktlich an. Und die Friedrichstaler machten von Beginn an klar, dass es keine dritte Niederlage hintereinander geben sollte. Vom Anpfiff weg schnürten sie die Schwetzinger in der eigenen Hälfte ein und erspielten sich gute Torchancen. Nach einer Serie von Eckbällen waren diese Bemühungen von Erfolg gekrönt: Eine Ecke von Futsal-Nationalspieler Timo di Giorgio verwandelte Abdelrahman Mohamed in der 12. Minute per Kopf zum 0:1.

Die Schwarz-Weißen gaben weiter Gas, nach einem langen Pass auf Abdelrahman Mohamed schoss dieser aus erstaunlich spitzen Winkel zur 2:0-Führung in der 23. Minute ein.

Mit der 2:0-Führung im Rücken ließ der Druck der Germanen nach. Die Schwetzinger kamen besser ins Spiel, kamen aber nicht zu Torchancen. Bis zur 34. Minute, als sich die Blau-Weißen zum ersten Mal zum Friedrichstaler Tor durchkombinieren konnten und mit der ersten Torchance durch Fabian Feigenbutz zum Anschlusstreffer kamen.

Bis zur Halbzeit ließen sich die Germanen nun ihrerseits in die eigene Hälfte drängen. Der Ausgleich schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein, der Halbzeitpfiff kam für die Germanen zum günstigsten Zeitpunkt.

In der Halbzeit hatte Trainer Andreas Augenstein wohl die berühmten »richtigen Worte« gefunden, denn Friedrichstal kam gut erholt aus der Kabine und fand ins Spiel zurück. Chance um Chance spielten sie sich heraus, unterbrochen nur von gelegentlichen Kontern der Hausherren. Die Germanen versäumten mit ihrem Chancenwucher die Entscheidung, was sich dann in der Nachspielzeit fast noch gerächt hätte, als die Schwetzinger zwei sehr gute Torchancen hatten. Die sie aber nicht nutzten, Friedrichstal fuhr nach zwei Niederlagen hintereinander wieder einen verdienten Dreier ein…

Fazit: Ein unterhaltsames und bis zum Schluss offenes Match. In Sachen Schwetzingen und deren Ground am Stadtrand reicht es aber, das einmal gesehen zu haben. Man weiß es nicht, was den guten Voltaire einst so fasziniert hat…

Verbandsliga Nordbaden – Die Lage

Besonders wertvoll wurde der Friedrichstaler Auswärtsdreier durch das 0:0-Unentschieden von Spitzenreiter VfR Mannheim beim (heimstarken) Tabellendritten Heddesheim. Die Tabellenspitze sieht vor dem ersten »regulären« Spieltag des Jahres damit folgendermaßen aus:

1. VfR Mannheim 35 Pkt.
2. Germania Friedrichstal 35
3. Heddesheim 31
4. 1. FC Bruchsal 31
5. VfB Eppingen 31

Wie man sieht, das entbehrt nicht einer gewissen Dramatik, das kann noch spannend werden!

Mit den beiden Durlacher Teams ASV (gegen Olympia Kirrlach) und der SpVgg Durlach-Aue (gegen SG Kirchheim) starteten zwei weitere Karlsruher Teams mit 1:0-Siegen ins Jahr. Durlach-Aue hat im Winter alle Gondorf-Brüder mit Ausnahme des von Werder Bremen im Team versammelt. Beim abstiegsgefährdeten ASV ging es recht lebhaft zu, 7 Spieler und Trainer Rouven Müller verließen den Klub…

Nächste Woche gibt es den ersten »richtigen« Spieltag. Friedrichstal hat mit dem abgeschlagenen Tabellenletzten Gommersdorf eine leicht aussehende Heimaufgabe. Konkurrent VfR Mannheim empfängt den ASV Durlach. Der Drittplatzierte Heddesheim tritt beim abstiegsbedrohten FC Español Karlsruhe an, der damit als letztes Karlsruher Verbandsliga-Team ins neue Jahr startet.

Impressionen

Die große Verbandsligarunde