Neues aus Schottland #23: Alles hat ein Ende…
Tatties o’wer the side! sagt man in Schottland, wenn ein Desaster passiert. So vielleicht auch bei Celtic, denn deren »Unbeaten Run« von 69 Pflichtspielen in Schottland ohne Niederlage endete mit einem ziemlich überraschenden Kracher: 0:4 unterlagen die Bhoys im umgebauten Tynecastle bei den unter Craig Levein wiedererstarkten Hearts! Aber auch andere Dinge im schottischen Fußball haben ein Ende…
Jede Serie geht einmal zu Ende…
Das ist natürlich eine Weisheit für das Phrasenschwein, nichtsdestotrotz mit einer tiefen Wahrheit. Celtics »Unbeaten Run« ist nach 69 unbesiegten Spielen Geschichte. Irgendwann musste das natürlich passieren, die Art und Weise kam aber ziemlich unerwartet. Mit einer satten 0:4-Klatsche gingen Brandon Rodgers Bhoys im umgebauten Tynecastle Stadium beim Haupststadtklub Heart Of Midlothian unter (Video der SPFL bei Youtube).
Es hatte sich in den Wochen davor schon angedeutet, dass die Serie langsam »fällig« war. Das 0:1 im letzten Champions-League-Heimspiel gegen Anderlecht (Video auf Youtube) war (vor dem 0:4) die schlechteste Leistung der Saison gewesen. Beim 1:1 gegen Motherwell musste ein Last-Minute-Elfer zur Rettung herhalten. Und auch beim 2:2 auswärts bei Hibernian zeigte sich Celtics Defensive etwas nachlässig. Hibernian hatte viele Chancen und im Grunde 2 Punkte verschenkt. Die Innenverteidigung präsentiert sich ebenso anfällig wie Torhüter Craig Gordon, der sich in den letzten Wochen angewöhnt hat, im falschen Moment irgendwo herum zu laufen und damit für Verwirrung unter den Mannschaftskameraden zu sorgen.
Das hat auch Brendan Rodgers erkannt. Sein Defensivpersonal benötigt Verstärkung. Die designierten Innenverteidiger Jozo Simunovic und Erik Sviatchenko sind verletzungsanfällig, letzterer hat sein letztes Spiel im August gemacht. Dedryck Boyata braucht einen erfahrenen Mann neben sich. Wenn er neben »Notlösungen« wie Mittelfeldspieler Nir Bitton oder Außenverteidiger Mikael Lustig, die von Rodgers in die IV abkommandiert wurden, spielen muss, fehlt ihm oft die Sicherheit. Und der junge Norweger Kristoffer Ajer darf mit seinen 19 Jahren (noch) nur selten ran…
Die erste erfahrene neue Defensivkraft ist schon da: Marvin Compper wechselt zum 1. Januar von RB Leipzig zu Celtic. Damit ist er der erste deutsche Celtic-Spieler seit Andreas Hinkel, der von 2008 bis 2011 die Kickstiefel für die Bhoys schnürte. In der Bundesliga kam Compper nur noch selten zum Einsatz, für die schottische Liga sollte er nichtsdestotrotz eine Verstärkung sein. Kleiner Wermutstropfen: Da Compper 19 Minuten im letzten CL-Gruppenspiel von RB eingesetzt wurde, darf er nun nicht für Celtic in der EL-Gruppenphase ran.
69 für die Ewigkeit
Bevor er in die Geschichtsbücher wandert noch ein letzter Blick auf den »Unbeaten Run«: Der ist natürlich eine epochale Leistung. Es dauerte 100 Jahre, den alten Rekord zu verbessern. Mal schauen wie lange es dauert, bis der neue Rekord eingestellt wird. Brendan Rodgers bezweifelt, dass das jemals passieren wird.
Die letzte Niederlage vor der Serie war im Mai 2016, noch unter Trainer Ronny Deila, ein 1:2 bei St. Johnstone. Barack Obama war noch Präsident, so lange ist das her…
💬 “The players will go down in history because I don’t think it will be done again.” pic.twitter.com/LEXl9TXbJd
— Celtic Football Club (@celticfc) 18. Dezember 2017
Hearts, Hearts, glorious Hearts!
Ein glückliches Ende hat tatsächlich die epische Story (schön erzählt bei »By Far The Greatest Team«) um den Neubau der Haupttribüne beim Hauptstadtklub Heart of Midlothian gefunden. Die alte, 1914 vom legendären Stadionarchitekten Archibald Leitch entworfene Haupttribüne mit der markanten Klinkerfassade (siehe Bild), musste einem größeren Neubau weichen. Der sollte eigentlich im September verfügbar gewesen sein, wurde es »aus Gründen« (einmal wurde vergessen, Sitzschalen zu kaufen…) aber erst Mitte November. Buchstäblich auf den letzten Drücker am Spieltag des ersten planmäßig angesetzten Match gegen Partick Thistle wurde sie fertig. Während die Fans schon vor der Tür standen, lief drinnen noch die endgültige Abnahme durch die Behörden der Stadt Edinburgh. Only in Scotland…
Und die neue Tribüne? Nun ja, sie ist größer, kann aber optisch mit dem großartigen alten Klinkerbau nicht mithalten. Sie ähnelt eher einem Bürohaus oder einer Mehrzweckhalle. So ist halt die Fußball-Moderne…
Ein Ende scheint nun auch die seit der Abwanderung von Aufstiegstrainer Robby Neilson und der Verpflichtung seines Nachfolgers Ian Cathro andauernde sportliche »Krise« der Hearts gefunden zu haben. Craig Levein, ehemaliger schottischer Nationaltrainer und als einer aus der alten Garde der »proper fitba men« skeptisch beäugter neuer Übungsleiter, scheint den Traditionsklub aus Edinburgh wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Hearts sind mittlerweile sieben Spiele ungeschlagen (auch wenn vier Unentschieden dabei sind). Höhepunkt der Serie war natürlich der glorreiche 4:0-Sieg gegen Celtic (s.o.).
Und nicht nur das: Levein gibt, wenn auch durch Verletzungen und Sperren ein wenig von den Umständen forciert, dem eigenen Nachwuchs eine Chance. Gleich zwei 16-jährige Nachwuchsspieler, Anthony McDonald und Harry Cochrane, gaben beim 2:0-Sieg über den FC Dundee ihr Debüt in der ersten Liga. McDonald zeigte eine Klasse-Leistung und krönte sein Match mit der Vorlage zum 2:0 durch Esmaël Gonçalves.
⚽ Hearts 2-0 Dundee
— BBC Sportsound (@BBCSportsound) 13. Dezember 2017
What a way to mark your debut! @JamTarts 16-year-old Anthony McDonald shows why he got his first start.
Full highlights: https://t.co/bEV7Yv0UVl pic.twitter.com/wBlt3qSdqY
Der gleichaltrige Kollege Harry Cochrane steuerte beim 4:0 über Celtic sogar den Treffer zum 1:0 bei. In der Presse munkelt man schon über einen Transfer zu Celtic…
Hearts scheinen auf dem Vormarsch zu sein, und es scheint noch nicht ausgemacht, dass Lokalrivale Hibernian am Ende der Saison vor den kastanienroten Männern aus dem Edinburgher Stadtteil Gorgie stehen wird. Diesbezügliche Aufschlüsse wird uns das 336. Edinburgh-Derby (zählt man nicht-Pflichtspiele dazu ist es sogar das 640.) am kommenden Mittwoch (27.12.17, 20:45, bei uns auf DAZN und Sport1+ live auf dem Schirm zu sehen) liefern…
Hat kein Ende: Celtics Herrschaft
Die Bhoys haben das Ende der Serie mit der 0:4-Klatsche in Tynecastle gut verkraftet. Mit einem 2:0 über Abstiegskandidat Partick Thistle und einem 3:0 gegen den ärgsten »Verfolger« Aberdeen haben die Hoops klargestellt, dass sich niemand eine Hoffnung auf eine irgendwie geartete längere Krise in Parkhead machen braucht.
Bei Aberdeen ist es immer das selbe: Als zweite Macht stehen sie meist souverän vor dem Rest, wenn es dann aber gegen Celtic um den Griff nach ganz oben geht (auf 2 Punkte hätten sie ranrücken können), klappt das nicht. Das ist das gewohnte Bild in Schottland, seit sich der alte Rangers-Klub 2012 per Insolvenz aus der Liga verabschiedete…
Die Verhältnisse an der Tabellenspitze sind nach diesem kleinen Zwischensprint ziemlich klar:
1. | Celtic | 47 Punkte |
2. | Aberdeen | 39 |
3. | Rangers | 36 |
4. | Hibernian | 33 |
5. | Hearts | 28 |
2017 hat auch ein Ende…
Zum Jahresende dreht die schottische Premiership noch einmal auf, bevor es in eine kurze (bis zum 20. Januar 18) Winterpause geht. Mit dem Jahr 2017 gehen allerlei Dinge zu Ende:
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Die Trainersuche der New Rangers: Am 26.10. musste Trainer Pedro Caixinha gehen. Nach einer ebenso planlosen wie langatmigen Trainersuche, deren peinlicher Höhepunkt der fehlgeschlagene Versuch war, Aberdeens Trainer Derek McInnes nach Ibrox zu locken, bleibt Interimstrainer Graeme Murty bis Saisonende auf der Trainerbank. Was Murtys Mannschaft gleich mal mit einer 1:2-Niederlage in Kilmarnock (nach einer 1:0-Führung) zelebrierte…
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Die Tore von Louis Moult: Letztens war er noch unser »Spieler im Blickpunkt«, nun verlässt er Kilmarnock: Mittelstürmer Louis Moult, der bekanntlich seinen im Sommer auslaufenden Vertrag nicht verlängert hatte, wechselt schon im Winter zum englischen Zweitligisten Preston North End. Wodurch Killie noch 450.000 Pfund Ablöse einstreicht, was für schottische Klubs, die nicht Celtic heißen, eine Menge Geld ist. Aber schade ist es schon, er wird der schottischen Liga fehlen. Und Kilmarnock…
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Die Demut bei Hibernian: Nach den guten Resultaten (mit dem 2:2 gegen Celtic und einer knappen 1:2-Niederlage gegen New Rangers, bei der die Hibs das bessere Team waren) vertrat Hibernians Trainer Neil Lennon die Ansicht, dass sein Team nach Celtic den besten Fußball der Liga spiele. Was der Zweiplatzierte Aberdeen dann im nächsten Spiel mit einer 4:1-Klatsche ein wenig klarstellte…
Über die Feiertagsphase gibt es noch ein paar Highlights aus Schottland zu sehen:
- 26.12.17, Boxing-Day-Match, 13:15 Dundee FC vs Celtic, Laola1.tv
- 27.12.17, 20:45 Edinburgh-Derby Hearts vs Hibernian, DAZN und Sport1+
- 30.12.17, 13:00 Glasgow-Derby Celtic vs New Rangers, DAZN und Sport1+
Man wird also zum Jahresausklang mit interessanten Matches gut versorgt, das ist sehr löblich!
Hearts Song
Zum Schluss noch einmal zurück zum »neuen« Tynecastle mit einem musikalischen »Goodie«. Zu Ehren der 102 Jahre alt gewordenen alten Haupttribüne hat die (sehr hörenswerte) schottische Indie-Rock Band Frightened Rabbit den traditionellen Hearts-Song aus den 50er-Jahren in einer großartigen neuen Version eingespielt. Unterlegt ist das Video mit Bildern der alten Tribüne, die zwei Hearts-Fans zusammengetragen und schön arrangiert haben.