Ein verspäteter, ein feiner und ein fehlender Zug: KSC vs FSV Zwickau 1:0 – 18.11.2017
Nach drei Wochen Heimspiel-Pause ging es mal wieder raus in den Wildpark: Bei der Pflichtspielpremiere gegen den FSV Zwickau siegte der KSC in einem spielerisch bescheidenen Match mit dem Minimalergebnis von 1:0…
FSV Zwickau
Wieder eine Premiere im Wildpark: Zum ersten Mal in der Fußballhistorie gab es ein Pflichtspiel gegen den FSV Zwickau zu bewundern. Der FSV wurde 1990 aus der Fußballabteilung des DDR-Betriebssportvereins BSG Sachsenring gegründet und »eignete« sich die Historie des 1912 gegründeten und 1939 wieder aufgelösten Zwickauer Vorortverein Planitzer SC an. Nach Kriegsende wurde mit der SG Planitz ein neuer Klub gegründet und war dann 1948 der erste Ostzonenmeister. Danach wurde die SG nach Zwickau delegiert und mit einem Haufen anderer Teams zur ZSG Horch Zwickau vereint. Die dann 1950 gleich (zum einzigen Mal) erster Meister der damals neuen DDR-Oberliga wurde. Unter weiterhin wechselnden Namen gewann das Team bis 1975 noch dreimal den FDGB-Pokal und mutierte dann zu einer Fahrstuhlmannschaft zwischen 1. und 2. DDR-Liga.
Dass der FSV heute mit einem Gründungsdatum 1912 hausieren geht, ist angesichts der verworrenen und nicht-linearen Geschichte von Gründungen, Auflösungen und Fusionen ein wenig absurd und nur mit dem im Fußball üblichen desperaten Bemühen zu erklären, sich die für das Fußball-Wohlbefinden unabdingbare »Tradition« zu konstruieren…
Nach der Wende wurde der Klub 1990 als FSV Zwickau ne gegründet. 1994 gelang der Aufstieg in die 2. Bundesliga, wo sie 4 Saisons blieben. Es folgte eine Reihe von Insolvenzen und Abstiegen bis hinunter in die Landesliga. Seit 2016 spielen die »Schwäne« wieder in der Dritten Liga, gerieten in der ersten Saison aber erneut in finanzielle Schwierigkeiten. Trotzdem schlossen sie die Saison als Tabellenfünfter ab.
In der aktuellen Saison dümpelt die Truppe von Trainer Torsten Ziegner am Rande der Abstiegsplätze herum und kam mit der »Empfehlung« von einem Auswärtssieg aus 8 Versuchen zur Pflichtspielpremiere in den Wildpark…
Auswärtssieg!
Damit haben sie etwas mit dem KSC gemein: Vor der Länderspielpause hatten es die Blau-Weißen tatsächlich geschafft, den ersten und einzigen Auswärtssieg (aus acht Versuchen) der Saison einzufahren! Sie siegten auswärts bei Hansa Rostock mit einer (für Karlsruher Verhältnisse) Torflut von 3:0. Und das auch noch in einer (zumindest wirkt es so in der Zusammenfassung) ansehnlichen Art und Weise! Das war das erste Mal überhaupt in dieser Saison, dass die von Trainer Alois Schwartz so benannte »B-Note« (bisschen hübscher spielen und Tore schießen) mal stimmte und der KSC mehr als 2 Tore in einem Drittliga-Spiel erzielte. Der Auswärtssieg setzte einer kleinen Serie von 4 Spielen ohne Niederlage mit 10 Punkten und 7:1 Toren die Krone auf…
KSC vs FSV Zwickau 1:0
Der Waliser Alan Durban war zu Beginn der 80er-Jahre Trainer von Stoke City. Auf die Frage nach dem zweifelhaften Unterhaltungswert der Spielweise seines Teams antwortete er einmal trocken: »If you want entertainment, go and watch a bunch of clowns!«
An dieses Bonmot fühlt man sich in Sachen »Heimspiele des KSC« erinnert. Die »A-Note« (defensiv nichts zulassen und Punkte einfahren) stimmt, in sieben Heimspielen wurden 5 Siege eingefahren. Diese kleine Erfolgs-Serie und der überzeugenden Auswärtssieg haben in Karlsruhe aber mitnichten eine »Euphorie« ausgelöst, wie sie der SWR entdeckt haben will (anscheinend wirkt das von Stuttgart aus so…). Nur 10.000 Zusehende wollten das Duell gegen Zwickau bei leidlich gutem herbstlichen Stadionwetter im Wildpark anschauen. Es wird noch einige Zeit und auch einige in Richtung »B-Note« besser anzusehende Spiele im Wildpark brauchen, um das Stadion wieder etwas mehr zu füllen. Offensichtlich schauen die Leute Samstags aktuell doch lieber »einem Haufen Clowns« zu…
Dabei sein wollten aber etwa ca. 500 Fans aus Zwickau, die unter dem Motto »Mir machn wieder nüber« mit einem Sonderzug aus alten Waggons der DDR-Reichsbahn anreisten. Das hatte auch alles gut geklappt, um 4 Uhr im Morgengrauen waren die Schlachtenbummler pünktlich aufgebrochen (das ist Leidenschaft!).
Bis dann die glorreiche Deutsche Bahn den Zug mit einer fehlerhaft eingestellten Weiche auf den falschen Weg schickte. Eine satte Verspätung und ein um 30 Minuten nach hinten verlegter Anstoß war das Resultat, fairerweise wurde auf den Zug aus Zwickau Rücksicht genommen. Ein feiner Zug!
Nebenbei bemerkt: Ein »Traditionszug« in den Zeiten der Fußballmoderne, der sich wg. falsch gestellter Weichen verfährt, ist natürlich auch eine wunderbare Metapher für den Zustand des deutschen Fußballs Anno 2017…
Aber zurück zum Spiel. Als alle glücklich eingetroffen und in ihren Fanblöcken bereit waren, wurde endlich gekickt. KSC-Coach Alois Schwartz schickte seine »Standardelf« ins Spiel, nach dem glorreichen Auswärtssieg gab es auch keinen Grund für Wechsel. Zwickau war zuletzt in Osnabrück (0:4) und daheim gegen Haching (1:3) böse unter die Zug-Räder der Gegner gekommen und suchte deshalb im Wildpark das Heil in einer konsequenten Defensivarbeit.
Entsprechend wenig Zug war in der ersten Halbzeit im Spiel. Zwickau machte dicht und dem KSC fehlten, wie so oft gegen defensiv eingestellte Gegner, die Mittel zum Knacken der Defensive. Das Angriffsspiel der Blau-Weißen war zu statisch und zu bewegungsarm, um das Tor des wacker verteidigenden FSV in Gefahr zu bringen. Mittelstürmer Schleusener fand kaum Bindung zum Spiel. Und die Angriffe über die Flügel »verhungerten« meistens, weil der Akteur mit Ball zu wenig Anspielstationen fand…
Es war halt kein Fußballfest. Daniel Gordon hat (lt. abseits-ka) nach 30 Minuten sogar Pfiffe wahrgenommen, die ich in meiner Position im A1 nicht wahr genommen habe.
Aber kurz vor der Pause gab es plötzlich Aufruhr im Zwickauer Strafraum. Nach einer Hereingabe von Camoglu kamen Muslija und Fink nacheinander zu aussichtsreichen Torschussversuchen, die in einem Eckstoß für den KSC mündeten. Mit den Worten »daraus wird eh nix« machte sich ein Fußballblogger auf den Weg Richtung Sanitäreinrichtungen und Bierstand…
Ein Fehler! Denn Wanitzek schlug den Ball von der Eckfahne im hohen Bogen in den Strafraum, wo ihn der von hinten wie ein Güterzug ohne Bremsen heranrauschende Gordon per Kopf im Tor versenkte! 1:0 in der 45. Minute, das Tor des Tages, und ich habe es verpasst! Da sagen wir doch: Danke, Sportschau und Youtube!
Mit der 1:0-Führung im Rücken fühlte sich der KSC zu noch weniger Aktivitäten in Sachen »Offensive« bemüßigt und verteidigte locker das 1:0. Die Zwickauer Offensivbemühungen waren viel zu harmlos, um die solide blau-weiße Abwehr in Verlegenheit zu bringen. Die gelegentlich vorgetragenen Karlsruher Angriffe waren allesamt gefährlicher als die Zwickauer Aktivitäten, auch wenn kein weiteres Tor mehr herausspringen wollte. Dementsprechend gab es den nächsten Karlsruher Heimsieg (der 6. im 8. Heimspiel, bei zwei weiteren Unentschieden) zu bewundern, der ungefährdeter war, als es das knappe 1:0-Endergebnis ausdrückt. Für ihre Mühen wurden die blau-weißen Kicker nach dem Spiel mit einem verdienten Applaus bedacht…
- Kicker-Spielbericht
- Sportschau-Spielbericht auf Youtube
- Spielbericht beim »Ost-Heimatsender« MDR
- Stimmen bei abseits-ka. »Auf die Tabelle schauen wir natürlich nicht« sagt Gordon. Der hat eh Potenzial, evtl. sollte ich ein »Weekly Gordon« nach dem Vorbild des »Weekly Vollath« einführen…
Die Lage
Trainer Alois Schwartz meinte nach dem Spiel:
»Manchmal muss man auch mal einen dreckigen Sieg holen.«
Das fasst das Spiel ziemlich gut zusammen!
Die Karlsruher Aufholjagd in der Tabelle geht weiter. Satte 13 Punkte wurden aus den letzten 5 Spielen geholt. Und das mit einem Schnitt von nur 1,12 Toren/Spiel…
Dank der 1:2-Niederlage von Fortuna Köln im Topspiel gegen Magdeburg sind es nur noch sechs Punkte Rückstand auf Rang 3. Und auch Magdeburgs Rang 2 ist mit 9 Punkten bei noch 22 ausstehenden Spielen noch lange nicht außer Reichweite. Die Dritte Liga präsentiert sich, ähnlich wie die Bundesliga, hinter Spitzenreiter SC Paderborn als auf sportlich niedrigem Niveau sehr ausgeglichene Liga. Mit solider Defensivarbeit und gelegentlichen Toren kann es weit nach oben bringen. Und wer weiß, vielleicht widmet sich Alois Schwartz nach der erfolgreichen Stabilisierung der Defensive (»A-Note«) nun auch der Offensive (»B-Note«), damit die Aufholjagd auch mal von einer angemessenen Zuschauerkulisse verfolgt wird…
Mit dem Tabellenführer SC Paderborn, der nach dem Beinahe-Abstieg nun wie der japanische High-Speed-Zug Shinkansen durch die Liga rattert, wartet auf den KSC am kommenden Freitag auswärts eine echte Prüfung. Nach dem Spiel werden wir wissen, wie gut der KSC Anno 17/18 tatsächlich ist…