Premiere mit Sonntagsschuss: KSC vs 1. FC Magdeburg 1:0 – 29.10.2017

Stadion

Der KSC spielt gegen den 1.FC Magdeburg 1:0 im Wildparkstadion.

Auch bei »Traditionsvereinen«, also Vereinen die schon lange Fußball spielen, gibt es noch Premieren: Noch nie war der 1.FC Magdeburg, seines Zeichens dreifacher DDR-Meister und Sieger des Europapokals der Pokalsieger 1974, zu einem Pflichtspiel im Wildpark zu Gast. Gestern war es soweit. Und während in ganz Deutschland Herwart stürmte, gab es in Karlsruhe pünktlich zum Anpfiff des Spiels gegen Magdeburg allerschönstes sonniges Herbstwetter und stürmisch war nur der KSC auf dem Rasen. Denn der siegte gegen das Drittligatopteam durch einen sonntäglichen Sonntagsschuss von Marvin Wanitzek verdient mit 1:0…

»Zwei absolute Traditionsklubs«

»Im Wildpark-Stadion treffen sich zwei absolute Traditionsklubs zum direkten Kräftemessen« schrieb liga-drei.de in der Vorschau auf das Spiel. Was einerseits natürlich stimmt. Bei dem andererseits aber, wenn es so betont wird, immer auch ein »die Gegenwart ist nicht so toll« zwischen den Zeilen mitschwingt. Oder hat schon mal jemand eine Ankündigung von z.B. Bayern gegen Dortmund gelesen in der vom Duell »absoluter Traditionsklubs« die Rede ist? Sehen Sie!

Der 1. FC Magdeburg, wie fast alle DDR-Fußballteams Mitte der 60er Jahre am grünen Tisch der DDR-Sportbürokratie entstanden, erlebte in den 70er-Jahren seine erfolgreichste Phase mit den (s.o.) erwähnt drei Meister-Titeln und dem Europapokal-Sieg (als einzige DDR-Mannschaft überhaupt). Nach der Wende wurde die Qualifikation für die 1. und 2. Bundesliga verpasst und es setzte eine Abwärtsspirale ein, die in der viertklassigen Oberliga Nordost und einer Insolvenz im Jahre 2002 endete. So ist das mit den »Traditionsklubs«…

Mittlerweile steht der »Club«, wie die Fans den 1. FCM nennen, wieder sehr gut da. Seit 2015 spielt der Club in der Dritten Liga in der 2006 eröffneten MDCC-Arena (von den Fans nach dem Trainer der Europapokalsiegermannschaft von 1974 nur »Heinz-Krügel-Stadion« genannt) und hat mit einer ausgegliederten Spielbetriebsgesellschaft eine professionelle Struktur. Auch sportlich läuft es: In der letzten Saison verpasste der FCM als Vierter nur knapp einen Aufstiegsplatz und in dieser Saison spielt der Club von Anfang an an der Tabellenspitze mit. Somit scheint alles bereit für einen erstmaligen Aufstieg in die Zweite Liga…

Den hatte auch der KSC nach dem Abstieg angestrebt. Bekanntlich kam es anders, aber immerhin haben sich die Blau-Weißen nach dem Trainerwechsel und der Amtsübernahme von Alois Schwartz im Mittelfeld stabilisiert, die Gegentorflut abgestellt und sind noch stets im heimischen Wildpark ungeschlagen. Solange es aber auswärts nicht läuft (der KSC ist letzter der Auswärtstabelle mit kargen 2 Punkten aus 7 Versuchen), bleibt der Gedanke an den Wiederaufstieg nur ein schöner Traum. Der letzte Versuch endete mit einem 1:1 bei den heimschwachen Preußen aus Münster. Und wenn man auswärts nichts holt, steht man in einer tabellarisch engen Liga in den Heimspielen unter dem Druck des »siegen müssen«, auch gegen ein Topteam von der Tabellenspitze…

KSC vs 1.FC Magdeburg 1:1

Das Wetter war gut, und erstmals in dieser Drittligasaison stellte sich ein Spitzenteam der Dritten Liga im Wildpark vor. Trotzdem wollten nur 12.748 Zusehende, darunter ein ca. 2.500 Fans großes Kontingent aus Magdeburg, das sonntägliche Topspiel der Dritten Liga sehen. Der jetzt schon gut anderthalb Jahre andauernde »Besuchervergraulfußball« zeitigt seine Folgen…

Erstaunlich üppig war auch das Polizeiaufgebot, aus unbekannten Gründen wurde die Begegnung zum »Hochsicherheitsspiel« erklärt und uns das obligatorische Stadionbier vom Nanny-Staat BaWü nur alkoholfrei gegönnt. Dabei denkt man sich eigentlich ganz naiv: Wenn man nie gegeneinander gespielt hat (außer in einem Pokalspiel im Jahre 2000), kann man eigentlich auch nix groß gegeneinander haben…


Trainer Alois Schwartz überraschte mit der Aufstellung. Man hatte vorher gegen das Topteam Magdeburg eher die defensive Auswärtsaufstellung mit einer Spitze erwartet. Statt dessen musste aber Lorenz raus und Anton Fink kehrte nach zwei Spielen »draußen« als zweite Spitze neben/hinter Schleusener in die Startelf zurück.

Das Team von Jens Härtel hatte keine so glorreiche Woche hinter sich. Am letzten Spieltag setzte es eine überraschende 0:3-Heimpleite gegen Unterhaching und im Pokal unter der Woche ein 0:5 gegen den BVB. Nichtsdestotrotz setzte der Magdeburger Coach auf sein gewohntes recht offensives 3-4-3 mit den schnellen Außen Türpitz und Lohkemper neben Mittelstürmer Beck. Man durfte gespannt sein, wie sich die »älteren Herrschaften« Gordon und Pisot gegen das schnelle Magdeburger Offensivpersonal schlagen würden…

Die Hoffnung war ja, dass nach all den defensivorientierten Mittelfeldschlachten in den vorherigen Heimspielen bei einem Duell gegen ein Topteam besseren Fußball zu sehen gibt. Und es ging, begleitet von Sonnenschein und einer guten Stimmung aus beiden Fanblöcken, vielversprechend los. Die KSC-Defensive war zu Beginn noch nicht wach. Nach 8 Minuten brachte Gordon Mehlem mit einem Pass aus der Abwehr in die Breduille. Der verlor den Ball, weil Rother ihn unter Druck setzte. Und gleich selbst von der 16er-Linie abschloss, aber verzog. Eine Riesenchance für den FCM!

Kurz drauf hatte der KSC Glück, nicht in Unterzahl spielen zu müssen. Ein im Stadion »normal« aussehender Einsatz von Gordon entpuppte sich im TV als ziemlich brutale Attacke. Für so etwas wurde auch schon mal Rot gezogen…

Das Spiel hielt aber nicht, was die Anfangsphase versprach. Je länger die Partie dauerte, desto mehr verlagerte sich das Geschehen ins Mittelfeld und Torszenen blieben die im Wildpark diese Saison gewohnte Mangelware. Der KSC stand defensiv sehr gut, insbesondere die Akteure im Mittelfeld, nämlich Camoglu, Muslija, Wanitzek und Mehlem, ackerten »wie die Pferde« und verhinderten die Magdeburger Offensivbemühungen schon im Ansatz. Umgekehrt zeigte sich aber auch das altbekannte Karlsruher Problem. Die Offensivaktionen des KSC sind meistens zu wenig zielstrebig, es wird endlos um den Strafraum herumgespielt und es fehlt Tempo und Präzision, um eine gute Abwehr einmal auszuspielen und im Strafraum in Abschlusspositionen zu kommen.

In der letzten Viertelstunde vor der Pause gab es noch einmal Action. Nach etwa einer halben Stunde setzte sich der schnelle Flügelflitzer Türpitz gegen Gordon durch, zog ab und schoss nur knapp am linken Pfosten vorbei. Dass das der beste und letzte vielversprechende Abschluss der Magdeburger sein sollte, konnte zu dem Zeitpunkt noch niemand ahnen.

Und in der 40. Minute gab es die Szene des Spiels. Marvin Wanitzek bekam vom Flügel den Ball etwa 10 Meter vor der gegnerischen Strafraumgrenze zugespielt und dachte sich wohl »jetzt ist aber mal genug mit dem ewigen Rumgespiele um den Strafraum herum«. Denn er zog aus 20 Metern einfach mal mit dem rechten Fuß trocken und kraftvoll ab, der Ball wurde leicht abgefälscht und schlug unhaltbar halbhoch im rechten Toreck ein! Ein Wahnsinnstor, die 1:0-Führung und der Siegtreffer!

Nach der Halbzeitpause erwarteten alle einen Magdeburger Sturmlauf, denn der Tabellenzweite wollte sich doch wohl nicht die dritte Niederlage in 8 Tagen abholen. Aber der blieb aus. Ab und an kam der FCM natürlich zu Chancen, aber die waren alle nicht zwingend.

Der KSC blieb defensiv stabil, und begann sogar, recht ansehnlich vor das gegnerische Tor zu kommen. Es gab zwei große Chancen. Camoglu verpasste nach einem abgewehrten Torschussversuch von Fink im Nachschuss das leere Tor (56., den muss er eigentlich machen!). Und in der 85. rannte Camoglu über den Flügel und passte vor das Tor, wo Torwart Glinker den Ball nicht halten konnte und vor die Füße von Wanitzek abwehrte. Der dann aus 4 Metern an die Latte hämmerte. Junge, den muss man erst recht machen, das wäre Dein Doppelpack gewesen! Er selbst sagte hinterher: »Ich habe es mir für Rostock aufgehoben…«

Da niemand mehr scoren wollte, blieb es somit beim 1:0-Sieg des KSC, der fünfte Heimsieg aus sieben Spielen. Der letztendlich souveräner ausfiel als vorher gegen das Topteam Magdeburg zu erwarten war. Der Club erlebte eine desaströse Woche mit drei Niederlagen und 0:9 Toren, und es macht sich Kritik in Social Media breit. Liga3-online konstatiert:: »Der FCM ist ein wenig verwöhnt…«

Fazit: Ein erfolgreiches und streckenweise in der 2. Halbzeit auch endlich mal gut anzuschauendes Heimspiel des KSC. Auch bemerkenswert: Schwartz wechselte nicht aus, erst in der Nachspielzeit brachte er zwei Akteure, um die berühmte »Uhr herunter zu spielen«. Ihm gefiel wohl, was er sah…

Die Lage

Alois Schwartz‘ »A-Note« (Defensive) scheint nun zu stehen, es wird nun Zeit an der »B-Note« (der Offensive) zu arbeiten. Der KSC muss einfach mehr Tore schießen, nur Osnabrück, Werder II und Erfurt trafen seltener ins Tor als der KSC.

Als nächstes geht es zum Tabellensechsten Hansa Rostock. Dort hat man die nächste Gelegenheit, endlich auch mal auswärts was zu reißen.

Impressionen