Peak Bundesliga! Oder: Krise in der Wohlfühl-Liga…
Aufmerksame Stammleserinnen und -leser werden es bemerkt haben: Die Bundesliga ist in diesem kleinen Fußballblog aktuell kein großes Thema. Weil sie mich zum einen ob ihres langweiligen Fußballs nicht genug interessiert, um regelmäßig zur Tastatur zu greifen. Und zum anderen ist in Sachen »Borussia Mönchengladbach« aktuell keine Motivation für Aktivitäten, die über das reine »Spiel anschauen« hinaus gehen, vorhanden.
Aber: Wenn man doch mal Samstags die Konferenz schaut oder die Europapokal-Auftritte der Bundesligisten begutachtet, so kann man gewisse Krisensymptome längst nicht mehr ignorieren. Was dann andererseits doch wieder ein interessantes Phänomen ist in einer Liga, die auch bei ihren Mittelfeldteams im europäischen Vergleich üppig finanziert ist und doch in den Wettbewerben so wenig gebacken bekommt. Die Bundesliga ist 2017 eine Maschine, in die »oben« ziemlich viel Geld hinein gesteckt wird und »unten« ziemlich schlechter Fußball heraus kommt…
Das europäische Bundesliga-Desaster
Man kann es nicht anders sagen: Die bisherigen Europapokal-Auftritte der Bundesliga-Teams sind ein ziemliches Desaster. Der neueste Katzenjammerkatalysator war das 1:1 des BVB gegen die europäische Fußball-Großmacht Apoel Nikosia. Marktwert des Kaders der wackeren Zyprioten: 18,5 Mio. Euro. Also etwa so viel wie ein Bein von Aubameyang…
So etwas kann mal passieren, es passt aber in die desaströse Bilanz der deutschen Klubs in den europäischen Wettbewerben der aktuellen Saison 2017/18. Zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Artikels gab es es 9 CL- und 9 EL-Spiele mit Bundesliga-Beteiligung. Die Ausbeute: Zwei Siege für Bayern und ein Sieg für RB Leipzig in der CL. Und ein einsamer Dreier für Hoffenheim in der EL. Dazu kommt das peinliche Ausscheiden des SC Freiburg in der EL-Qualifikation gegen NK Domzale. Eine nicht sonderlich glorreiche Bilanz für die Bundesliga, die im europäischen Liga-Ranking der Gesamt-Marktwerte den vierten Rang belegt…
Woran liegt das? Geld steckt genug in den Bundesliga-Teams, die Teams verlieren ihre Europapokal-Spiele auch nicht gegen übermächtige Startruppen, sondern gegen Teams, deren Gesamtmarktwert 5- bis 10-mal unter dem der teilnehmenden Bundesliga-Mannschaften liegt.
Nun wäre eine Liga, die im Europapokal nix reißt, zwar nicht schön, aber auszuhalten, wenn es ansonsten in der Bundesliga Action, Abenteuer und Fußballspaß gäbe. Aber davon kann keine Rede sein! Und da liegt auch das Problem, das sich diese Saison in Europa so richtig deutlich zeigt.
Problem: Die Nicht-Verlieren-Wollen-Liga
Am ersten Spieltag gab es in 9 Begegnungen kümmerliche 15 Tore zu bejubeln, was für einen ersten Spieltag ein neuer Minusrekord ist. Von den spärlichen 15 Buden gehen auch noch 6 Tore alleine auf das Konto von Bayern und BVB. Die anderen 16 Mannschaften haben also zusammen gerade einmal 6 Tore zu Stande gebracht. An den weiteren Spieltagen ein ähnliches Bild. Am letzten (8. Spieltag) gab es zwar 33 Tore. Davon gehen aber 10 alleine auf das Konto von Bayern, BVB und RB Leipzig. Die weiteren 15 Teams brachten zusammen also ganze 23 Treffer zu Stande.
Die Tendenz zu unattraktiven Bundesliga-Spielen (wenn man das Bundesliga-Durchschnittsspiel mal mit einem Durchschnittsspiel in La Liga, der Premier League oder der Serie A vergleicht) ist auch nichts Neues. Schon während der letzten Saison waren erste kritische Stimmen über die Qualität des Bundesliga-Fußballs (bspw. bei der Süddeutschen und sogar bei der New York Times) inmitten der wie eh und je gedeihenden Jubelpersereien des gemeinen deutschen Sportjournalismus zu hören.
Die Bundesliga-Teams ab Rang 4 gehen nicht in ein Spiel, um es zu gewinnen. Sondern wollen zunächst einmal nicht verlieren. Die Abhängigkeit der Vereine vom Bundesliga-TV-Geld führt dazu, dass diese als allererstes nicht in Abstiegsgefahr geraten wollen. Ein Abstieg reißt ein TV-Geld-Loch in die Kasse, und bei so manchem Bundesliga-Traditionsverein lebt man vor allem von jenen Fernsehgeldern, die die üppig ausgestatteten Kader, eine edle Infrastruktur und einen aufgeblähten Personalapparat rund um das kickende Personal ermöglichen.
Die Konsequenz daraus: Die meisten Spiele sind abwartend gestaltete Mittelfeld-Pressingorgien, bei denen nur Tore fallen, wenn der Pressingriegel bei einem Gegner im Laufe des Spieles durch individuelle Fehler oder taktisches Versagen zusammenbricht. Wenn man nicht gerade glühender Fan eines der beiden Teams ist, sind diese Spiele oft weitestgehend unanguckbar.
Im Europapokal kann man so aber nicht spielen. Denn wer keine Punkte einfährt, übersteht die Gruppenphase nicht. Die typischen Mannschaften des oberen Mittelfelds, wie letzte Saison Köln oder Hertha, schaffen es aber nicht, in der EL dann den Schalter vom Bundesliga-Torverhinderungsfußball umzulegen und ein eigenes produktives Offensivspiel aufzuziehen. Das Ergebnis sieht man an den Tabellenständen der Gruppenphase…
Lösung: Keine in Sicht
Ein wenig peinlich ist das aktuelle Desaster den Verantwortlichen des deutschen Fußballs schon. Bundestrainer Jogi Löw meinte kürzlich, nach dem 2. Spieltag von CL und EL:
»Die sechs Spiele, die in der letzten Woche verloren wurden im internationalen Vergleich, sind schon ein wenig alarmierend, da muss man sich sicherlich Gedanken machen. (…) Wenn gesagt wird, die Bundesliga ist die beste Liga überhaupt, sollte man sich ein bisschen hinterfragen, ob das tatsächlich stimmt.«
Damit ist der Bundestrainer aber eher ein einsamer Rufer in der deutschen Europapokal-Wüste. Die Verantwortlichen der Bundesliga selbst finden sich ansonsten ziemlich großartig. Sie haben ja auch allen Grund dazu. Denn die TV-Gelder schießen in die Höhe, die Stadien sind voll, somit hat die Bundesliga keinen Grund, ein Problembewusstsein in Sachen »Qualität des eigenen Fußballs« zu entwickeln.
Vom Sky-Zusehenden über die Tribünenfans bis hin zu den »Support als Selbstzweck« verstehenden Kurvenfans, die trotz lausiger Darbietungen unverdrossen 90 Minuten singen – sie alle gehen nicht zum Fußball, sondern nehmen an einem »Event« teil, das sich in Medien- und Publikumswahrnehmung spätestens seit der WM 2006 vom sportlichen Wert des Geschehens auf dem Rasen abgekoppelt hat.
Die Bundesliga befindet sich aktuell in der schlimmsten fußballerischen Krise seit den 80er-Jahren. Damals waren aber auch die Stadien halb leer und die Nationalmannschaft lebte von den Spielern, die im Ausland spielten. Als die nicht mehr verfügbar waren, gab es einen sportlichen Niedergang. Und danach setzte das Umdenken, eine Neuorientierung und eine Professionalisierung ein, die zum Höhenflug des deutschen Fußballs in den letzten 11 Jahren führte.
Wenn man genauer hinschaut sieht man, dass die Nationalmannschaft bereits wieder hauptsächlich von Stars bei Bayern und im Ausland lebt. Die Bundesliga entwickelt sich zur Ansammlung von »Selling Clubs«. Richtig gute Spieler bleiben in jungen Jahren ein paar Jahre in der Bundesliga, um dann zum größeren Fußball in England oder Spanien abzuwandern. Selbst die Bayern sehen im »Transferwahn« das Ende ihres eigenen Wachstums am Horizont.
Im Grunde wäre es notwendig, sich langsam darüber Gedanken zu machen, welche sportlichen und organisatorischen Veränderungen in einer sich ändernden Fußballwelt notwendig wären, wenn man als Bundesliga nicht eine mit viel Geld schlechten Fußball produzierende und sich selbst und seinem dauersingenden (und viel Geld in die Kassen spülenden) Stammpublikum genügende »Zirkusliga« werden möchte…