Französisches Traditionsduell: Racing Club de Strasbourg vs FC Nantes 1:2 – 24.9.2017
Auch nach vielen Jahren Fußball erlebt man noch Premieren: Dank des Aufstiegs von Racing Strasbourg ging es erstmals zu einem Spiel der französischen Ligue 1! (Außerdem haben wir ja die inoffizielle »Mal anständigen Fußball gucken«-Woche!). Beim Traditionsduell zwischen Racing Straßburg und dem FC Nantes gab es ein spannendes Spiel in großartiger Atmosphäre zu sehen, in dem leider (für unsere Freunde von Racing) der FC Nantes mit 2:1 die Oberhand behielt…
Racing in der Ligue 1
Stammleserinnen und Stammleser werden sich erinnern: Hier im ballreiter haben wir Racings Marsch zurück in die oberste Spielklasse regelmäßig im (von Karlsruhe aus) nahen Straßburg begleitet. Sechs Jahre dauerte der Marsch des französischen Meisters von 1979 von den Niederungen der fünftklassigen Amateurliga CFA2, in die Racing nach der Insolvenz 2011 hinunter musste, bis hinauf in die Ligue 1 (im Artikel zum Spiel vs Red Star wurde diese Geschichte ein wenig ausgeführt).
In allen unteren Ligen sorgte Racing für Zuschauerrekorde. Seit dem Aufstieg ist die Euphorie im Elsass riesengroß und man muss mittlerweile, wenn man Karten in akzeptablen Preisregionen kaufen will, wachsam sein und sofort zum Vorverkaufsbeginn zuschlagen…
Man merkt rund um das Stadion, dass in der Ligue 1 alles eine Nummer größer ist. Mehr Zuschauer (ja, damals in der CFA2 vs Modenheim haben wir die alle nicht gesehen…), mehr Medien und ein neuer Fanshop. Aber die freundliche-familiäre Atmosphäre blieb erhalten. Die leicht angespannte agressive Atmosphäre, die man in so vielen deutschen Stadien viel zu oft erlebt, sucht man in der Meinau vergebens…
Für die Ligue 1 wurde auch an der Infrastruktur gearbeitet. Das ganze Stadion wurde ein wenig aufgehübscht mit neuen Schildern. Und es gibt nun in den gegenüberliegenden Ecken des 1979 (für die EM 1984) zuletzt umgebauten Stadions schmucke neue moderne Videoleinwände, auf denen während des Spiels das Live-Bild des Fernsehens läuft. »Neumodisches Zeugs!« würden Traditionalisten sagen…
Der Kader veränderte ebenfalls sein Gesicht. Mit Khalid Boutaïb und Baptiste Guillaume mussten zwei Toptorschützen abgegeben werden, 11 Neuzugänge kamen zur Verstärkung des Kaders. Bakary Koné (ausgeliehen vom FC Malaga), Martin Terrier (Leihe von LOSC Lille), Jonas Martin (kam von Real Betis) und Idriss Saadi (von Cardiff) sind wohl die »Prominentesten«. Man darf nicht vergessen, dass der Marktwert des gesamten Kaders im Transfermarkt gerade einmal 20 Mio. beträgt. Diese Summen nimmt man bei PSG in die Hand um zu klären, wer die Elfmeter schießen darf…
Entsprechend schwierig gestaltete sich der Start in die Ligue 1. Aus den ersten sechs Spielen wurde nur ein Sieg geholt, ein 3:0 in einem ziemlich verrückten Heimspiel gegen OSC Lille. Es gab unglückliche Niederlagen bei EA Guingamp und daheim gegen Mitaufsteiger SC Amiens, und zwei deutliche Niederlagen bei den beiden »Großen« Lyon und Monaco. Was mit 4 Punkten nach sechs Spieltagen den vorletzten Rang ergibt. Es war also höchste Zeit für einen Heimsieg, um nicht von Anfang tief im Abstiegsschlamassel stecken zu müssen.
Der Gegner FC Nantes
Auch der Gegner FC Nantes ist ein französischer Traditionsverein. Achtmal wurden »Les Canaris« (die Kanarienvögel) Französischer Meister, nur Olympique Marseille (neunmal) und AS Saint Etienne (zehnmal) gelang das öfter. Das letzte Mal feierte man den Titel im Jahre 2001. Berühmt ist der Klub für seine Nachwuchsarbeit, u.a. gingen die Weltmeister Didier Deschamps, Marcel Desailly und Christian Karembeu aus der Jugend des FC Nantes hervor.
Nach der letzten Meisterschaft 2001 ging es bergab mit dem FC Nantes, bis zum Abstieg in die Ligue 2 im Jahre 2011. 2013 kehrten die Kanarienvögel zurück und belegten in den Folgejahren Mittelfeldplätze. Letzte Saison lief es besser, mit Rang 7 wurde die Qualifikation für Europa relativ knapp (8 Punkte hinter Rang 6) verpasst.
In der aktuellen Saison hat man wohl etwas vor, denn niemand Geringeres als der Leicester-Meistertrainer Claudio Ranieri übernahm den FC Nantes im Sommer. Mit 3 Siegen und 10 Punkten gelang der Start in die aktuelle Saison halbwegs, in der tabellarischen Nachbarschaft von Marseille und Nizza bewegt man sich in den Regionen der europäischen Plätze. Mit nur drei geschossenen Toren in sechs Spielen (aber auch nur 4 Gegentoren) ist das eine erstaunliche Punkteausbeute.
Ein Traditionsduell
Als Traditionsvereine haben Racing und Nantes natürlich in der Vergangenheit öfter die Klingen gekreuzt. Als besonders legendär gilt das Pokalendspiel 1966, in dem Racing einen seiner drei Pokalsiege errang. Racing war der Underdog gegen Nantes, die 1965 und 1966 Meister geworden waren. Die Canaris waren damals berühmt für ihren speziellen defensiven Spielstil, das »jeu à la nantaise«. Einer Beteiligten, Roland Merschel, erzählt in einem lesenswerten Beitrag von diesem legendären Pokalfinale…
Und am 15. April 1995 endete mit einem 2:0 im Stade de la Meinau eine Rekordserie des FC Nantes von 32 Spielen ohne Niederlage. Diese wurde erst 2016 mit einer Reihe von 36 unbesiegten Spielen durch die »Neureichen« von Paris Saint-Germain überboten…
Racing Strasbourg vs FC Nantes 1:2
Tradition hin oder her, vom FC Nantes des Septembers 2017 war kein Fußballfest zu erwarten. Wie erwähnt, 3 Tore in 6 Spielen, das spricht nicht gerade für einen hemmungslosen Offensivfußball.
Umso überraschender, dass das Spiel von Beginn ordentlich Fahrt aufnahm. Angetrieben vom lauten Publikum rannte Racing auf das Tor der Kanarienvögel an und wurde schon nach 10 Minuten belohnt. Jonas Martin flankte von rechts vor das Tor, Nuno da Costa vollendete per Kopf! Die Meinau bebte!
Aber die kalte Dusche kam nur 3 Minuten später. Racings Abwehr agierte zu zaghaft, Adrien Thomasson konnte im Strafraum in Ruhe den Ball annehmen, sich um die eigene Achse drehen und ins Tor schießen. Ein unnötiges Gegentor.
Wütende Angriffe der heimischen »Les Bleus« waren die Folge. Wie in den vorherigen Spielen (dank DAZN kann man die Spiele der Ligue 1 ja problemlos verfolgen…) fehlte es den Angriffen Racings an der notwendigen Konsequenz und manchmal auch ein wenig am Glück.
Und wenn man kein Glück hat, kommt im Fußball bekanntlich meistens Pech dazu. In der 24. Minute klärte Racings Abwehr einen Eckball ins Feld, wo Leo Dubois stand, den abprallenden Ball bekam und mit einem Supertor aus 30 Metern zum 1:2 traf…
So ging es in die Halbzeitpause.
Nachdem Nantes für ihre Verhältnisse in Halbzeit ein Torfestival veranstaltet hatte (fast so viele Tore wie in der gesamten Saison vorher), rührte Claudio Ranieri für die zweite Halbzeit Abwehrbeton an. Angetrieben vom unermüdlich brüllenden und singenden Publikum rannte Racing die ganze zweite Halbzeit unermüdlich auf das Tor der Kanarienvögel an, der Ball wollte aber einfach nicht in den vom ehemaligen Fiorentina-Keeper Ciprian Tatarusanu gehüteten Kasten hinein. 68% Ballbesitz und 21 Torschüsse waren für Les Bleus am Ende zu verzeichnen (12 für Nantes). Aber nur 5 davon kamen auf den Kasten…
Nach Spielende gab es trotzdem einen donnernden Applaus. Für Racing wird es nur um den Klassenerhalt gehen, und sie werden sich in Sachen Torabschluss ordentlich steigern müssen, wenn der gelingen soll. Bei Claudio Ranieris Nantes darf man gespannt sein, wie weit nach oben es das Team mit seinem »italienischen Minimalismus« in der Ligue 1 schafft…