Zweitliga-Topspiel: SV Sandhausen vs 1.FC Union Berlin 1:0 – 19.9.2017
Die aktuelle (»englische«) Woche steht im Hause ballreiter unter dem Motto: »Wir wollen anständigen Fußball gucken!« Deshalb ging es mal wieder ins nahe Sandhausen, wo das Spitzenspiel der Zweiten Bundesliga zwischen dem heimischen SVS und dem 1. FC Union Berlin anstand. Ein Torfestival blieb zwar aus, aber es gab immerhin ein spannendes Match zu sehen, in dem sich die starken Sandhäuser mit 1:0 durchsetzten…
Auf nach Sandhausen!
Die nordbadische Gemeinde Sandhausen, in der lt. Wikipedia 14.900 Menschen wohnen, ist schon ein ungewöhnlicher Standort für ein Profifußballteam in Deutschlands zweithöchster Spielklasse. Wenn man mit der S-Bahn am Bahnhof ankommt und durch den Ort läuft, deutet nichts darauf hin, dass in diesem Ort in Kürze das Topspiel der Zweiten Bundesliga angepfiffen wird. Es gibt nicht einmal irgendeinen Hinweis auf die Existenz eines Profifußballstadions (was auch schon anderen Leuten beim Sandhausen-Besuch aufgefallen ist…
Noch eine Stunde vor Anpfiff sind die Straßen ziemlich leer, und wenn man nach einem etwa 20-minütigen Fußmarsch am Stadion ankommt, rollt der Union-Bus durch einen leeren Kreisverkehr ins Stadion…
SV Sandhausen vs 1.FC Union Berlin 1:0
Aber wir kamen ja nicht für Remmidemmi auf den Straßen, sondern für Fußball! Und da ist Sandhausen eine gute Adresse. Das Team von Trainer Kenan Kocak hat in dieser Saison erst einmal verloren, und das höchst unglücklich im letzten Spitzenspiel gegen Fortuna Düsseldorf. Ansonsten überzeugte der SVS auf der ganzen Linie und hält sich in der Spitzengruppe der Tabelle auf. Selbst Verletzungspausen von Leistungsträgern wie Torjäger Wooten, Mittelfeld-Denker Vollmann oder Kapitän Kulovits bringen die Schwarz-Weißen aktuell nicht aus dem Gleichgewicht.
Der Gegner aus Berlin-Köpenick gilt bekanntlich als einer der Aufstiegsfavoriten und bestätigte das gleich zum Saisonauftakt mit zwei Siegen hintereinander. Seitdem haben die Eisernen aber nicht mehr gewonnen. Entsprechend reagierte Trainer Jens Keller und überraschte mit einer auf 5 Positionen (davon 3 »freiwillig«) geänderten Mannschaft. Man staunte als Zweitligagucker nicht schlecht, als man beim Aufwärmen die beiden Offensiv-Stammkräfte Polter und Hedlund bei der 5-gegen-1-Ersatzspielerbeschäftigung auf dem Rasen bewundern konnte…
Vor leider nur 4.900 Zusehenden ging es dann in der badischen Abendsonne los. Das Spiel hätte mehr Zusehende verdient gehabt. Etwa 500 Gästefans der Eisernen waren an einem Dienstag abend ins Nordbadische gekommen. Diese waren zunächst erstaunlich ruhig. Nach etwa 20 Minuten kam dann eine Ladung Ultras mit Capo und Fahnen und der Block der Unioner agierte in der gewohnten Lautstärke. Die Kurvenfans der Moderne sind offensichtlich ohne Anleitung durch Vorsänger hilflos. »Gegen den modernen Fußball« kann man da nur sagen…
Auf dem Rasen begannen die Sandhäuser das Spiel wie die sprichwörtliche Feuerwehr. Mit einer Dreierkette, die defensiv zur Fünferkette wurde, setzten sie die Eisernen über die Flügel unter Druck und kamen schon in der 4. Minute zu einer Großchance. Außenverteidiger Philipp Klingmann zog aus dem Strafraum ab und Schönheim musste für seinen bereits geschlagenen Keeper vor der Linie retten.
Nach einer Anfangsphase, in der es hin und her ging, beruhigte sich das Spiel dann im Laufe der 1. Halbzeit. Eine richtig gute Tor-Chance hatte nur Sandhausen, Union-Keeper Busk musste gegen einen Freistoß von Paqarada kurz vor der Pause ran. Mit 0:0 ging es in selbige, für die Unioner eher schmeichelhaft…
Nach der Pause ging es gerade so weiter. Aggressiv und laufstark hielten die Schwarz-Weißen die Berliner Bemühungen von ihrem Tor fern, und kamen immer wieder mit langen Bällen und Pässen auf die schnellen Flügelspieler in Richtung Union-Kasten.
Das Flügelspiel ist bei Sandhausen auch für nicht-taktikfixierte Beobachtende sehr auffällig. Philipp Klingmann und Leart Paqarada lieferten eine überragende Partie ab und finden sich heute mit Fug und Recht in der Kicker-Elf des Tages wieder. Besonders der ex-Karlsruher Klingmann, den man beim KSC 2015 ablösefrei ziehen ließ, hat sich erstaunlich entwickelt. Er lieferte, genau wie sein Gegenpart Paqarada auf der linken Seite, geradezu eine Demonstration des modernen Außenverteidigerspiels ab. Beide agierten defensiv sehr aufmerksam, laufstark und sehr agil in der Offensive. Und dazu suchten sie auch noch permanent den Abschluss vor dem Tor.
So verwundert es nicht, dass das spielentscheidende Tor in der 55. Minute durch einen »Screamer« von Paqarada geliefert wurde. Nach einem Klingmann-Einwurf zog Paqarada aus 22 Meter wuchtig in den Winkel ab. Ein Klasse-Tor, eine Co-Produktion der beiden besten Spieler auf dem Rasen.
Danach hatte Jens Keller genug und ließ seine Sturm-Stars Hedlund und Polter von der Leine. Der SVS zog sich nun zurück und ließ die Eisernen auf das eigene Tor anlaufen. Aber sie verteidigten den knappsten aller Vorsprünge souverän, es gelang den Unionern nicht, regelmäßig in den Strafraum einzudringen. Zumal die Innenverteidiger Kister und der ex-Gladbacher Knipping »Brocken« sind, die es mit einem Polter problemlos aufnehmen können.
So gab es am Ende das fünfte sieglose Spiel hintereinander für den 1.FC Union, und der SV Sandhausen übernahm über Nacht die Tabellenspitze. »Spitzenreiter, Spitzenreiter, hey, hey« schallte es durch das Hardtwaldstadion hinaus in den ruhigen Abend auf den Straßen Sandhausens…
Fazit: Ein intensives Topspiel der Zweiten Liga, nicht das große Fest mit vielen Torraumszenen und Toren, aber vom Kampf und vom Tempo her gut anzuschauen. Fußball schauen in Sandhausen lohnt sich!
- kicker-Spielbericht
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