150 Jahre Queen‘s Park FC

Ballkultur

Die Mannschaft des Queen‘s Park FC mit dem gewonnenen Scottish Cup im Jahre 1874 (Bild gemeinfrei)

Wenn man an »Fußball in Glasgow« denkt, so fallen einem natürlich sofort die beiden großen Klubs Celtic und Rangers ein. Der älteste (und damit nach landläufiger Lehre des Fußballtraditionalismus »traditionsreichste«) Fußballklub Glasgows ist aber der Queen‘s Park FC. Dieser wurde im Jahre 1867 gegründet und feiert am heutigen 9. Juli 2017 seinen 150. Geburtstag. ballreiter gratuliert und stellt den ungewöhnlichen und für die Entwicklung des Fußballs erstaunlich wirkungsmächtigen Verein vor. Queen‘s Park war die Keimzelle des schottischen Fußballs, schenkte Schottland die blauen Nationalelf-Trikots und das Nationalstadion Hampden Park.

Und erfand das Passspiel! Es gibt eine Entwicklungslinie vom Queen‘s Park FC im 19. Jahrhundert bis hin zum Tiki-Taka der Moderne bei Barça unter Pep Guardiola…

Der erste »richtige« Fußballklub in Schottland

Mit den Worten »Tonight at half past eight o'clock a number of gentlemen met at No. 3 Eglinton Terrace for the purpose of forming a football club« (lt. Wikipedia) wurde am 9. Juli 1867 der Queen‘s Park FC (QPFC) gegründet. Benannt nach einer nahegelegenen Grünanlage, war der QPFC der erste schottische Fußball-Klub, der nach den Regeln des englischen »Association Football« spielte. Es gab natürlich schon andere Fußball-Klubs in Schottland, deren Spiel aber noch stärker von den Regeln des etwa zeitgleich entstandenen »Rugby Football« (aus dem sich die heutigen Varianten des Rugby entwickelt haben) beeinflusst war.

Queen‘s Park FC nahm nach der Gründung die Entwicklung des schottischen Fußballs in die Hand. Sie legten die Regeln fest, die sich an den Cambridge Rules der 1863 gegründeten englischen Football Association FA orientierten.

1872 organisierte der Klub das erste Länderspiel zwischen Schottland und England. Die schottische Mannschaft bestand ausschließlich aus Spielern des QPFC. Die Schotten trugen dabei jene dunkelblauen Trikots, die die schottische Nationalmannschaft noch heute trägt. Denn dunkelblau war zu der Zeit die Farbe des QPFC, die dann, nach der Gründung des schottischen Fußballverbands »Scottish Football Association« 1873, die Trikotfarbe der Nationalmannschaft wurde. QPFC wechselte zu jenen schwarz-weiß geringelten Trikots (s. Foto oben), die sie noch heute tragen. Wg. dieser schwarz-weißen Trikots nennt man Queen‘s Park auch »the Spiders«.

Neben den Trikots gab der QPFC dem schottischen Fußball auch sein Nationalstadion. Denn der Hampden Park in Glasgow ist (in seiner dritten Variante) seit 1903 das Heimstadion der schottischen Nationalmannschaft und gehört dem Queen‘s Park FC. Der Verein spielt bis heute seine Heimspiele in der dritten schottischen Liga »League One« in dem riesigen Stadion mit seinen fast 52.000 Plätzen. Und hat einen Zuschauerschnitt von 539 Zusehenden in der abgelaufenen Saison gehabt…

Mit der Verbandsgründung 1873 wurde auch der »Scottish Cup« eingeführt. Der QPFC gewann ihn zwischen 1874 und 1893 zehnmal. Und ist damit bis heute nach Celtic (37 Pokalsiege) und Rangers (33) das dritterfolgreichste Team in diesem Wettbewerb.

Der QPFC war auf der Insel so berühmt, dass er mehrere Male zum Mitspielen in den englischen FA-Cup eingeladen wurde. Dort schafften sie es 1884 und 1885 jeweils ins Endspiel, scheiterten aber beide Male an den Blackburn Rovers. Schade eigentlich, sonst wären sie heute das einzige Team, das beide Pokale gewonnen hätte…

150 Jahre Amateurideal »Ludere causa Ludendi«

Logo Queen‘s Park FC (Quelle: Wikipedia, Fair Use) Diese große erfolgreiche Zeit als berühmtester und »erster Klub« Schottlands endete um 1900 herum. Denn mit dem seit der Gründung hochgehaltenen lateinischen Motto »Ludere causa Ludendi« (»Zu spielen um des Spieles willen«) hält der QPFC bis heute eisern am »Amateurideal« fest. Bei Queen‘s Park durften und dürfen keine Profi-Fußballer spielen, die »Spiders« sind heute der einzige Amateurklub im professionellen schottischen Ligasystem. Was auch daran lag, dass die dominierenden Persönlichkeiten des QPFC der Gründerzeit aus der reichen Oberschicht des Landes kamen und »Fußball spielen für Geld« als weit unter ihrer Würde stehend ansahen.

Da auf der Insel die Professionalisierung des Fußballs bekanntlich schon 1888 mit der Gründung der englischen Liga einsetzte, konnte QPFC als Amateurmannschaft gegen Profiteams nicht mehr mithalten. Bis 1922 bekamen sie, wg. ihres schon damals legendären Status als Keimzelle des schottischen Fußballs, eine Ausnahmeregelung, die sie vor dem Abstieg bewahren sollte. Nachdem das beendet war, stiegen sie dann auch gleich für ein Jahr ab. Nach dem Wiederaufstieg schafften sie es bis zum Zweiten Weltkrieg, sich in der ersten Liga zu halten. Danach verschwanden sie langsam aber sicher in den Niederungen der zweiten bis vierten Liga. Die dominierenden großen Teams Schottlands waren längst die beiden Glasgower Stadtrivalen Celtic und Rangers geworden. In den 90er Jahren war QPFC in der vierten Liga angekommen…

Die Erfinder des Passspiels

Aber nicht nur für den schottischen Fußball war der QPFC prägend. Denn sie »erfanden« als erstes Team das Pass- und Kombinationsspiel auf dem Rasen. Zur Gründerzeit bestand das englische Spiel in erster Linie aus Dribbeln und Krafteinsatz. Da QPFC in der Anfangszeit kaum Gegner hatte (das erste Spiel fand erst ein Jahr nach Vereinsgründung statt, ein 2:0-Sieg gegen den bereits 1895 aufgelösten Thistle F.C. aus Glasgow), spielten sie untereinander Trainingsspiele und entwickelten dabei ein in England unbekanntes Pass- und Kombinationsspiel. Ein Zeitungartikel aus jener Zeit beobachte beim ersten Länderspiel von Schottland (also QPFC) gegen England im Jahre 1872:

»The Englishmen had all the advantage of weight, their average being about two stones heavier than the Scotchmen and they had also the advantage in pace. The strong point of the home club was that they played excellently well together.«

Die »Spiders« erzielten ihre Tore weniger mit individuellen Fähigkeiten wie Kraft, Schnelligkeit und Dribblings, sondern im Zusammenspiel auf dem Rasen. Wie Jonathan Wilson im Guardian ausführte, lässt sich eine Entwicklung des Passspiels vom QPFC der Gründerzeit bis hin zum Tiki-Taka unserer Tage nachweisen. Ein Spieler namens RS McColl, genannt »Toffee Bob«, wechselte 1901 vom QPFC nach Newcastle, denn er wollte mit Fußball Geld verdienen. Was bei den »Spiders«, s.o., nicht möglich war. Einer seiner Mitspieler in Newcastle, Peter McWilliam, wurde später Trainer und nahm diese Spielidee mit nach Tottenham. Dort trainierte er u.a. Vic Buckingham, der später seinerseits Trainer wurde und, nachdem er jahrelang West Brom trainiert hatte, 1964 in die Niederlande zu Ajax wechselte. Dort war er als Trainer für das Debüt eines gewissen Johan Cruyff verantwortlich und entwickelte die Grundlagen jenes Fußballs, der später als »Voetbal total« weltberühmt wurde. Danach wechselte Buckingham nach Barcelona und nahm den Voetbal Total mit nach Katalonien. Wo er später durch Rinus Michels und Johan Cruyff zur gelebten Spielkultur perfektioniert wurde und seinen Höhepunkt im »Tiki-Taka« moderner Prägung fand.

Wie man sieht, in gewisser Weise hat auch das seinen Ursprung beim QPFC…

Queen‘s Park heute

In diesem Jahrhundert erholte sich Queen‘s Park wieder ein wenig und kehrte in die Dritte Liga »League One« zurück. Besonders in der Aufstiegssaison 2006/07 sorgten die »Spiders« unter Trainer Paul Paton wieder für Furore, als sie mit ihren Amateurspielern ein bemerkenswertes laufintensives Ballbesitzspiel praktizierten und sogar den Erstligisten Aberdeen aus dem Pokal warfen.

Seit 2016 hat sich QPFC endgültig wieder in der League One etabliert und erreichte in der letzten Saison einen Mittelfeldplatz. Der rigorose Amateurstatus wurde seit Ende der 90er-Jahre etwas aufgeweicht, mittlerweile dürfen ehemalige Profi-Spieler bei den »Spiders« spielen und der Verein leiht Spieler von anderen Profiteams aus.

Wenn man bedenkt, dass von den anderen sieben Gründungsvereinen der Scottish FA im Jahre 1873 nur noch der FC Kilmarnock übrig geblieben ist, ist es schon eine erstaunliche Leistung, dass es den Queen‘s Park FC 150 Jahre später immer noch gibt. Mit seinem verschrobenen Beharren auf den antiquierten Amateurstatus und mit seinem Selbstverständnis, als Begründer und »Gastgeber« des schottischen Fußballs in »seinem« riesigen Stadion Hampden Park zu spielen, ist der Verein ein Unikum in den vier Profiligen Schottlands.

Happy Birthday, Queen‘s Park FC!