Wir lesen Fußball: »ballesterer«

Ballkultur

ballesterer-Hefte

Fast zwei Jahre nach dem Artikel über das auch 2017 noch stets vorzügliche Magazin »Zeitspiel« wird es mal wieder Zeit für Lektüreempfehlungen. In den fußballfreien Tagen der Sommerpause kann man sich schließlich entspannt mit einem kühlen Getränk draußen irgendwo hinsetzen und sich das lange Warten auf den Saisonbeginn mit guten Texten über unseren Lieblingssport ein wenig verkürzen.

Wir starten mit dem wohl besten (das war der Stand von Sommer 2017, siehe die Updates am Ende des Artikels) deutschsprachigen Fußballmagazin: Dem »ballesterer«…

Der »ballesterer« ist ein im Jahre 2000 in Wien gegründetes »Magazin zur Erweiterung des Fußballhorizonts«. Vorbild war, wie beim deutschen »11 Freunde«, das englische Fußballkulturmagazin »When Saturday Comes«.

Der Name ist kein erfundenes Wort, lt. Wikipedia ist Ballesterer ein Wiener Wort aus der Zwischenkriegszeit des letzten Jahrhunderts für »technisch versierte Fußballer«. Wohl das, was man bei uns am Niederrhein einen »Fummler« nennt…

In den Anfangsjahren war der ballesterer ein »handgemachtes« Fanzine, dass sich mehr schlecht als recht im Stadion verkaufte (potenzielle Käufer fragten: »San da a Nackerte drin?«). Mittlerweile ist es ein über Österreichs Grenzen hinaus geschätztes hintergründiges Fußball-Magazin. Der Schwerpunkt liegt zwar ein wenig auf Österreich, aber man schaut gerne über den nationalen Tellerrand.

Jede Ausgabe hat ein Schwerpunktthema, das gründlich aufgearbeitet wird. Den besten Artikel über das mit üppigen Ablösen bei Spielereinkäufen auftrumpfende China habe ich im ballesterer (und natürlich in Zeitspiel Nr. 7) gelesen. Den besten Artikel über Red Bull ebenso. Und in der aktuellen Ausgabe gibt es einen Schwerpunkt »Fußball und Krieg«, der das Ergebnis anderthalbjähriger Recherchen und Reisen ist. Da schlägt man fast schon ehrfürchtig das Heft auf…

In der Haltung zum Fußballgeschehen macht der ballesterer keinen Hehl aus seiner Herkunft »von Fans für Fans«. Im Gegensatz zur ähnlich entstandenen deutschen »11 Freunde« fehlt dem ballesterer aber dessen, an K-Gruppen-Konvolute aus den 80ern erinnernde, traditionalistisch-messianische Einseitigkeit. Beim ballesterer weiß man, dass die Realität selten so eindeutig schwarz-weiß ist, wie uns das mancher schreibende selbsternannte Fußballtraditionshüter weismachen will. Wer einmal die Artikel über Red Bull Leipzig in 11 Freunde und im ballesterer liest und vergleicht, wird schnell merken, was gemeint ist.

Der ballesterer ist im Abo und im Bahnhofsbuchhandel erhältlich, und ich kann jeder und jedem, die oder der gerne Hintergründiges über den Fußball liest, nur empfehlen, einmal ein Exemplar zu kaufen und zu lesen. Es wird dann nicht bei dem einen Exemplar bleiben…

Update Dezember 2018: Was die »traditionalistisch-messianische Einseitigkeit« angeht, so hat der Ballesterer in letzter Zeit einen diesbezüglichen Schwenk hingelegt. Es häufen sich ärgerlich-einseitige Artikel. Ausgabe 130 war z.B. eine einzige Heiligsprechung der unappetitlichen Fanszene von Dynamo Dresden. Und in der Ausgabe 131 im Mai 2018 darf ausgerechnet ein deutscher Schreiber, der selbst Ultra war, einen Artikel über die Diskussionen zur deutschen 50+1-Regel schreiben. Was da drin steht weiß man schon, ohne den Text gelesen zu haben. Auch sonst dominieren zunehmend etwas abseitige »Fan-Themen«, die dann stets »was mit Ultras« drin haben müssen, um ein tolles Thema zu sein. Von daher ist das Statement vom »besten deutschssprachigen Fußballmagazin« im Kontext der damaligen Zeit zu sehen…

Update 2019: Mittlerweile lese ich nur noch einzelne Ausgaben, wenn ein Blick auf den Inhalt irgendwie interessant aussieht. Die letzte Ausgabe, die ich hatte, war das Heft #139 über Groundhopping. Das inhaltlich ziemlich enttäuschend war…

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