Hornbostels Erben: Das traditionalistische Investorentourette
Investoren sind böse! Deshalb warnt der deutsche 50+1-Traditionalismus beharrlich, und mit dem Abstieg der Ismaik-Sechzger in der Relegation (und den daraufhin einsetzenden personellen Kalamitäten, die den Münchner Traditionsklub in die Regionalliga beförderten) hat das 50+1-Lager endlich seinen Modellfall für das Unheil, das aus jeglicher Investorentätigkeit im Profifußball zwangsläufig dräut…
Ismaik und das traditionalistische Investorentourette
Es ist ja nicht so, dass Abstiege und finanzielle Schieflagen wg. schlechter Arbeit, chaotischer Personalpolitik und intriganter Vorstandsstrukturen eine von Hasan Ismaik in den deutschen Profifußball eingebrachte Neuheit wären. Die Liste der Vereine mit Insolvenzen, Lizenzentzügen und Zwangsabstiegen, die von gewählten Vorständen »guter deutscher Mitgliedervereine« verursacht wurden, ist schließlich ausgesprochen umfangreich. Von Bonn, Herne, Wanne-Eickel, 1860 (1982 schon einmal…) oder Oberhausen in den 70ern und 80ern bis zu den aktuellen Fällen in Aachen oder Gütersloh reicht da die lange Reihe…
Und doch wird so getan, als wäre die aktuelle Malaise des TSV 1860 eine zwangsläufige Folge des Investoreneinstiegs. Und nur des Investoreneinstiegs. Von der Zeit bis zur »Schottischen Furche« war der Schuldige schnell ausgemacht: Hasan Ismaik natürlich.
Und wurde schnell zum Role-Model des »bösen Investors« aufgebauscht. Es dauerte natürlich auch nicht lange, bis sich der diesbezüglich notorische St. Pauli-Sportvorstand Andreas Rettig (von dem aus seiner Zeit bei der DFL keine Aktivitäten gegen die 50+1 untergrabenden Ausnahmen aller Art bekannt sind…) in der MoPo zu Wort meldete, Zitat:
»1860 und Herr Ismaik zeigen auf eklatante Weise, dass Geld alleine, wenn es nicht richtig eingesetzt wird, mehr Fluch als Segen ist. (…) 50+1 ist für mich das letzte Stopp-Schild auf dem Weg zur totalen Kommerzialisierung.«
Motto: »Mit 50+1 wäre das nicht passiert!« Der kleine Schönheitsfehler dabei: Ist es aber, denn 50+1 gilt ja noch, oder habe ich etwas verpasst?
Und schauen wir doch mal kurz zurück, ins Jahr 2011. 1860 München war ein Musterbeispiel für die glorreiche deutsche Fußball-Vereinsmeierei. Ständig wechselnde Vorstände hatten den Verein so weit gebracht, dass er mal wieder vor der Insolvenz stand. Und dann kam Hasan Ismaik als Retter, sonst wäre es 2011 schon zu Ende gewesen. Begleitet von durchaus wohlwollenden Artikeln, wie hier bei Spox oder im Sechzger-Fanblog »die blaue 24«, Zitat:
»Was man gar nicht oft genug sagen kann, ist, dass Ismaik uns vor dem Untergang gerettet hat. Ich denke nicht, dass 1860 im Falle einer Insolvenz es jemals wieder in den Profi-Fußball geschafft hätte.«
Im Nachhinein betrachtet war Ismaik bei den Sechzgern nur ein weiterer Akteur neben den zahllosen Akteuren aus dem Mitgliederverein, der sich in das chaotische Konstrukt 1860 nahtlos einfügte und mit dem Verbrennen von Millionen das bittere Ende nur von 2011 ins Jahr 2017 verschoben hat. Die Lehre ist nicht, dass Investoren grundsätzlich böse sind, sondern das schlechte Arbeit im Fußball einfach schlechte Arbeit ist, unabhängig von wirtschaftlichen und organisatorischen Strukturen. Mit Eitelkeiten, Fraktionsbildung und Grabenkämpfen um Personen hat noch kein Verein sportlichen Erfolg eingefahren.
Aber der Mainstream des deutschen Fußballs wird daraus wieder einmal die falschen Schlüsse ziehen und sich weiter an seinen rückständigen, unfairen und die Liga sportlich ruinierenden Strukturen erfreuen. Bis ein Gericht 50+1 den Garaus macht, vielleicht sogar durch Hasan Ismaik. Was wäre das für eine grandiose Pointe der ganzen 50+1-Geschichte…
Den besten Artikel zum 1860-Drama findet man übrigens beim Zeitspiel-Magazin, der die billige Schuldzuweisung an Ismaik vermeidet und nebenbei richtig konstatiert, dass der deutsche Fußball ein massives Fan-Problem hat. Dazu ein anderes Mal mehr…
Oh Helene!
Der Kulturkampf der Traditionalisten hat sich schon so im Schützengraben eingegraben, dass sogar eine seltsame Schlagersängerin in der Halbzeitpause des DFB-Pokal-Finales zum Fanal des dräuenden Untergangs der Fußball-Kultur wird. Alles wird nur noch zum kommerziellen Event, so die Klagen der Traditionalisten. »Selber Event« antwortet Johannes Kopp in der taz:
»Auf der einen Seite stehen die Vereine und Verbände, welche die Eventisierung und Kommerzialisierung des Sports vorantreiben, auf der anderen Seite die Fans, zu deren Sprachrohr sich die Ultras aufgeschwungen haben. Ihrem Selbstverständnis nach sind sie die Bewahrer der Fußballkultur. Was sie da beschützen, weiß keiner so genau. (…) Der Grenzverlauf der Fronten ist aber bei Weitem nicht so eindeutig, wie es scheint. Denn auf fußballferne Selbstinszenierungen verstehen sich die Ultras ebenso gut wie Helene Fischer. Sie geben auf den Tribünen den Takt vor, weshalb selbst spektakulärste Aktionen auf dem Spielfeld kaum Einfluss auf ihre monotonen Gesänge haben.«
Elegie des Monats
Zum Abschluss darf eine schöne Elegie über die Schlechtigkeit des zeitgenössischen Fußballs natürlich nicht fehlen. Die von Schwatzgelb in der letzten Ausgabe dieser kleinen Kolumne war schon nicht schlecht, das Scarico-Blog liefert unter dem Titel »Muss ich mir einen neuen Sport suchen?« einen würdigen Nachfolger, Zitat:
»Nein, ganz vom Profifußball abwenden werde ich mich nicht. Dafür liebe ich diesen Sport einfach zu sehr. Aber öfters Mal einen Blick zum Amateurklub um die Ecke zu werfen kann nicht schaden. Dort, wo es noch ein Schnitzel und ein Bier gibt und wo eine Eintrittskarte nicht 45 Euro kostet.«
In diesem Sinne: Fröhliches Verzweifeln am schönen Sport auf dem grünen Rasen…