Mit vollem Rucksack Richtung Dritte Liga: KSC vs 1.FC Heidenheim 0:1 – 16.4.2017

Stadion

»No sympathy for the devil, buy the ticket, take the ride« – dieses Zitat aus Hunter S. Thompsons Epos »Fear and Loathing in Las Vegas« war das Motto für das Heimspiel des KSC gegen den 1. FC Heidenheim. Der »Ride« sah dann so aus: Regnerisches Osterwetter, Minuskulisse, keine Tore und mit einem unverdienten 0:1 die siebte Heimniederlage der Saison. Es lief also fast alles für den »Devil«, dem Abstieg in die Dritte Liga…

Fear and Loathing in Karlsruhe

»The possibility of physical and mental collapse is now very real.« (Hunter S. Thompson, »Fear and Loathing in Las Vegas«)

Wahrlich, »Fear and Loathing« (dt. »Angst und Abscheu«) gibt es derzeit reichlich rund um den KSC.

Sportlich manövrierte die englische Woche mit den Spielen gegen Nürnberg und Würzburg sowie der Niederlage beim Derby in Stuttgart (kicker-Spielbericht, Video-Zusammenfassung auf Youtube) den KSC vor dem Heimspiel gegen Heidenheim in eine fast aussichtslose Lage am Tabellenende. Nach den drei Niederlagen in neun Tagen betrug vor dem Spiel der Abstand zum Relegationsrang 16 schon 8 Punkte und der zum rettenden Rang 15 sogar deren 10. Man musste jetzt möglichst viele Spiele gewinnen und auf Niederlagen der (jenseits des KSC) noch eng beieinanderliegenden Konkurrenz hoffen. Torhüter Dirk Orlishausen merkte zu Recht an:

»Die Hoffnung und der Glaube sterben zuletzt, aber ich bin ja nicht dumm und naiv. Wir haben jetzt den vierten Trainer, wir müssen von sechs Spielen wahrscheinlich fünf gewinnen. Wir haben das ganze Jahr, wenn überhaupt, fünf gewonnen.«

Vier waren es. In 28 Versuchen…

Natürlich werden von den Verantwortlichen, wie immer in solchen Situationen, optimistische Töne angeschlagen. Sportdirektor Oliver Kreuzer verkündete im kicker (31/2017):

»Wenn wir die beiden kommenden Spiele gewinnen, könnte es bei verbleibenden vier Spielen vier Punkte Rückstand sein – dann ist wieder Hoffnung da.«

Auch Neu-Trainer Marc-Patrick Meister blieb optimistisch, das Spiel gegen Heidenheim erklärte er (abseits-ka) zum »großen Saisonfinale«. Und er sah mit Heidenheim eine »Büffelherde« auf sein Team zukommen…

Abstiegsreif präsentierte sich auch ein Teil des Anhangs des KSC beim Auswärtsspiel in Stuttgart. Mit Böllern und Raketen auf Ränge und Spieler brachten sie das Spiel kurz vor einen Abbruch, dazu gab es noch »Kaltverformungen« an Waggons der Bahn. Daraufhin gab es Sanktionen des Vereins nach dem »Gießkannenprinzip«, woraufhin die betroffenen Supporters verbal zurück schlugen:

»Abschließend stellen wir uns die Frage, ob unsere aktuell kritische Position zur sportlichen und vereinspolitischen Situation des KSC im Vorfeld des Stuttgart-Spiels nicht dazu geführt hat, dass diese Sanktionen gezielt gegen uns, die Supporters Karlsruhe 1986 e.V., ausgesprochen wurden.«

Am Spieltag wurde im aktuellen Supporters-Flyers »Blockschrift« (Vorsicht, PDF) noch einmal nachgelegt:

»Wellenreuther hat es nicht verstanden, dem Verein eine Vision zu geben. Der notwendige kontinuierliche Aufbau wurde für den kurzfristigen Erfolg geopfert. (…) Wo es notwendig gewesen wäre, Brücken zu bauen, setzte Wellenreuther stets auf Abgrenzung.«

Was man in allen öffentlichen Meinungsäußerungen der Supporters vermisst: Irgendeine Form der (Selbst-)Kritik in Sachen »Stuttgart«. Nix gegen eine gepflegte Pyro, aber Züge zerlegen und mit Raketen und Böller ein Spiel an den Rand des Abbruchs bringen sind schon Dinge, die ein Verein nicht einfach so passieren lassen kann…

Präsident Wellenreuther wehrte sich gegen die zunehmende Kritik in einem ganzseitigen Interview in der örtlichen Monopolzeitung BNN. Und brachte dazu sogar seine sonst so gut wie nie in der Öffentlichkeit auftretenden Vize-Präsis Günter Pilarsky und Holger Siegmund-Schultze mit. Das Interview kann man so zusammenfassen: Der im November 2016 gefeuerte (und mittlerweile beim HSV agierende) Ex-Sportchef Jens Todt ist letztendlich an allem Schuld, was seit der verlorenen Relegation 2015 schief gelaufen ist. Und der aktuelle Sportdirektor Oliver Kreuzer, denn der hatte Mirko Slomka verpflichtet…

KSC vs 1. FC Heidenheim 0:1

Trotz aller mitunter ins Surreale abgleitenden Nebenschauplätze geht es um das Spiel auf dem Rasen, der KSC brauchte dringend einen Dreier, um die Mini-Chance lebendig zu halten. Was am regnerischem Ostersonntag offiziell gut 11.000 Zusehende motivierte, sich in den Wildpark zu begeben. De facto waren es vielleicht 9.000, die tatsächlich im Stadion waren. Effektiv leergespielt…

Immerhin gab es frische »Aufgeben ist keine Option«-Aufkleber, die in der ganzen Stadt verklebt wurden. Die müssen wahrscheinlich weg, damit die nicht kartonweise im Keller liegen…

Am »zur Strafe« vom Vorstand geschlossenen Supporters-Verkaufs-Container grüßte ein Protestplakat gegen Kollektivstrafen (siehe Bild, Danke an @dematic82). »No sympathy for the Devil…«

Motivation durch Aufkleber… Protest am Supporters-Container… »Gegen Kollektivstrafen« Die Gegengerade. Der Gästeblock.

Aber die, die gekommen waren, hatten das nicht wg. der sich mit dem Misserfolg fast zwangsläufig bildenden Nebenschauplätze getan, sondern wollten auf dem Rasen ein Aufbäumen gegen den Abstieg sehen. Es war ja auch nicht so, dass mit Heidenheim ein unbesiegbarer Zweitligagigant in den Wildpark kam. Als der 1.FC Heidenheim das letzte Mal gewonnen hatte (2:0 daheim gegen Würzburg), lag noch Schnee auf der Ostalb. Aber die Blauweißen hatten sich ja schon gegen Fortuna und den Club aus Nürnberg als Aufbaugegner betätigt, die mit ähnlichen Sieglosserien in ihre Begegnungen gegen Karlsruhe gegangen waren…

Das Team aus Stuttgart wurde auf zwei Positionen verändert. Yamada und der junge Buchta mussten raus, Valentini kehrte ins Team zurück. Und überraschend der als »Oral-Verpflichtung« verschrieene Yann Rolim, der seit dem 15. Spieltag genau 9 Minuten in der Zweiten Liga gespielt hatte. Die Spieler-Achterbahn (Stammelf, Bank, Tribüne, Zweite Mannschaft und zurück) in dieser Saison ist der reine Wahnsinn und sicher Teil des Problems…

Yann spielte sogar eine überraschend gute Partie, die beste, die man von ihm bisher im KSC-Dress sah. Und war gleich der neue Standard-Schütze, schoss alle Ecken und viele Freistöße.

In der ersten Halbzeit ging es vielversprechend los, in der 4. Minute vergab Valentini eine gute Chance, die sogar mit einer schönen Kombination herausgespielt war. Doch dann gab es mal wieder eines jener Spiele zu sehen, die in den den letzten Jahren im Wildpark üblich geworden sind. Ein abwartender Gegner und ein KSC, dem die Mittel fehlen, in den gegnerischen Strafraum und zu Abschlüssen zu kommen. Bei allem Einsatz der 22 Akteure, die im Mittelfeld zwischen den Strafräumen den regennassen Rasen und den Gegner beackerten, ein ziemlich ödes ereignisarmes Gekicke.

In der zweiten Halbzeit kam Mugosa für den wirkungslosen Kamberi in das Karlsruher Sturmzentrum. Das machte sich bezahlt, das Spiel wurde nun druckvoller und Mugosa suchte den Weg in den Strafraum. Und, siehe da, geht man mal in den Strafraum, bekommt man gleich Chancen. So in der 58. Minute. Kom eroberte im Mittelfeld den Ball, Yann steckte auf Reese durch. Dessen schönes Solo endete mit einer guten Flanke in den Strafraum. Flankenempfänger Mugosa traf aber aus 5 Metern nur den Pfosten. Wenn man solche Chancen nicht verwertet, dann steigt man halt ab…

Denn im Fußball kommt es oft, wie es kommen muss. Acht Minuten später schlägt Heidenheim den Ball aus dem Mittelfeld auf den Flügel zu Feick. Dessen hohe Flanke köpfte Verhoek locker ein – der 0:1-Siegtreffer in der 67. Minute.

Die Blauweißen gaben nicht auf, kamen noch zu weiteren guten Chancen (alleine noch zweimal Mugosa), aber wie so oft wurden die Chancen nicht verwertet. Trainer Marc-Patrick Meister drückte es nach dem Spiel so aus:

»Unser Rucksack ist zur Zeit sehr voll.«

Und so kam der 1. FC Heidenheim zu einem Auswärtssieg ohne genau zu wissen warum. Für KSC-Verhältnisse war es eine gute Leistung, das Team hatte alles gegeben, aber man muss einfach anerkennen dass es für die Zweite Liga nicht genug ist. Und so steht seit dem Schlusspfiff mit nunmehr 10 Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz 16 der Abstieg in die Dritte Liga praktisch fest…

Die Lage

»No, this is not a good town for psychedelic drugs. Reality itself is too twisted.« (Hunter S. Thompson, »Fear and Loathing in Las Vegas«)

10 Punkte Rückstand auf Rang 16, nur noch 5 Spiele – man muss sich schon in einen Drogenrausch von Thompsonschen Dimensionen befinden, um die Chancen auf den Klassenerhalt noch für realistisch zu halten. Zumal der KSC nun gerade eine Serie von 6 sieglosen Spielen mit 1 Punkt und 2:12 Toren hingelegt hat. Unter Neutrainer Marc-Patrick Meister wurde in 180 Minuten noch überhaupt kein Tor erzielt…

So geht das Team nun in den verbleibenden fünf Matches auf Zweitliga-Abschieds-Tournee und Meister wird hoffentlich so schlau sein, ab sofort die Spieler unter Wettkampfbedingungen auszuprobieren, die in der kommenden Saison in der Dritten Liga dabei bleiben sollen…

Impressionen