Neues aus Schottland #15: Triumph und Trouble in Glasgow

Spielbetrieb

Celtic Park, 2016 Shame on us, wir waren nachlässig! Es wurden wahrhaftig einige Matches gespielt, seit wir das letzte Mal einen Blick auf das Geschehen in Schottland warfen, deshalb gilt nun: Heid doon, arse up! 1

Wir gratulieren Celtic (fast) zur Meisterschaft, schauen uns die Trainer-Trouble im Westen Glasgows an und fragen uns, ob die schottische Meisterschaft wg. Celtics Dominanz langweilig ist…

Celtic: Mit Rekord Richtung Meisterschaft

Wir verkündeten es schon in der Saisonprognose: Die Vorstellungen diverser Medien, dass mit dem Aufstieg des Rangers-Nachfolgeverein Celtic ein Meisterschaftskonkurrent erwachsen würde, waren absurd. Denn Celtic marschiert wie erwartet souverän und ungeschlagen Richtung »Six in a row«. Von den bisherigen 28 Saisonspielen gewann Celtic 26. Lediglich Inverness Caley (im September daheim) und der »böse« Nachbar aus Glasgow (letzte Woche im Celtic-Park) holten einen Punkt gegen die Bhoys, sonst gab es ausschließlich Siege.

Natürlich kann niemand über eine ganze Saison aus jedem Spiel eine Gala machen, aber Celtic gewinnt in dieser Saison auch die engen Spiele, die im Vorjahr unter Trainer Ronny Deila auch gerne einmal verloren gingen und den letztjährigen Vizemeister Aberdeen lange Zeit in Schlagdistanz verweilen ließen. Exemplarisch dafür steht der 1:0-Sieg am 23. Spieltag gegen den FC Aberdeen. Wenn den »Tormaschinen« Dembélé, Griffith oder Sinclair nichts gelingen mag, dann sorgt eben mit Boyata ein Abwehrspieler für den Sieg.

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Celtic steht mit der Qualität des Trainers, der Mannschaft und ihren Finanzen (dank Europapokal- und Transfer-Einnahmen) haushoch über dem Rest der Scottish Premiership. Trotzdem verliert auch das überlegenste Team irgendwann einmal ein Spiel, weil der berühmte »Schlendrian« Einzug hält und nach vielen Siegen die Gegner irgendwann nicht mehr ernst genug genommen werden. Brendan Rodgers wusste das bisher zu verhindern; die Mannschaft bewahrt sich trotz der komfortablen Tabellenführung ihre Spielfreude und erfreut die Fans regelmäßig mit schönen Tore. Wie neulich beim 5:2-Sieg gegen den FC St. Johnstone, als Moussa Dembélé den mitgereisten Celtic-Anhang mit einem Hattrick unterhielt:

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Celtic kann, die entsprechenden Punktverluste der »Konkurrenten« Aberdeen und Rangers vorausgesetzt, am kommenden Wochenende auch rechnerisch Meister werden.

Schottische Liga, die Langeweile-Liga?

Nun ist eine solche Dominanz an der Spitze natürlich nicht das Wahre für eine Liga. In Deutschland kennen wir das zur Genüge, denn es ist gerade vier Jahre her, dass der FC Bayern mit 25 Punkten Vorsprung Meister wurde. Spannend geht anders, keine Frage.

Deshalb »disste« die altehrwürdige Londoner Times den schottischen Fußball vor ein paar Tagen in einem »Krisenartikel«, der mit der leicht herablassenden Attitüde eines Journalisten aus dem mit TV-Geld gepamperten Premier-League-England verfasst wurde: »Scotland: the worst title race in Europe since 1932«. Der Artikel meint, wg. der Langeweile im Titelrennen eine allgemeine Krise und einen Zuschauerschwund in Schottland beobachten zu können. Von letzterem kann allerdings keine Rede sein. Entsprechend fielen die Reaktionen in Schottland aus. Der Daily Record schreibt: »Yes, Celtic might have had the title in the bag for months, but we still have reasons to celebrate Scottish football.« Und der Terrace Scottish Football Podcast widerspricht in deutlichen Worten, Zitat:

»Whilst a six-team title race involving the likes of Hearts, Hibs and Dundee United would be interesting and take us back to the ›good old days‹, it isn’t a realistic possibility, and isn’t in almost every league in Europe which is dominated by the same teams. But we’ll still turn up and back our teams, and watch Scottish football and talk about Scottish football, because we still love it.«

Genau! Eine nicht ganz ernst gemeinte Auflistung mit weiteren wichtigen Punkten hat der Daily-Record-Ableger »Glasgow live« zu bieten.

Rangers: Von Mark Warburton zu Pedro Caixinha

Beim von der (geradezu unfassbar Rangers-nahen schottischen Sportjournaille) auserkorenen Celtic-Rivalen auf der anderen Seite Glasgows, den »neuen« Rangers, läuft es dagegen gar nicht gut. Von ihren zahlreichen Fans in der Sportjournaille und ihrer (trotz des Bankrotts- und Neugründungsdesaster) ungebrochenen Arroganz auf einen im Grunde absurden Meisterschaftsmitfavoritenthron gehoben, konnten die New Rangers diesen Ansprüchen erwartungsgemäß in der gesamten Saison nicht gerecht werden. Statt Celtic um den Titel herauszufordern, kämpft der Nachfolgeverein des 2012 bankrott gegangenen schottischen Rekordmeisters gegen Aberdeen und Hearts um den zweiten Rang in der Premiership und hat aktuell gegen Vizemeister Aberdeen das Nachsehen.

Nun könnte man das als Aufsteiger nach einem Bankrott und einer mehrjährigen Tour durch die unteren Ligen trotzdem durchaus als Erfolg werten. Rangers sind zwar nicht mehr Rangers, aber sie bleiben es irgendwie trotzdem. Und so musste nach einem 1:1 im Heimspiel gegen Ross County Aufstiegs-Trainer Mark Warburton gehen:

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Natürlich läuft ein Trainerwechsel bei diesem Verein nicht »einfach so« ab. The New Rangers gaben auf der Website bekannt, einem Rücktrittsgesuch Warburtons entsprochen zu haben. Warburton hatte wohl in den Wochen vor der Trennung Interesse am Trainerposten beim englischen Zweitligisten Nottingham Forest bekundet, kam dort aber nicht zum Zuge und wollte deshalb doch in Glasgow bleiben. Er selbst gab deshalb in den Medien bekannt, gar nicht zurückgetreten zu sein. Nun werden wohl Gerichte bemüht werden…

Das Blog »twohundredpercent« hat die seltsame Geschichte dieser Trennung aufgeschrieben: »Rangers & The Strange Case of Mark Warburton’s ›Resignation‹«.

Der Portugiese Pedro Caixinha, bisher auf eher weniger glamorösen Trainerstationen unterwegs, ist nach einer Interimsphase unter U20-Coach Graeme Murty (mit dem 1:1 bei Celtic als Achtungserfolg) der neue Trainer der New Rangers.

Am Wochenende steht im Heimspiel gegen Hamilton Caixinhas Debüt bevor, man darf gespannt sein, welche Taten seinen markigen Worten zur Amtseinführung folgen werden, Zitat:

»I hope we are going to be champions next season but only time will tell. Scottish football needs a strong Rangers and a strong Rangers is only one that is fighting for titles. (…) I want to make the club even bigger than it is and try and achieve something that maybe we haven’t achieved. We are talking about European trophies.«

Zumindest in Sachen Mundwerk für den Ibrox-Klub auf jeden Fall schon einmal eine Idealbesetzung…

Und sonst…

Was gibt es sonst noch auf Schottlands Fußballplätzen?

Edinburg City FC siegt!

Unser schottisches Groundhopp-Target vom letzten Herbst, der Edinburgh City FC, ist mittlerweile als Aufsteiger in der League 2 »angekommen«. Damals standen sie noch sieglos am Tabellenende, mittlerweile hat die dritte Fußballmacht der Hauptstadt Edinburgh schon sieben Siege eingefahren und sich ein kleines Polster auf den »gefährlichen« letzten Platz erarbeitet!

Spannendes Aufstiegsrennen in der Championship

Die zweite Liga, die Championship, bietet im Aufstiegsrennen einiges an Spannung. Zu Saisonbeginn sah es nach einem Alleingang von Pokalsieger Hibernian aus. Nachdem Dundee United sich nach dem sang- und klanglosen Abstieg (wir beobachteten das in der letzten Saison) wieder organisiert hatte, begann mit einer Siegesserie ein Marsch Richtung Tabellenspitze. Der wurde dann in den letzten Monaten gebremst, so dass wir nun hinter dem souveränen Tabellenführer Hibernian einen Dreikampf zwischen Dundee United und den Kleinstadtteams aus Falkirk und Greenock Morton bewundern dürfen.

Und es geht weiter!

Die Saison tritt nun in ihre heiße Phase. An diesem Wochenende gibt es den Verfolger-Knaller zwischen Aberdeen und Hearts (heute, Samstag 18.3.17, 13:00 in DAZN und Sport1+) zu sehen, morgen (Sonntag) gibt es auch das Spiel Dundee FC vs Celtic auf DAZN und Laola1 zu sehen.

Überhaupt muss man sagen, dass man sich dank DAZN über einen Mangel an bewegten Bildern in Sachen »Schottischer Fußball« nicht beschweren kann. Es gibt regelmäßig die Live-Spiele. Und auch das wöchentliche etwa 20 Minuten lange Highlight-Magazin mit Bildern aller Spiele ist sehr zu empfehlen.

In der heißen Phase der Saison werden wir dann auch wieder regelmäßiger nach Schottland schauen. So ist es zumindest geplant, aber, wie man in Schottland sagt: Whit’s fur ye’ll no go past ye! 2

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1 Bedeutet so viel wie »Auf geht's«…

2 »Was passieren wird wird passieren…«