Teilzeitarbeiter: KSC vs 1. FC Union Berlin 1:2 - 19.2.2017
Nach zwei Auswärtsspielen trat der KSC endlich mal wieder im Wildpark an, so dass für die Karlsruher Fußballfreundinnen und -freunde eine interessante Sonntagmittagbeschäftigung anstand: Das zweite Heimspiel des Jahres gegen das Zweitliga-Spitzenteam 1. FC Union Berlin. Was trotz des attraktiven Gegners nur 13.531 Zusehende anlockte (ca. 350 weitere potenzielle Zusehende durften nicht, wie wir gleich sehen werden)…
Das Wetter war gut, das Bier alkoholfrei, und das Ergebnis schlecht: Der KSC verlor mit 1:2 zum fünften Mal daheim und steckt nun knietief im Abstiegskampf…
Randaspekte: Sightseeing mit der Straßenbahn
Auf dem Weg ins Stadion konnte man sich im Schlossgarten über einen exorbitanten Polizeiaufmarsch wundern. Auf der Rückseite des Schlosses sah es aus wie einst in Gorleben. Mannschaftswagen der Polizei jagten in einem halsbrecherischen Tempo über die idyllischen Spazierwege hinweg.
Im Laufe des Tages wurde klar, warum. Laut Polizei hätten sich schwarzgewandete »Problemfans« beider Vereine zu einer »Drittortauseinandersetzung« genannten Hauerei verabredet und deshalb seien die Unioner mit ihren Bussen bis Neureut-Kirchfeld und per Straßenbahn von Neureut durch die Nordstadt in Richtung der im Schlossgartenbereich wartenden KSC-Schwarzgewandeten gefahren. Die Union-Fanhilfe »Eiserne Hilfe« bestreitet das ebenso wie beteiligte Union-Ultras, beim Textilvergehen spricht man von einer »Modepolizei«.
Fakt ist, dass die anreisenden Unioner eine ziemlich ungewöhnliche Route zum Stadion wählten und zufällig einige passend ausstaffierte KSCler auf dem Weg Richtung Stadion im Schlossgartenbereich herumlungerten. Jeder hier weiß, dass die Karlsruher Polizei bei KSC-Spielen oft genug unnötig unfreundlich und martialisch auftritt. Bei dieser Sache scheint die Darstellung der Polizei aber nicht völlig unplausibel zu sein. Es kann natürlich auch sein, dass »Neureut und Nordstadt im Februar mit der Straßenbahn« ein touristischer Geheimtipp ist, von dem wir noch gar nichts wissen. Wie dem auch sei, was genau los war wird dann wohl erst heraus kommen, wenn sich Gerichte mit dieser Geschichte beschäftigen…
Die Konsequenz dieser Geschichte: Ca. 200 Union-Anhänger sahen das Spiel nicht.
KSC - 1. FC Union Berlin 1:2
Auf das sportliche Geschehen wirkte sich dieses seltsame Geschehen insofern aus, dass beide Fanblöcke für ihre Verhältnisse ausgesprochen ruhig waren. Und es waren nirgends Fahnen zu sehen, was dann in Ultra-Logik immer eine »Bestrafung« wg. der bösen Polizei ist…
Die Stadionatmosphäre war dadurch zeitweise ziemlich »Old School«, weil es bei Geplänkel fast ruhig war und sich bei Aktionen Richtung Tor ein guter alter »Roar« entwickelte. Das kennt man in den Zeiten des »spielunabhängiger Dauergesang als primäre Support-Tugend« in deutschen Stadien gar nicht mehr. Gar nicht so schlecht!
Sportlich konnte die Ausgangsposition nicht unterschiedlicher sein. Während Jens Kellers Union mit einem vorzüglich besetzten Kader auf dem Weg Richtung Aufstiegsplätze ist, spitzt sich die tabellarische Lage beim KSC auch unter Neu-Trainer Mirko Slomka immer weiter zu. In den beiden Auswärtsspielen in Bochum und bei den Sechzgern konnte zweimal eine eigene Führung nicht über die Zeit gerettet werden, so dass die Ausbeute statt möglicher sechs Punkte nur einen mickrigen Zähler betrug. Da zeitgleich Schlusslicht St. Pauli mit dem Siegen begonnen hat, schiebt sich das Tabellenende auf den letzten vier Plätzen immer weiter zusammen. Was bedeutet: Der KSC sollte langsam mal wieder einen Dreier einfahren.
Um das zu erreichen wechselte Slomka munter im Kader herum. Auch, weil mit Prömel und Yamada zwei Stammkräfte fehlten. Jimmy Hoffer durfte überraschend neben Neuzugang Stefan Mugosa stürmen, Dirk Orlishausen kehrte ins Tor zurück. Auch der »beste Sechser Afrikas« Franck Kom durfte von Anfang an ran.
Mirko Slomkas Matchplan war schon nach 6 Minuten empfindlich gestört. Kinsombi zerrte im Strafraum ein wenig am Trikot von Sebastian Polter, der geschickt fiel – Elfmeter und 0:1.
Die Eisernen hatten damit zunächst was sie wollten, zogen sich zurück und kontrollierten das Mittelfeld. Blieben mit dem guten Kroos-Vertreter Zejnullahu als Mittelfeldlenker und den schnellen Offensivkräften Skrzybski, Hedlund und Polter aber stets gefährlich. Für Zweitligaverhältnisse ist das schon eine Top-Offensive!
Die Blauweißen rannten trotzdem unverdrossen auf das Union-Tor an, zeigten aber wieder ihr gewohntes Problem: Die offensive Harmlosigkeit vor dem Tor. Bis zum Strafraum lief der Ball oft leidlich gut, aber die Angreifer Hoffer und Mugosa kamen kaum in Abschlusspositionen.
In der 37. Minute war das Spiel dann fast schon entschieden. Zejnullahu spielte einen Klasse-Pass aus dem Mittelfeld auf den sich frei laufenden Hedlund. Der wollte in die Mitte zu Polster passen, Kinsombi wollte genau das verhindern und bugsierte dabei die Kunstlederkugel ins eigene Tor – 0:2 zur Halbzeit. Und dank der Schwarzgewandeten (»Risikospiel«) gab es nicht einmal Bier im Stadion, mit dem man sich zur Halbzeit ein wenig hätte trösten können…
Aufgeben wollte der KSC aber noch nicht. Slomka brachte Diamantakos für den schwachen Hoffer, die Blauweißen gingen mit Elan ans Werk, mehr als ein Lattentreffer von Stoppelkamp war aber nicht drin.
Danach ging das Spiel wieder in den Trott der ersten Hälfte. Union kontrollierte wie gehabt das Mittelfeld, der KSC mühte sich und war noch stets zu harmlos, wenn es Richtung Strafraum ging.
Leben in die Bude brachten dann in der 77. Minute die Unioner. Verteidiger Leistner räumte Mugosa im Strafraum ab, Stoppelkamp verwandelte den fälligen Elfmeter – 1:2, der KSC war wieder da!
Das war das Startsignal zu einer Schlussoffensive. Union begann zu wackeln, der KSC warf alles nach vorne, kam endlich auch einmal gefährlich in den Strafraum. Im Minutentakt kam der KSC zu Torgelegenheiten, die besten hatte Franck Kom per Kopf. Aber es reichte nicht mehr. Eine Viertelstunde mit strukturiertem Angriffsspiel war einfach zu wenig, um wenigstens noch einen Punkt mitnehmen zu können…
- kicker-Spielbericht. Noten zwischen 3 und 5. Für Hoffer und Kinsombi, was bei Kinsombi aber übertrieben ist.
- Vavel – Karlsruher SC 1-2 1. FC Union Berlin: Efficient visitors beat hard-working KSC. »Karlsruhe's efforts were not enough«
- Eiserne Ketten – Keine Spitze. Taktikanalyse aus Union-Sicht. Macht aber das Angriffsspiel des KSC gefährlicher als es tatsächlich war.
- Textilvergehen – Die Modepolizei in Karlsruhe sagt: Dunkle Kleidung darf nicht mehr getragen werden. »Spielbericht« mit einer Fixierung auf die »Randaspekte«. Wobei natürlich die grundsätzlichen Ausführungen zur Problematik von solchen Maßnahmen, wie sie die Karlsruher Polizei gestern anwandte, völlig gerechtfertigt sind.
Die Lage
Die Lage, die ist nun ziemlich ernst. Mit KSC, St. Pauli, Bielefeld und Aue hat sich am Tabellenende der Zweiten Liga eine »Liga in der Liga« gebildet, die nun schon mit satten 7 Punkten vom 14., aktuell den Sechzgern, getrennt ist.
Mangelnden Einsatz kann man den Blau-Weißen nicht vorwerfen, auch sieht das Spiel deutlich strukturierter aus als in der ersten Saisonhälfte unter Oral. Das Problem ist nach wie vor die mangelnde Offensivqualität im Strafraum. Mit Einsatz werden Bälle im Mittelfeld erobert, das entscheidende Anspiel erfolgt dann aber oft zu spät oder zu unpräzise, so dass im Strafraum niemand mehr in aussichtsreiche Schussposition kommen kann. Deshalb sind es auch nur 17 Tore in nun schon 21 Spielen geworden…
Am nächsten Spieltag gibt es Rosenmontag das »Spitzenspiel von unten« beim FC St. Pauli. Es wird mal wieder Zeit für einen Dreier, aus den letzten 11 Spielen holte der KSC (mit drei Trainern) nur einen einzigen Sieg…