2016
Es ist wieder einmal so weit: Die Inkrementierung eines willkürlich gesetzten Etiketts zur eindeutigen Identifizierung eines Umlaufs unseres Planeten um die Sonne steht an. Und animiert alle zu Rück- und Ausblicken auf die verschiedensten Aspekte des Daseins. Den ballreiter natürlich auch! Wie schon vor einem Jahr wollen wir die »Stadionbesuche des Jahres küren«. Und werfen einen Blick auf interessante Entwicklungen des Jahres 2016 in unserem Lieblingssport…
Von Spiel zu Spiel…
36 Stadionbesuche in 6 Ländern – es gab 2016 einiges zu sehen im Hause ballreiter. Das Anschauen von Fußballspielen in anderen Ländern lehrt den Betrachtenden, dass wir alle das selbe Spiel lieben. Ob im Wildparkstadion oder bei einem kleinen Drittligisten vor den Toren Lissabons – alle freuen sich über Tore und Siege und ärgern sich über Schiedsrichter und Niederlagen. Was ein weiterer eindeutiger Indikator dafür ist, dass wir Menschen in den vielen Ländern da draußen uns doch ähnlicher sind, als uns all jene Glauben machen wollen, die den zufälligen Ort ihrer Geburt (ihre »Nation«) anderen für überlegen halten und öffentlich nach Ab- und Ausgrenzung schreien und im Jahr 2016 immer mehr Zulauf bekamen…
Der erfolgreichste Stadionbesuch
Duplizität der Ereignisse: Auch 2016 war ein Heimspiel gegen Leverkusen im Mai das Match, das die Borussia in die Champions League brachte. Es war ein Tag, an dem alles passte: Ein tolles Spiel der Borussia, die tabellarischen Konkurrenten ließen ordnungsgemäß die Punkte liegen – ein perfekter Tag. André Schubert war auf dem Höhepunkt seiner Tätigkeit bei Borussia, vom Tabellenende bis in die Champions League hatte er sein Team geführt. Der Borussia-Himmel schien rosarot zu leuchten. Dass es dann ganz anders kommen sollte, ahnte an jenem sonnigen Tag im Mai noch niemand…
Der enttäuschendste Stadionbesuch
Exemplarisch für ein ganzes Jahr voller mieser und weitestgehend langweiliger KSC-Heimspiele mag die 1:3-Niederlage gegen den SV Sandhausen stehen. Der gute alte Wildpark bietet eine prächtige Stadionkulisse, aber meistens miesen Fußball. Drei Heimsiege gab es in 13 Besuchen 2016 im Wildpark zu sehen (ein weiterer wurde verpasst), und seit dem 15. Mai gar keinen mehr. Die Quittung ist ein Zuschauerschnitt, der sich beim harten Kern jener 10.000 Zusehenden (plus der Gästefans) einpegelt, die im Grunde immer kommen…
Der beste Stadionbesuch
Das war natürlich die Champions-League-Begegnung Celtic vs Borussia. Als Freund des schottischen Fußballs und der Grün-Weißen aus Glasgow war dieses Match in einem der grandiosesten Stadien Europas der Stadion-Höhepunkt des Jahres. Zumal sich die Fohlenelf an jenem Abend im Celtic Park zum letzten Mal unter André Schubert zu einer Leistung aufraffen konnte, die an den glorreichen Fußball der letzten Saison erinnerte. Und wer es nicht großartig findet, an einem Europapokalabend im prall gefüllten Celtic Park ein YNWA in einem Meer grün-weißer Schals anzustimmen, der hat den Fußball nie geliebt. Glasgow‘s green and white!
Der beste Groundhopp
Die Ausflüge in die großen und kleinen Stadien Europas von Uerdingen bis Lissabon machen natürlich besonderen Spaß. Den diesbezüglichen Höhepunkt hatte das Jahr 2016 schon im Januar zu bieten, als es zu Atlético de Madrid ins legendäre Vicente Calderón ging. Für jemanden, der in den Jahren der Laola1-Übertragungen zum »vom Erfolg angelockten Sympathisanten« (diese TV-Erfolgsfans immer!1!11!!) der Rojiblanco geworden war, war dieser Stadionbesuch natürlich ein besonderer Tag…
Der Fußball 2016
Und was fiel im Jahr 2016 in Sachen Fußball sonst noch so auf?
Die Bundesliga ist kaputt
Die Erkenntnis des Jahres 2016: Die Bundesliga ist kaputt. Mangelte es erst an Spannung, weil Bayern München die letzte Saison (wie die davor) nach Belieben beherrschte, so ist es aktuell, wenn man den Marktschreiern von Sky, Sport1 und Co. glauben möchte, total spannend. Aber »was ist das für 1 Spannung so vong den Vereinen her« (um mal gleich noch die »beste Internetsprache 2016« unterzubringen), wenn der FC Bayern sich an der Tabellenspitze mit RB Leipzig, Hoffene, SGE und Hertha kloppt. Das kann doch niemand wollen!
Und die Spielweise! Wer schaut sich den Fußballspiele an und denkt dabei »oh großartig, Pressing und Umschaltspiel, da habe ich jetzt richtig Lust drauf«? Gefühlt 80% aller Bundesligaspiele laufen so ab, dass sich zwei Teams 20 Meter rechts und links der Mittellinie gegenseitig bepressen. Wie aufregend…
Die Bundesliga hat sich mit ihrem inbrünstig verehrten und verteidigten 50+1-Fetisch ein Monstrum geschaffen. In keiner anderen der ach so bösen von Kapitalgesellschaften bespielten europäischen Spitzen-Ligen finden wir traditionslose künstliche Konstrukte in so großer Zahl in der Liga und auch noch an der Tabellenspitze…
Fußballkulturpessimismus
Das bringt uns zum »Fußballkulturpessimismus«, der in Deutschland besonders kultivierten »German Angst« um den Fußball. 2016 war auch das Jahr des Fußballkulturpessimismus. 11Freunde war er sogar eine große fußballkulturpessimistische Titelgeschichte wert. Dazu gab es in diesem Blog bereits zu Jahresbeginn etwas zu lesen. Fußball verändert sich genau so wie sich die Gesellschaft drumherum verändert. Deshalb ist es eine naive Vorstellung, der Fußball könnte sich in diesen Zeiten des ungebremsten globalen Kapitalismus von dieser Entwicklung abkoppeln.
Es wird in der Hinsicht auch viel gejammert. Klar gibt es z.B. ziemlich viel Fußball in TV und Internet zu sehen. Es hat aber niemand gesagt, dass man alles gucken muss. Die Auswahl heutzutage ist grandios, der Fußball wird internationaler. Das ist ein Fortschritt und kein Problem.
Schlechte Schiedsrichter
Immer schlechter werden die deutschen Schiedsrichter. Gefühlt läuft kaum ein Spieltag in den Bundesligen (oder im Pokal) mehr ohne eine deftige Fehlentscheidung ab. Ich bin schon länger für den Videobeweis, der Fußball steht immer noch erbärmlich da, wenn man ihn in dieser Hinsicht mit anderen Sportarten vergleicht.
Warum die Fehlentscheidungen immer mehr zunehmen ist die andere Frage. Beim DFB sieht man allerdings noch nicht einmal ein Problem, was für eine Ursachenforschung eine denkbar schlechte Ausgangssituation ist…
Taktikblogger
Düsseldorf, 80er Jahre, gymnasiale Oberstufe. Im Musikunterricht hieß das Thema »sinfonische Dichtungen«. Es lief Debussys »La Mer«, ohne dass der Lehrer das verraten hatte. Eine Mitschülerin sagte danach, nach ihren Eindrücken gefragt: »Dieses Musikstück bringt mir viele Bilder vor mein inneres Auge, ich sehe majestätische Berge…«
An diese Anekdote muss ich immer denken, wenn die Stars des fußballaffinen Internets im Jahre 2016 zur Tastatur greifen: Die Taktikblogger! Unter dem Mantel einer an Luhmann- oder Habermas-Slang erinnernden »Fachsprache« werden von den Autoren beim Fußballschauen vor dem TV-Gerät (oder gar einem Internet-Stream) erstaunliche Erkenntnisse gewonnen. Was gerade bei der in deutschen Übertragungen üblichen Kameraführung mit ihrem »nah rangehen« (»Emotionen! Es müssen Emotionen rüber kommen!«) schon eine ziemliche Kunst ist…
Danke und guten Rutsch!
Bei dieser Gelegenheit bedanke ich mich bei allen Leserinnen und Lesern dieses kleinen Fußball-Blogs. Auch wenn es natürlich ein manischer Egotrip ist, das Internet freiwillig vollzuschreiben, so freut es den Autor natürlich stets, wenn die Server-Logfiles andeuten, dass die Beiträge auch gelesen werden.
Team ballreiter wünscht eine wilde Inkrementierung der Jahreszahl und ein erfolgreiches 2017 voller guter Fußball- und sonstiger Tage.
Und Kommerz-Untergangsszenarien hin oder her, auch 2017 gilt: »Fußball ist immer noch wichtig«…