Borussia in der Hinrunde: »You want it darker…«

Spielbetrieb

Der Borussia-Park während der Bauphase im April 2004

»You want it darker, we kill the flame« singt der große Leonard Cohen in einem seiner letzten Meisterwerke. Cohens düsteres Epos scheint fast so etwas wie die Hymne der Borussia in der (fast) abgeschlossenen Hinrunde zu sein. Denn auch der glückliche Sieg gegen Mainz konnte den Abwärtstrend nicht bremsen, folgerichtig wurde Trainer André Schubert nach zwei weiteren Niederlagen beurlaubt und durch Dieter Hecking ersetzt…

Borussia vs VfL Wolfsburg 1:2

Das letzte Auswärtsspiel des Jahres beim FCA Augsburg hatte die Fohlenelf wie üblich 0:1 verloren (Video). Das knappe Ergebnis, »ausgerechnet« durch ein Tor des ex-Borussen Martin »Hinti« Hinteregger entschieden, drückt nicht wirklich aus, wie schlecht die Fohlenelf in Augsburg aufgetreten war.

So pfiffen die berühmten Spatzen schon von den ebenso berühmten Dächern des Niederrheins, dass das letzte Heimspiel des Jahres gegen die andere große Hinrunden-Enttäuschung das letzte Spiel unter der Ägide André Schuberts sein sollte.

So war es dann auch, in einer in jeglicher Hinsicht willen- und kraftlosen Vorstellung unterlag die Elf vom Niederrhein dem VfL Wolfsburg mit 1:2 (Video).

Tschöö André Schubert!

Und so endete die Ära von André Schubert knapp 3 Monate nach seiner Vertragsverlängerung in einer Aura der spielerischen Hoffnungslosigkeit und tabellarischen Finsternis. Es stand hier im letzten Borussia-Krisenartikel:

»Unser Trainer sollte aber die gelebte Taktikmodernität wieder auf ein gesünderes Maß zurück führen und wieder, wie in der erfolgreichen Vorsaison, zu einem stabilen Gerüst zurück finden.«

Das tat Schubert aber nicht, entsprechend ist in der Hinrunde der Bundesliga ein konstanter Abwärtstrend zu erkennen gewesen, mit dem Tiefpunkt in den letzten beiden Spielen. Und wer diese letzten beiden Spiele gesehen hat, dem war klar: So kann es nicht weiter gehen, in dem Zustand wird die Fohlenelf nie wieder ein Spiel gewinnen.

So bleibt nur, André Schubert ein letztes »Danke« hinterher zu werfen. Danke für die großartige letzte Saison. Danke für die Champions League mit Barça und Celtic. Gerade das Spiel im Celtic Park werden alle Fans der Fohlenelf, die dabei waren, nie vergessen…

Die aktuelle Saison lief weniger glorreich. Schon als im Sommer in der Presse Schuberts neue Idee »Wir werden situativ entscheiden, welches die beste Elf ist, um einen Gegner zu bespielen« zu lesen war, war ich darob sehr skeptisch. Was sich dann im Laufe der Runde mit den immer neuen Formationen und Positionen bestätigte.

Schubert ist ein interessanter und schlauer Trainer voller cleverer Ideen. Nur gelang es ihm einfach nicht, diese Ideen mit einer funktionsfähigen erfolgreichen Mannschaft in die Praxis umzusetzen. Vielmehr zeigte sich das Team zunehmend ähnlich desorientiert und willenlos wie in der Phase der »Favrekalypse« zu Beginn der letzten Saison. Anfangs waren die Niederlagen und Heim-Unentschieden noch »unglücklich«, am Ende spielte die Fohlenelf aber genau so, wie die Ergebnisse am Ende waren.

So war der Trainerwechsel nach 15 Monaten wohl unausweichlich…

Hallo Dieter Hecking!

Die Zeit der Experimente auf dem Trainerposten, voll im allgemeinen Trend mit den vielen jungen frischen Trainern mit ihren neuen Ideen, ist damit bei der Borussia erst einmal vorbei. Nachfolger wird mit dem ehemaligen Wolfsburg-Trainer Dieter Hecking einer der etablierten »üblichen Verdächtigen« aus der Bundesliga. Eine Trainerentscheidung, so konservativ wie der ganze linke Niederrhein…

Hecking soll wohl mit seiner Erfahrung und seiner recht autoritären Erscheinung den willenlosen Haufen, als der sich die Elf vom Niederrhein in den letzten Spielen präsentierte, wieder in Form bringen. Zumindest mehr »Zug« im Team durch Autorität kann man ihm zutrauen, auch wird die Zeit der wechselnden Systeme und taktischen Experimente zu Ende sein.

In der Vergangenheit war aber auch zu sehen, dass Hecking-Teams meistens mit einem recht konservativen Wald-und-Wiesen-4-2-3-1 mit einem »echten Zehner« und einem »echten Neuner« unterwegs sind. Man darf gespannt sein, wie Hecking das mit dem bestehenden Kader der Borussia umsetzen möchte…

Wie auch immer, auf diesem Wege ein »Willkommen und viel Erfolg« an den neuen Trainer Dieter Hecking. Auch wenn ich mir eine mutigere und »frischere« Entscheidung auf dem Trainerstuhl gewünscht hätte. Die Konterrevolution gegen die neuen »Laptop-Trainer« beginnt am Niederrhein…

Die Lage

Borussia beendet das Jahr auf Rang 14 mit 16 Punkten, 3 Punkte vom Relegationsrang entfernt, ein desaströser und exorbitanter Absturz von Rang 4 im Sommer.

André Schubert erscheint aber nicht als das einzige Problem. Die Mannschaft tritt wieder ähnlich willenlos auf wie in den Zeiten der »Favrekalypse«, was sogar das MitGedacht-Blog, das vor kurzem noch eher eine überzogene Erwartungshaltung der Fans als Problem sah, auf den Plan ruft. Das Team wurde bekanntlich im Sommer nur mäßig verstärkt und hat in dieser weitestgehend unveränderten Zusammensetzung nun in 15 Monaten den zweiten Trainer erledigt. Da ist vielleicht nicht nur immer der Trainer alles schuld. Auch über eine Charakterfrage mit Blick auf die Mannschaft darf man sich Gedanken machen…

Überhaupt scheint diese sommerliche Rede vom »besten Kader aller Zeiten« eine der grandiosesten Fehleinschätzungen aller Zeiten der Borussia-nahen On- und Offline-Medien gewesen zu sein. Hier im Blog war man ja schon im Sommer skeptisch, ob die Verstärkung des Kaders mit Kramer, Strobl, Vestergaard und ein paar Talenten angesichts der Abgänge wirklich ausreichend war. Selbst Eberl räumt mittlerweile ein, dass der Kader in der Wintertransferperiode Verstärkungen benötigt…

Eberl gab, wie wir schon im letzten Krisenartikel ausführten, in den Wochen und Monaten der Krise kein souveränes Bild ab. Auch die Entlassung des Trainers, dessen Vertrag man noch vor drei Monaten verlängerte, wirkt nicht wie eine Glanzleistung der Sportdirektorenkunst.

Die Umstände des Trainerwechsels waren etwas merkwürdig. Obwohl der Wechsel wohl schon feststand, wurde André Schubert gegen Wolfsburg noch einmal als »Lame Duck« ins Spiel geschickt und die Punkte damit mehr oder weniger abgeschenkt. Und das alles nur, damit alle Beteiligten ihr Gesicht wahren können. Wenn genau diese drei Punkte am Saisonende fehlen, darf sich Max Eberl auf unangenehme Fragen gefasst machen…

Es wird also spannend und vielleicht sogar mal wieder überaus existenziell in der Rückrunde. Die Leistungen der Hinrunde lassen Einschätzungen wie hier im »Hinrunden-Zeugnis« bei welt.de (»Unter Dieter Hecking wird es nicht viel besser«) nicht ganz abwegig erscheinen. Was uns wieder zum großen Leonard Cohen zurück bringt:

»You want it darker…«