Ein großer Europapokal-Abend: Celtic FC vs Borussia Mönchengladbach 0:2 – 19.10.2016

Stadion

Team ballreiter war letzte Woche in Schottland unterwegs! Und das aus gutem Grund. Denn Stammleserinnen und -leser werden es ahnen: Die Duelle in der Champions League zwischen der Borussia und dem ruhmreichen Celtic FC aus Glasgow sind aus ballreiter-Perspektive natürlich die »Spiele des Jahres«. Schließlich verbrachten wir unsere Jugend auf dem Bökelberg und mögen heutzutage Celtic und den schottischen Fußball. Entsprechend wurden alle notwendigen Maßnahmen eingeleitet, um bei beiden Spielen im Stadion dabei zu sein.

Und das sollte sich lohnen: In einem stimmungsvollen Match in Paradise gewann die Fohlenelf 2:0 und fuhr den ersten Auswärtssieg in der Champions-League-Vereinsgeschichte ein…

Welcome to Paradise!

The Celtic Football Club

Wir starten mit einem kleinen Exkurs, es muss mal etwas geklärt werden:

Der ruhmreiche Verein aus dem Osten Glasgows heißt »The Celtic Football Club«. Und nicht »Celtic Glasgow«, wie das unsäglicherweise von der deutschen Sportjournaille stets penetrant verhunzt wird. Es ist eine ziemliche Unart in Deutschland, jeden Verein der Welt in das scheinbar logische Schema »Vereinsname Stadt« pressen zu müssen. »Celtic Glasgow« ist ja nur eine dieser Stilblüten der Sportjournaille, »Arsenal London« oder gar »Chelsea London« und »Benfica Lissabon« sind auch sehr beliebt. Letztere beiden sind natürlich besonders dämlich, da »Chelsea« und »Benfica« bekanntlich Ortsnamen und keine Vereinsnamen sind. Im Grunde so, als würde man den seltsamen Verein aus dem Ruhrgebiet »Schalke Gelsenkirchen« nennen…

Aber zurück zu Celtic. 1888 wurde der Celtic FC von Brother Walfrid (dessen Statue vor dem Haupteingang steht) gegründet, als Vehikel zur Bekämpfung der Armut der irischen Einwanderer in Glasgows East End.

In den folgenden 128 Jahren wurde Celtic einer der traditionsreichsten Vereine Europas. 47 Meisterschaften, 36 Pokalsiege und 15 Liga-Pokalsiege wurden eingefahren. Höhepunkt der Geschichte war der Gewinn des Europapokals der Landesmeister im Jahre 1967 in Lissabon durch die legendären »Lisbon Lions« unter der Führung von Kapitän Billy McNeill und des Außenstürmers Jimmy »Jinky« Johnstone. Trainer zu dieser Zeit war der große Jock Stein (der hier im Blog anlässlich seines 30. Todestags ausführlich gewürdigt wurde). Auch von jenen Helden der Vergangenheit stehen Bronzestatuen vor dem Eingang.

Diese erfolgreichste Zeit ist auch heute noch sehr präsent, vergleichbar mit der Omnipräsenz der erfolgreichen 70er-Jahre bei Borussia. Wer am letzten Mittwoch dort war und sich die Dekoration des Stadions angeschaut hat, konnte das auch nicht übersehen. Zumal es 2017 das 50-jährige Jubiläum des Europapokal-Triumphs der »Lisbon Lions« zu feiern gibt…

Die aktuelle sportliche Realität ist nicht mehr gar so glorreich. Der schottische Fußball ist international ins Hintertreffen geraten, Celtic muss als schottischer Meister durch die mühsame Qualifikationsrunde hindurch und schaffte es in dieser Saison so gerade in die Gruppenphase. Dieses kleine Blog begleitet das Geschehen rund um Celtic und den schottischen Fußball bekanntlich ein wenig. Ein Tor mehr von Hapoel Beer Shiva und es wäre wieder nur die Europa League gewesen. So aber steht Celtic nach zweijähriger Pause wieder in der CL-Gruppenphase und spielt mit Borussia gemeinsam in der Gruppe C gegen Barça und ManCity.

Wer sich über die glorreiche Geschichte Celtics informieren möchte, dem sei das sehr umfang- und detailreiche Celtic-Wiki empfohlen.

Celtic Park

Für den ballreiter gab es vor einigen Jahren den ersten Stadionbesuch auf der Insel im Celtic Park, was dann auch die »Initialzündung« für das tiefergehende Interesse an Celtic und den schottischen Fußball war. Wie in so vielen Stadien auf der Insel, spürt man im Celtic Park auf Schritt und Tritt die Aura der großen Historie. Seit 1892 wird dort Fußball gespielt, es ist ein großer und besonderer Ort des Fußballs.

Über die Herkunft des Spitznamen »Paradise« gibt es diverse Theorien. Alle haben sie etwas mit dem benachbarten Friedhof zu tun. Gemäß der populärsten Theorie hat ein Journalist zur Zeit der Stadioneröffnung gesagt, in den Celtic Park zu gehen sei wie »leaving the graveyard to enter paradise«

Natürlich wurde der Celtic Park in den 124 Jahren seiner Geschichte diverse Male umgebaut, mittlerweile ist es ein modernes enges reines Fußballstadion mit steilen Rängen, auf denen 60.800 Zuschauende Platz und eine großartige Akustik finden.

Zuletzt wurde der Platz vor dem Stadion umgebaut. Beim letzten Besuch verlief dort noch eine Straße neben einem baufälligen alten Gebäude, diese wurden entfernt und es gibt es nun einen sehr gelungenen weiträumigen Fußgängerbereich.

Zur Anreise empfehlen wir die Eisenbahn, der Bahnhof Bellgrove ist etwa 20 Minuten Fußweg über den Gallowgate entfernt und bietet bis gegen Mitternacht Züge in Richtung Osten (zur Hauptstadt Edinburgh) und Westen (das Zentrum Glasgows), mit denen man recht zügig weg kommt.

Celtic vs Borussia 0:2

Das Spiel selbst stand durchs Celtics überraschenden Punktgewinn gegen ManCity für beide Teams unter dem Motto: Verlieren verboten, ein Punkt war Pflicht, um die Chancen auf das »Überwintern im Europapokal« zu erhalten.

Für Celtics Fans sind die CL-Spiele Feiertage (denn in der Liga gewinnen sie sowieso fast immer), das Stadion ist dann stets bis auf den letzten Platz gefüllt und das Publikum zum Lärmen motiviert.

Entsprechend breitete sich schon am Nachmittag eine gespannte Atmosphäre am Celtic Park aus. Und auf dem Weg zum Stadion wurde man allenthalben von ohne Karte angereisten Fans angesprochen, ob man denn eine Karte habe und was sie kosten würde. Aber die in des ballreiters Tasche war natürlich für keinen Preis verkäuflich, denn schon die Beatles wussten, auch wenn sie wahrscheinlich nicht den Fußball meinten: »I don't care too much for money, money can't buy me love…«

Vor dem Haupteingang versammelten sich die Fans beider Vereine und es gab ein großes Spektakel zu bewundern. Die Mannschaftsbusse fahren nicht ins Stadion hinein, sondern kommen vor dem Haupteingang an und liefern dort, flankiert von Polizeipferden und unter dem Beifall einer recht üppigen versammelten Menge, die Mannschaften am Stadioneingang ab…

Die Hauptsache war aber natürlich das Spiel. Wie immer auf der Insel war das Stadion noch fast leer, als sich die Spieler schon auf dem Rasen warm machten.

Und wie auf Kommando füllte sich das große Stadion innerhalb von wenigen Minuten vor Spielbeginn vollständig. Kaum auf ihren Plätzen angekommen, erhoben die Fans der Bhoys ihre Schals und begannen, ein inbrünstiges YNWA anzustimmen, das sie in Liverpool auch nicht besser hin bekommen. Um danach, als die Mannschaften auf den Rasen kamen, die Champions-League-Hymne mit Geschrei zu übertönen. Spätestens seit der Play-Off-Runde, als Celtic-Fans im Spiel gegen den israelischen Klub Hapoel Beer Sheva mit palästinensischen Fahnen herumwehten und die UEFA das bestrafte, gehört die UEFA nicht unbedingt zu den beliebtesten Organisationen im Glasgower East End…

 

Dann bildeten die Mannschaften noch einen Kreis auf dem Rasen und es konnte endlich losgehen. Übrigens wurde dieser Kreis, The Huddle, bei Celtic im Jahre 1995 als erstem Vereinsteam in Europa ein festes Ritual…

Als das Spiel begann, kam das Publikum der Aufforderung des Stadionsprechers »make some noise for the bhoys« gerne nach. Mit einem infernalischen Gebrüll in einer unfassbaren Lautstärke wurden das eigene Team und der Anpfiff begrüßt.

In dieser Atmosphäre musste man das Schlimmste für die auswärts notorisch harmlose Borussia befürchten. Ein infernalisch laut brüllendes Publikum und ein Gegner, der im heimischen Celtic Park alle Tugenden verkörpert, welche die Fohlenelf bei ihren Auswärtsgegnern gar nicht mag – das klang nach einer schweren Aufgabe.

Celtic hatte bekanntlich im ersten CL-Heimspiel gegen ManCity ein 3:3 erkämpft und fuhr den dabei erfolgreichen wuseligen Paradesturm mit James Forrest, Scottie Sinclair und vor allem Moussa Dembelé wieder auf. Diese begannen auch sofort, auf das dieses Mal von einer Viererkette behütete Tor der Borussia anzurennen. Doch schon nach wenigen Minuten tat sich durchaus Erstaunliches. Die Fohlenelf nahm entgegen der sonstigen Auswärtsgepflogenheiten von Beginn an »den Kampf an« und unterband schon nach wenigen Minuten Celtics flügellastiges Angriffsspiel. Der junge offensive Außenverteidiger Kieran Tierney und Flügelflitzer Scott Sinclair wurden von Traoré und Korb nach allen Regeln der Kunst bearbeitet. Da über Celtics andere Seite mit Routinier Mikael Lustig und James Forrest nichts lief, kam die Offensive Celtics fast zum Stillstand. Es wurde ruhiger und ruhiger im Celtic Park, je länger das Spiel dauerte. Es war dann die Borussia, die regelmäßig vor dem Celtic-Tor auftauchte, die Abschlüsse waren aber zu harmlos. So ging es mit 0:0 in die Pause.

Das Gebrüll zum Anpfiff der zweiten Halbzeit war dann schon deutlich gedämpfter, der zahlreich mitgereiste Anhang der Fohlenelf übernahm langsam aber sicher den Celtic Park. Genau wie die Fohlenelf auf dem Rasen. Sie drückte auf das Tor und zwang Celtic zu Fehlern. Besonders den bedauernswerten Kolo Touré. Beim 0:1 in der 57. Minute versuchte selbiger, den Ball ins Aus trudeln zu lassen und ließ sich von Hahn den Ball abluchsen. Stindl vollendete.

Endgültig entschieden war das Spiel nach Tourés zweitem Fehler 20 Minuten später. Touré vertändelte dieses Mal den Ball im Mittelfeld gegen Stindl, André Hahn verwandelte das Geschenk locker zum entscheidenden 0:2. Auf und neben den Rängen gab es Resignation, die Fohlenelf hatte den Hexenkessel Celtic Park geknackt und fuhr einen unerwarteten Auswärtssieg ein. Der erste Auswärtssieg in der noch kurzen Champions-League-Historie der Borussia, und ein enttäuschendes Ergebnis für Celtic.

Fazit: Ein gelungener Abend an einem besonderen Ort, mit einem unerwarteten Ergebnis. Für Celtic wird es schwer werden, sie haben nur noch ein Heimspiel und das gegen Barcelona…

Impressionen