Neues auf der Mattscheibe: Zwei Monate mit DAZN

Ballkultur

DAZN, der neue Internet-Sport-Sender, ist von der Idee her ja für jeden Fan internationaler Ligen ein ziemlich großartiges Ding: 10 Euro im Monat, ein bunter Strauß interessanter internationaler Fußball-Ligen, insbesondere die im Hause ballreiter geschätzten Ligen aus Spanien, Schottland und England. Das ganze anguckbar im Web und mit Apps. Doch leider ist die Praxis nicht gar so glorreich…

[Foto: »Play the long ball« auf flickr von Craig Santer, CC-BY-ND2.0, Thanks!]

Das Erbe von Laola1.tv

Fans von LaLiga wurden in den letzten Jahren von Laola1.tv gut bedient: Es gab alle Spiele live zu sehen, anschaubar im Web (mit Flash) und mit einer App. Die iOS-App unterstützte AirPlay und ließ sich problemlos auf das große Fernsehgerät streamen. Und die Streams liefen, abgesehen vom Andrang bei El Clásico, wenn Kreti und Pleti La Liga schauen wollten, ziemlich zuverlässig. Doch mit Ablauf der letzten Saison verlor Laola1 die Rechte an La Liga, sie wanderten zum Newcomer DAZN.

Die Neuen: DAZN

Nach einer langen Vorbereitungs- und Gerüchtephase ging DAZN dann am 10. August 2016, so gerade eben noch rechtzeitig zum Saisonstart der Premier League (die bekanntlich von Sky zu DAZN gewandert ist), an den Start.

10 Euro im Monat, der erste Monat frei, die Anmeldung war für ballreiter natürlich ein »Kein-Gehirner«. Doch leider wich die Freude über das ziemlich großartige Angebot mit vielen vielen Fußballspielen in den gut acht Wochen nach Start einer zunehmenden Ernüchterung. Denn derzeit präsentiert sich DAZN im Hause ballreiter so:

1. Technisch veraltet

DAZN setzt im Web auf Microsofts Flash-Plagiat Silverlight. Diese Technologie wurde von Microsoft selbst schon vor über einem Jahr mehr oder weniger deutlich beerdigt. Unverständlich, dass ein neuer Dienst im Sommer 2016 mit einer veralteten Technologie an den Start geht. Besonders auf OSX läuft Silverlight mehr schlecht als recht, es feuert den Lüfter an und belegt praktisch die gesamten Ressourcen des Systems.

Die iOS-App ist auch ein klarer Rückschritt gegenüber der von Laola1. Sie unterstützt vom Start weg kein Airplay. Das wurde bereits im August als »in der Entwicklung befindlich« versprochen, die App hat aber seit dem Start noch kein einziges Update gesehen. Somit kann man das angeschaute Spiel nicht auf den Fernseher streamen.

Ich weiß nicht wie man sich das bei DAZN vorstellt. Ein gemütlicher TV-Abend mit Fußball, über Notebook, iPad oder gar iPhone gebeugt?

Wenn man Twitter glauben darf, so gibt es auch auf anderen Plattformen (SmartTV, PS4) Probleme mit den Apps. Es scheint, als habe sich DAZN da mit zu vielen Plattformen gleichzeitig verzettelt.

2. Unzuverlässig

Dazu kommt, dass die Streams (besonders in den letzten Wochen) ziemlich unzuverlässig laufen. Ruckeln und schlechte Bildqualität sind an der Tagesordnung, an einem Wochenende (ausgerechnet an dem, als das Manchester-Derby anstand) fiel das gesamte System sogar über Stunden komplett aus.

3. Unübersichtlich

Die Website ist »cool« mit Kacheln aufgemacht. Was sie schön unübersichtlich macht, wenn am Wochenende was los ist. Und es gibt keinen Programmguide, auf dem man übersichtlich sehen könnte, was eigentlich wann übertragen wird.

Dazu kommt, dass Spiele aus Ligen, für die DAZN zwar Rechte hat, aus unbekannten (technischen?) Gründen nicht gezeigt werden. Besonders die Übertragungen aus der schottischen Liga fallen dauernd durch das Raster, da gibt es sogar in Sport1+ mehr zu sehen.

Möglicherweise hat DAZN auch einfach zu viele Rechte im Portfolio, um die alle angemessen bedienen zu können.

4. Wortschwall der Kommentatoren

Dieser Punkt ist natürlich Geschmackssache. Die Kommentatoren reden zu viel. Bei einigen Spielen gibt es ein Duo aus Kommentator und Experte. Und die reden in einer Tour. Und das sehr oft über Themen, die mit dem Spiel, was man gerade schaut, nichts zu tun haben. Höhepunkt in dieser Hinsicht war ein Spiel von La Liga, in dem sich Kommentator und Experte minutenlang über die Lage von Bastian Schweinsteiger bei ManUnited unterhalten haben. Was mit dem Spiel in Spanien nicht so arg viel zu tun hatte…

Und einige Experten, meistens Ex-Fußballer, haben (das merkt man nach jahrelangem La-Liga-Schauen bei Laola1 und Beschäftigung mit La Liga durchaus) abseits von Real Madrid und FC Barcelona nicht unbedingt viel Ahnung von La Liga und versuchen, sich mit Allgemeinplätzen aus ihrer aktiven Zeit über die Runden zu retten.

Fazit

Derzeit kann man DAZN nicht uneingeschränkt empfehlen. Das Angebot ist eigentlich (trotz der meist fehlenden Schotten) überragend. Leider trübt die bescheidene technische Qualität der Website und der App den Fußballgenuss ebenso wie die wankelmütige Qualität der Streams. Und es fehlt ein richtiger Programm-Guide, man kann praktisch nur durch Trial-and-Error nach dem Spielplan schauen, ob ein Spiel übertragen wird oder nicht.

Die über-wortreichen Kommentatoren-Duos sind wie gesagt Geschmackssache. Man würde sich eine Stadionton-Option wünschen, damit wäre dann in der Hinsicht allen gedient.

Ich werde erst einmal bei DAZN dabei bleiben, denn gerade zum Schauen von La Liga gibt es ja keine Alternative. Die Rechte werden die nächsten Jahre bei DAZN bleiben. So kann man nur hoffen, dass man dort die Technik in den Griff bekommt und die Apps irgendwann auf dem Stand der Technik sein werden. Sonst werden es sehr bescheidene und raue La-Liga-Jahre, angeschaut mit ruckelnden Streams, über ein iPad gebeugt…

Wenn dann wirklich einmal alles gut wird, dann gibt es hier auch als Nachschlag einen Artikel voll des Lobes, versprochen!