»…wir sind auch keine Mannschaft, die grundsätzlich Auswärtsspiele gewinnen muss…«
Es war so klar! Nach den Samstags-Spielen der Bundesliga lag für die Elf vom Niederrhein der Tabellenrang 2 in Reichweite, man hätte »nur« auf Schalke gewinnen müssen. Aber Fans der Fohlenelf wissen: Es wäre zutiefst unborussisch, so eine Gelegenheit wahrzunehmen. Folgerichtig verlor man dann auch gleich gründlich mit 0:4 in der Gelsenkirchener Turnhalle und steht mittlerweile an einem Punkt, an dem selbst André Schubert die »Auswärtskrise« nicht mehr ignorieren kann…
Englische Bundesliga-Woche
Das Bundesliga-Tagesgeschäft der Fohlenelf musste hier aus Gründen in den letzten Wochen seit der obligatorischen Auswärtsniederlage in Freiburg ein wenig vernachlässigt werden. Es lief ja wie immer: Zu Hause siegreich, auswärts sieglos.
Zunächst kickte die Fohlenelf mit einem 4:1-Heimsieg gegen Werder Bremen den großen Stoiker Viktor Skripnik von der Werder-Trainerbank herunter. Werder präsentierte sich genau so, wie die spielerisch gute Offensive der Borussia es daheim gerne mag und folgerichtig schoss die Borussia viele Tore.
- kicker-Spielbericht – Gladbach vs Werder. Noten von 1 für Hazard und Raffael bis 3 für Sommer, Raffael und Hazard in der Elf des Tages.
Es folgte in der »englischen Woche« das Auswärtsspiel bei den Voldemorts des deutschen Fußballs, RB Leipzig. Immerhin wurde dieses nicht verloren, beim 1:1 präsentierte sich die Fohlenelf sogar (für ein Gladbach-Auswärtsspiel) in der zweiten Hälfte kämpferisch stark und holte verdient einen Punkt bei dem starken Aufsteiger.
- kicker-Spielbericht - RB Leipzig vs Gladbach. Noten von 2,5 bis 4,5.
- rotebrauseblogger. Naturgemäß aus RBL-Sicht.
Es folgte ein unspektakulärer »Arbeitssieg« gegen das in dieser Saison unter ex-KSC-Coach Kauczinski sieglose Ingolstadt. Das 2:0 spielte die Fohlenelf ernsthaft und ließ das ganze Spiel keinen Zweifel am Sieger. Bemerkenswert an dem Spiel war, dass es endlich mal wieder eine richtig gute Leistung von Mo Dahoud zu bewundern gab.
- kicker-Spielbericht – Gladbach vs Ingolstadt. 2 für Dahoud, der Rest zwischen 2,5 und 4.
- Seitenwahl – Wir können auch anders. »Die Aggressivität aber ist das, was Borussia am Samstag zum verdienten Sieger machte.«
Eine erfolgreiche englische Woche mit 7 Punkten. Und der erkämpfte Punkt bei RB und die kämpferisch starke Leistung gegen den Neo-Angstgegner Ingolstadt machten eigentlich Mut für die am letzten Sonntag anstehende Auswärts-Aufgabe auf Schalke.
Nach dem Spiel in Leipzig sagte André Schubert einen bemerkenswerten Satz (gegenüber RP-Online):
»Wir müssen auch mal wieder ein bisschen demütiger sein. Wir sind jetzt keine Mannschaft, die von Haus aus Champions League spielt, wir sind auch keine Mannschaft, die grundsätzlich Auswärtsspiele gewinnen muss.«
Besonders letzteres ist schon der sprichwörtliche »starke Tobak«, betrachtet man Borussias Auswärtsbilanz seit fast einem Jahr…
Schalke 04 vs Gladbach 4:0
Also ging es auswärts zum sieglosen FC Schalke 04. Mit der Aussicht auf Tabellenrang 2 durch einen Auswärtssieg. Von vornherein »unborussisch«, so eine Gelegenheit zu nutzen. Entsprechend »borussisch« war das Spiel…
Schubert überraschte wieder mit einer durchrotierten Aufstellung. Nach dem Motto »wenn schon Raffael ausfällt (verletzte sich im Barcelona-Spiel), dann lasse ich am besten auch gleich Stindl draußen« tat er genau das. Und Christensen war plötzlich wieder Sechser, Dahoud sollte den Raffael (oder den Stindl) geben – einfach eine Aufstellung, wo Du vor dem Fernseher denkst: »Nä, dat isset nich…« Das Ergebnis war vorhersehbar: Offensiv war Borussia in der ersten Halbzeit nicht existent.
Während des Spiels hielt man das ja noch für eine geniale Taktik: Dicht machen, Schalke anrennen lassen, warten bis das Publikum in der Turnhalle unruhig wird und »raunt« und dann zuschlagen. Es war aber eher so, dass die Fohlenelf nicht mehr zu Stande brachte als abwartendes Breitband-Ballgeschiebe mit hohem Ballbesitzanteil, aber wenig Drang zum Tor.
Zur Halbzeit sah das auch André Schubert so und brachte Stindl. Nahm dafür aber mit Vestergaard den besten Spieler heraus…
Fünf Minuten lang funktionierte das, dann brachen wieder einmal innerhalb weniger Minuten alle Dämme. Dieses »innerhalb weniger Minuten ein Spiel verlieren« ist ja auch etwas, das Borussia in den letzten 12 Monaten nicht zum ersten Mal passiert ist.
Natürlich war auch Pech dabei, denn nach einer der zahlreichen unglücklichen Aktionen des etwas indisponierten Traoré gab Schiri Stegemann in der 52. Minute Elfmeter für Schalke, den Choupo-Moting zum 1:0 verwandelte. Eine sehr zweifelhaft Entscheidung, schaut man sich das genauer an, scheint es eher so, dass Traorés Bein schon auf dem Boden steht und Choupo-Moting Traoré in die Ferse tritt und dann fällt. Sagen wir es so: In Frankreich pfeift das keiner…
Aber auch nach einem unglücklichen Elfer braucht eine gestandene Champions-League-Teilnehmer-Mannschaft dann nicht so auseinanderzufallen. Vier Minuten später konnte der Basler Neuzugang Breel Embolo mühelos gegen eine im Zustand der Auflösung befindliche Borussia-Abwehr das 2:0 erzielen.
Und zwei Minuten später verlor Mo Dahoud der Ball im Mittelfeld, als er eine Situation unangemessen spielerisch elegant lösen wollte (leider nicht im Youtube-Video zu sehen), Embolo und Goretzka vollendeten per Konter gegen eine erneut nicht existente Abwehr zum 3:0.
Damit war das Spiel »durch«, das 4:0 in der 83. Minute durch Embolo nach einem missratenen Rückpass-Versuch von Christensen (leider auch wieder nicht vollständig im Video zu sehen) war dann nur noch der unschöne Gipfel des schaurigen Treibens in der zweiten Halbzeit.
Fazit: Borussia bricht erneut auswärts auseinander, baut einen auch nicht sonderlich gut spielenden Gegner mit Abwehrfehlern auf und die Auswärtsmisere-Serie aus. Das nennt man wohl einen »gebrauchten Tag«…
Als Gelegenheits-FC-Basel-Gucker schaut ballreiter natürlich besonders auf den Ex-Bebbi Breel Embolo, an dem nach dem schaurigen Schalker Start schon unangemessen rumgekrittelt wurde. Er ist erst 19 und gerade erst in die Bundesliga gewechselt, das sollte man nicht vergessen. Gegen Borussia zeigte Breel (leider) erstmals, wozu er fähig ist. An dem Jungen wird Schalke noch viel Freude haben, er wird auf Sicht jeden Euro seiner Ablöse wert sein, da hat Schalke für einmal mit Weitblick eingekauft. Und ja, ballreiter ist da schon ein wenig neidisch, Embolo hätte auch gut zur Fohlenelf gepasst…
- kicker-Spielbericht. Note 2,5 für Vestergaard, 3,5 für Kramer, der Rest zwischen 4 und 5. Wie damals, als die Mitschüler, die in der 7. Klasse schon rauchen durften, die Zeugnisse bekamen. Breel Embolo ist der »Spieler des Spieltags«. Verdient.
- Seitenwahl – Nichts gelernt. »Wenn eine Mannschaft, die zu Hause europaweit gefürchtet ist, ihre Auswärtsschwäche mit der gleichen Vorsehbarkeit abliefert wie populistische Trumpelstilzchen ihre Verbalinjurien, wenn sie immer wieder die gleichen Fehler gemacht und wenn sie nicht gelegentlich, sondern regelmäßig Aufbaugegner für kriselnde Gastgeber ist, dann stapelt Max Eberl mit dem Ziel der Einstelligkeit nicht tief. Dann ist das eine realistische Ambition für eine Mannschaft und ein Trainerteam, die zu wenig und zu wenig nachhaltig dazu lernen.«
- Spielverlagerung – Schalkes Befreiungsschlag? »Am Ende hatten die Gladbacher 73% Ballbesitz und eine Passquote von 88%. Schuberts Umstellungen zur Halbzeit führten in ihrer konkreten Umsetzung zwar dazu, dass die Probleme im Aufbauspiel aus dem ersten Durchgang weitestgehend korrigiert werden konnten, was allerdings zu Lasten der Sicherung des defensiven Umschaltmoments geschah.«
- Halbfeldflanke – Rotation mal anders. FC Schalke 04 – Borussia Mönchengladbach, 4:0. Aus Schalke-Sicht mit Blick auf die Taktik. Aber: »Und noch immer steckt eine ganze Menge Favre im Team.« Nein.
- Abseitsfalle – EIN ERSTER SCHRITT FÜR DEN SCHALKER SEELENFRIEDEN. Auch aus Schalker Sicht.
Die Lage
Die nächste unnütze Länderspielpause (Sie wissen schon, Nationalmannschaften im Profifußball sind überflüssig) bringt der Bundesliga nach sechs Spieltagen schon wieder eine Pause. Borussia steht mit 3 Siegen, 1 Unentschieden und 2 Niederlagen im Mittelfeld auf Rang 9. Kein übermäßig schlechter Auftakt, aber auch nicht übermäßig gut.
Die Auswärtsschwäche bleibt erhalten. Man wird ja müde es ständig zu schreiben, aber Borussia hat seit dem Sieg bei Hertha Ende Oktober 2015 auswärts nur noch einmal gewonnen, am letzten Spieltag in Darmstadt. Die Erwartung damals, dass dieser Sieg diese Serie beenden würde, hat sich nicht bestätigt. Der Sieg war wohl eher vom Feiern ermüdeten Darmstädtern zu verdanken.
Für den letzten »richtigen« Auswärtssieg feiern wir demnächst das einjährige Jubiläum. Und wenn Schubert in Anbetracht dieser Zahlen von einer Auswärtskrise nichts wissen will und viel mehr Statements von sich gibt (s.o.) wie »wir sind auch keine Mannschaft, die grundsätzlich Auswärtsspiele gewinnen muss«, dann ist das schon eine sehr spezielle Sichtweise. Auch nach dem Spiel bei Schalke gab es diesbezüglich einen wenig souveränen Schubert-Auftritt im Interview bei Sky-Esther zu bewundern. Er wollte lediglich einräumen, dass Borussia daheim mehr Punkte holt als auswärts…
Offensichtlich hat irgendwer Schubert darauf aufmerksam gemacht, dass das alles nicht gar so schlau ist. Denn gestern trat er überraschend vor die Presse und hörte sich nun ganz anders an, was die Auswärtsauftritte angeht. Wenn aus den richtigen Worten das richtige Handeln wird, dürfen wir noch Hoffnung haben…
Ob die ausufernde Rotiererei in den letzten Spielen der Weisheit letzter Schluss ist, ist auch sehr fraglich. Wechseleien von Bank über Tribüne in die Startelf und zurück sind an der Tagesordnung. Abwehrkette und defensives Mittelfeld spielen in fast jedem Spiel in anderer Besetzung…
Dazu kommt die schon im Sommer so vermutete Schwachstelle »Defensives Mittelfeld«. Der Personalbestand war dort von Anfang an zu dünn, was sich nach Strobls Verletzung nicht verbessert hat. Christensen ist dort keine Lösung.
Eine Menge Baustellen. Man darf gespannt sein, wie es nach der Länderspielpause weiter geht. Auch das Borussia-Umfeld ist anspruchsvoller geworden, auch in der großen »Familienidylle« Borussia wird ein Rumkrebsen im Mittelfeld hinter Teams wie Hertha, Köln, Hoffenheim oder gar Frankfurt nicht auf ungeteilte Begeisterung stoßen…