Sieglos im Regen: KSC vs FC St. Pauli 1:1 – 18.9.2016
Es war aber auch wirklich zu verlockend. Lausige Leistungen des KSC in der aktuellen Saison, zwei torarme Teams aus der Abstiegsregion der Zweiten Bundesliga (KSC 1 Tor, St. Pauli 3 Tore) und strömender Regen in einem in weiten Teilen unüberdachten Stadion – da musste ballreiter einfach wieder raus in den Wildpark. Und das vom KSC in der neuen dynamischen Preistabelle höher als manches Bundesliga-Match bepreiste Spiel zwischen dem KSC und dem FC St. Pauli hielt was es versprach – in einem über weite Strecken schlechten Spiel zweier schwacher Mannschaften trennte man sich gerecht 1:1…
KSC vs FC St. Pauli 1:1
Nach der fürchterlichen Vorstellung des KSC bei Union Berlin überboten sich die Vereinsakteure die ganze Woche im Verkünden von Durchhalte- und Besserungsparolen in den lokalen Medien. So wollte man »den Blick nach vorne richten«, die »Kirche im Dorf lassen«, hatte »unsere Lehren gezogen« und wollte sich gegen St. Pauli »als Mannschaft präsentieren und uns von Anfang bis Ende ins Spiel arbeiten«…
Zu diesem Behufe stellte Trainer Tomas Oral sein Team gleich auf 5 Positionen um.
Mit dieser #Start11 gehen wir ins Heimspiel gegen den @fcstpauli! #nurderksc #kscfcsp pic.twitter.com/IL047FszpW
— Karlsruher SC e.V. (@KarlsruherSC) 18. September 2016
Der in Berlin so grandios gescheiterte Versuch mit einer Doppelspitze wurde nicht wiederholt, und die ebendort besonders indisponierten Figueras, Sallahi, Rolim und Hoffer verschlug es auf die Ersatzbank.
Gegner St. Pauli, in der Vorsaison immerhin Tabellen-Vierter, steht in der aktuellen Saison nicht viel besser da. Nach drei Niederlagen zum Auftakt gelang in der Vorwoche ein mühsamer Sieg gegen Bielefeld. Somit standen beide Teams punktgleich im Keller der Tabelle.
Trainer Ewald Lienen hatte in der PK vor dem Spiel für einen Lacher in Karlsruhe gesorgt:
#Lienen: "Karlsruhe hat gute Offensivleute und somit eine Reihe von Möglichkeiten. Wir werden sehen, wie sie spielen werden." #fcsp #kscfcsp
— FC St. Pauli (@fcstpauli) 16. September 2016
Die »guten Offensivleute« (1 Tor und 7 Schüsse aufs Tor in 4 Spielen) lockten bei trübem und regnerischem Wetter 14.000 Zusehende ins Wildparkstadion, wovon ca. 3.000 den Gästeblock füllten. Diese Begegnung lockte vor etwa einem Jahr noch fast 22.000 Zusehende in das ehrwürdige Wildparkstadion. 8.000 weniger ist die Quittung für die wenig ansehnlichen Heimspiele im Kalenderjahr 2016 und eine Eintrittspreisgestaltung die so tut, als wäre der KSC ein erfolgreicher Zweitligist und die Tickets für diese Spiele begehrte und seltene Güter. So hat man gestern für einen unüberdachten Kurvenstehplatz mit Regengarantie, der normalerweise 10 Euro kostet, inkl. 2 Euro »Matchday-Strafgebühr« satte 15 Euro hinlegen müssen, wenn man sich trotz allem noch kurzfristig zum Stadionbesuch entschlossen hätte. Man muss wohl kein ausgewiesenes Marketing-Genie sein um zu merken, dass das angesichts der aktuellen sportlichen Leistungen nicht der erfolgsversprechende Weg zu einem besser gefüllten Stadion ist…
Fußball wurde natürlich auch gespielt. Die beiden Fänblöcke sorgten zunächst für, angesichts der beiden Vereine aktuell umwehenden sportlichen Tristesse, überraschend gute Stimmung. Aber bei regnerischem Wetter taten die Akteure alles, um diese möglichst schnell zu ruinieren. Mit trägem Mittelfeldgekicke schleppte sich das Spiel 30 Minuten so dahin. Etwa so wie dieser Eckball von St. Pauli…
In der 32. Minute wurde dann etwas für die Stimmung getan. Torwart René Vollath spielte nach einer Rückgabe überflüssigerweise am eigenen Strafraum herum, verdaddelte gegen Choi den Ball und Bouhaddouz bedankte sich mit der 1:0-Führung für den FC St. Pauli. Die berühmten »individuellen Fehler« die zu Gegentoren führen – beim KSC vergeht derzeit kein Spiel ohne selbige…
Mit einem gellenden Pfeifkonzert wurden die Akteure nach einer schwachen Halbzeit in die Kabine verabschiedet.
Die zweite Halbzeit starteten die Blau-Weißen wenigstens mit einer gewissen Entschlossenheit. Man bemühte sich vor das Tor der »Kiezkicker« zu kommen, auch wenn die Karlsruher Bemühungen weit von einem geordneten Spielaufbau entfernt waren. Es wurde mehr nach dem Motto »Ball irgendwie nach vorne und dann alle hinterher« gespielt.
Was zu weiteren Lücken in der Defensive führte. Das Ergebnis waren zwei Großchancen für St. Pauli. Besonders die zweite Chance in der 54. Minute, als Grischa »Silbermedaille« Prömel seinem Torhüter in Sachen »individuelle Fehler« nacheiferte und gegen Choi in Mittelfeld den Ball vertändelte, dieser aber über das halbe Feld sprintete um dann Torwart Vollath anzuschießen, hätte eigentlich die Entscheidung für St. Pauli sein müssen. Aber es war halt nicht der Tag der großen Torschussleistungen an diesem grauen Mittag im Wildpark…
Statt dessen kam drei Minuten später ein langer Ball aus dem Mittelfeld zu Mittelstürmer Diamantakos, der einfach mal gekonnt annahm und aus 20 Metern abzog und zum 1:1-Ausgleich traf. Geht doch! Die Sportjournaille bezeichnete diesen Schuss übrigens als »humorlos«. Bleibt die Frage, wann er »humorvoll« gewesen wäre. Hätte Diamantakos dabei lustig mit dem Hintern wackeln müssen? Oder sich vorher eine Clownsnase aufsetzen sollen?
Aber zurück zum Spiel. Der Ausgleich weckte das Publikum auf, das »Bruddeln« auf den Rängen (»Mach do moal schneller Vollath härr härr härr«) wurde vorübergehend eingestellt und es entwickelte sich eine offene Kampfpartie auf niedrigem spielerischen Niveau. Beide bekamen noch ihre guten Chancen für den Siegtreffer (Pfostentreffer für den KSC und Duckschs Großchance), aber s.o., das war einfach nicht der Tag der großen Sturmleistungen…
So endete das Spiel verdient 1:1. Auch wenn der KSC weiter sieglos ist, bewies er zumindest Moral und brach nach dem Rückstand nicht ein wie in Berlin. Das eher planlose Offensivspiel (nun nach 5 Spielen 9 Schüsse aufs Tor und 2 Tore, beide von Diamantakos) bietet allerdings ebenso weiter Grund zur Sorge wie die ständigen Patzer und Konzentrationsfehler in der Defensive.
Gegner St. Pauli steht in der Tabelle auch nicht viel besser da. Das Offensivspiel der »Bhoys in Brown« wirkt zwar deutlich planvoller, aber die Abschlussschwäche ist auch dort nicht zu übersehen. Ohne Vollaths Patzer hätte St. Pauli wohl kein Tor erzielt…
- kicker-Spielbericht. 2,5 für Diamantakos, der Rest zwischen 3,5 und 5 (für Thoelke). Die Noten für St. Pauli zwischen 2,5 und 3,5 sind allerdings viel zu gut ausgefallen.
- abseits-ka – KSC ist »mit dem Auftritt sehr zufrieden«. Die Schönrednerei von Oral und insbesondere Sportchef Jens Todt nähert sich langsam aber stetig dem Punkt, nach dem man ihre Aussagen nicht mehr Ernst nehmen kann…
- PZ-news.de – Karlsruher SC phasenweise nicht zweitligatauglich gegen FC St. Pauli. Sah eine »beispiellos schlechte erste Hälfte« und liegt damit wohl näher an der Realität als der Sportchef…
- FCSP Athens South End Scum – Matchday 05: Karlsruher SC – FC Sankt Pauli 1-1. Aus FCSP-Sicht, von Athen aus…
- Speersort1-Blog – So ungefähr wie Ronaldo. Aus St. Pauli-Sicht: »Wir hätten den Anschluss ans Mittelfeld der Tabelle schaffen können, gegen einen unsicheren Gegner, den man einfach schlagen muss.«
- Couchgepöbel – KONZEPTLOS? – DER FCSP BEIM KSC. Aus St.Pauli-Sicht: »Irgendwie fühlte sich das Ganze falsch an … seit Tagen hatte ich im Kopf, dass es zum SV Sandhausen gehen würde.«
Weekly Vollath
»In der zweiten Halbzeit hat die gesamte Truppe dann Moral gezeigt und wir habens auch geschafft mit unserer kämpferischen Leistung die Fans im Stadion mitzunehmen.«
Verkündete er auf seiner Facebook-Seite. Und gestand seinen Fehler gleich ein.
Die Lage
Der KSC ist noch stets ohne Sieg in der aktuellen Saison und auf Rang 14 abgerutscht. Hat aber auch nur einmal verloren. Daheim bleibt man trotz allem eine Macht, seit dem 0:1 im Montagsspiel gegen RB Leipzig Ende November 2015 hat der KSC daheim nicht mehr verloren. Aber auch in 12 Versuchen nur viermal gewonnen. Es sind halt verdammt viele spielerisch dünne und torarme Unentschieden dabei gewesen…
Nun gibt es eine englische Woche mit dem Auswärtsspiel bei Aufstiegsfavorit Hannover 96. Da hat der KSC in der Historie in 16 Versuchen überhaupt nur zweimal gewonnen, das letzte Mal im Jahre 1988. Eher mäßige Aussichten für den ersten Saisondreier. Und am Samstag kommt Wismut Aue in den Wildpark, mit einem frischen 3:0-Auswärtssieg bei Dynamo Dresden im Gepäck…