»Brücken-Derby« im portugiesischen Pokal: SG Sacavenense vs Atlético CP 4:0 – 4.9.2016
Urlaub ist ja etwas Begrüßenswertes. Besonders wenn es in Gegenden der Welt geht, in denen Fußball gespielt wird. ballreiter verschlug es in die portugiesische Hauptstadt Lissabon, unglücklicherweise aus Gründen genau in der unsäglichen Länderspielpause. Damit fiel ein Besuch bei den großen Lissaboner Vereinen S.L. Benfica und Sporting Clube flach, und es bedurfte einiger Recherche-Arbeit in den Weiten des Internets, um ein Fußball-Spiel in der Länderspielpause zu finden.
Der portugiesische Pokal »Taça de Portugal« trug aber in der Länderspielpause seine erste Qualifikationsrunde aus, Teams von der dritten Liga abwärts waren daran beteiligt. Dabei kam es zu einem Duell zwischen dem Vorortklub SG Sacavenense, aus dem Ort Sacavém gleich hinter der Stadtgrenze von Lissabon, und dem Atlético Clube aus dem Lissaboner Stadtteil Alcantara…
Taça de Portugal
Im portugieschen Pokal ist schon realisiert, wovon die ja von ach so vielen Spielen belasteten Bundesligisten schon lange träumen: Erstligisten steigen erst in der 3. Runde ein, Zweitligisten in der 2., und die 1. Runde spielen die (Halb-)Amateure von 3. Liga abwärts zunächst alleine aus. Dadurch ging ein Feld von 120 Klubs in der ersten Runde an den Start: Die 79 Drittligisten und 41 Sieger der regionalen Pokale. Deshalb ist, wie der portugiesische Verband stolz anmerkt, der Pokal »famosa por constituir a mais democrática competição do calendário nacional«, also berühmt für den demokratischsten Wettbewerb im nationalen Rahmen.
Die dritte Liga in Portugal, »Campeonato de Portugal«, ist zwar ein vom nationalen Verband veranstalteter Wettbewerb, aber vom Niveau und Infrastruktur her eher mit der deutschen Regional- oder Oberliga vergleichbar. Die Liga wird in 8 regionalen Vorrunden ausgespielt, deshalb sind das auch (s.o.) so viele Vereine in der ersten Pokalrunde. Die beiden Erstplatzierten aus den acht regionalen dritten Ligen dürfen dann in einer nationalen Aufstiegsrunde die Aufsteiger in die Zweite Liga ermitteln.
Sport Grupo Sacavenense
Der gastgebende Verein, die Sport Grupo Sacavenense, kurz »Saca« (ausgesprochen »Seke«) genannt, residiert in dem kleinen Ort Sacavém, direkt nördlich der Stadtgrenze Lissabons, zwischen dem Flughafen und dem Brückenkopf der berühmten Vasco-da-Gama-Brücke (mit einer Länge von 17,2 km die längste Brücke Europas) gelegen. Sacavém war wg. einer von den Römern errichteten Brücke über den Fluss Trancão jahrhundertelang ein »strategischer« Ort.
Exkurs – Portugiesische Vereinsnamen: Da dieses kleine Blog stets der Bildung der Leserinnen und Leser verpflichtet ist, hier noch etwas Fußball-Hipster-Wissen für den Smalltalk in der FC-Magnet-Bar. Endet ein Vereinsname auf »-nense«, so ist das kein Ort, sondern eine Zuordnung wie »Karlsruher« zu »Karlsruhe«. »Sport Grupo Sacavenense« ist also die »Sacavémer Sport Gruppe«, und nicht etwa die »Sport Gruppe aus Sacavenense«. Diese Form der Vereinsnamen findet man häufig in Portugal und Brasilien.
Die 1910 gegründete Sport Grupo spielte 27 Spielzeiten lang in der Zweiten Liga und war in den 80er-Jahren sogar mal kurz vor dem Aufstieg in die Erste Liga. In den Jahren seit der Jahrtausendwende war Saca eine Fahrstuhlmannschaft in den Amateurligen (bis hinunter in die sechste Liga ging es), spielt aber nun die dritte Saison hintereinander in der Dritten Liga.
Atlético CP
Der Gegner Atlético Clube de Portugal residiert im Lissaboner Stadtteil Alcantara. Deren Stadion, das Estádio da Tapadinha, liegt am Brückenkopf der anderen großen Brücke Lissabons, der Brücke des 25. Aprils. Der Atlético Clube wurde 1942 gegründet und spielte viele Jahre in den beiden obersten Ligen und war lange nach Benfica, Sporting und Belenenses die vierte Fußball-Macht in Lissabon. Am Ende der letzten Saison stiegen sie als 22. der Zweiten Liga in die Dritte ab. In den 40er-Jahren waren sie sogar zweimal im Pokal-Finale.
Matchday
So ging es also am exorbitant heißen ersten Sonntag des Septembers (irgendwas zwischen 35 und 40 Grad dürfte es im Stadion gehabt haben) hinaus nach Sacavém. Das kleine Stadion »Campo de Sacavenense« (soll Platz für 3.000 Leute bieten) liegt am Rande von Sacavém, unter und neben den Auffahrten und Stadtautobahnen, die auf die Vasco-da-Gama-Brücke führen. Was naturgemäß dazu führt, dass es dort eher weniger Bäume und Grün zu sehen gibt und das ganze Areal schön von der Sonne Portugals gebraten wurde.
Irgendwer musste aber die Kunde von durch die Hitze anreisenden deutschen Groundhoppern nach Sacavém getragen haben, denn zur Begrüßung ritten just, als Team ballreiter die Stadtgrenze überquerte, drei berittene Feuerwehrmänner in Gala-Pracht-Uniform los und grüßten huldvoll die fotografierenden Fremden…
Im Stadion angekommen, führte die offensichtlich nicht portugiesische Sprache an der Kasse dazu, dass die groundhoppenden Fremden als Gästefans einsortiert und auf die für die Gäste vorgesehene Gegentribüne geschickt wurden. Welche nur geringfügig mehr Schatten bot als die Gegengerade des Wildparks an einem heißen Sommertag…
Aber wenn man Fußball schauen will, will man Fußball schauen, und pünktlich um 17:00 betraten die Akteure den (Kunst-)Rasen des Campo de Sacaverense. Die etwa 10 bis 15 »Ultras Boys« des heimischen Supports begannen, verstärkt von einer Trommel, ihr »Saca« anzufeuern.
Was Saca offensichtlich beflügelte. Trotz der Hitze entwickelte sich ein flottes Spiel mit Torszenen, zu denen auch die beiden etwas unsicheren Torhüter ihren Teil beitrugen. Das Spiel der Heimmannschaft wirkte überzeugender und zielstrebiger. Und das wurde dann auch schnell belohnt, als es bereits nach 14 Minuten nach einer unübersichtlichen Situation in Atléticos Strafraum Elfmeter für Saca gab, den Carlos Saveedra zur Freude der »Ultras Boys« souverän verwandelte…
Nach der Führung gab Saca noch mehr Gas, folgerichtig fiel schon 10 Minuten später das 2:0 durch Cláudio Oliveira nach einem schnellen Konter über die Flügel mit anschließendem Querpass, von Atléticos Torhüter nur sehr halbherzig gestört. Entsprechend bedient saß dieser schon nach 25 Minuten auf dem Boden, und die Akteure hatten eine Trinkpause nötig.
Auch nach dem 0:2-Rückstand bäumte sich Atlético nicht übermäßig auf, Saca war klar das bestimmende Team und wurde kurz vor der Halbzeit mit dem 3:0 durch den Angolaner Herlander belohnt. Damit war das Spiel zur Halbzeit eigentlich schon entschieden, und nach den Akteuren hatten nun auch die Zuschauer eine Trinkpause hinter der Gegentribüne nötig, wo es den auf der Tribüne vermissten Schatten gab…
Zur Pause ging es hinter die Tribüne an einen erstaunlich gut sortierten Getränkestand. Dort lief auch ein Typ in einem BVB-Trikot (Bild links) herum, der wohl eine Art Faktotum von Saca ist. Er lief mit seinem schwarz-gelben Trikot herum und redete wild auf alle möglichen Leute ein, die seine Worte aber höchstens mit einem dezenten Kopfnicken zur Kenntnis nahmen…
Team ballreiter wechselte zur Halbzeit auf die schattige Tribüne im Heimbereich, die sich mittlerweile einigermaßen gefüllt hatte (etwa 300 bis 400 Zuschauer werden es gewesen sein). Auf dem Rasen tat sich nicht mehr viel. Die Zuschauer vertrieben sich ein wenig die Zeit mit »Saca, Saca«-Wechselgesang. Atlético gab zwar nicht auf, Saca hatte aber keine Mühe, die Partie zu kontrollieren und dann zum Abschluss in der 84. Minute noch das 4:0 durch einen (zur Überraschung aller Beteiligten verhängten) Elfmeter von Janú Silva zu erzielen.
So ging das »Brücken-Derby« eindeutig an den Klub von der Vasco-da-Gama-Brücke. Sacavenense zog locker mit 4:0 in die zweite Runde ein und trifft dort auf den Zweitligisten Sporting Clube Olhanense.
Fazit: Ein ganz schön »heißer« Groundhopp zu einem kleinen Klub abseits des großen internationalen Fußballs. Und das auch noch mit Blick auf die majestätischen Türme der Vasco-da-Gama-Brücke. Auch und gerade in solchen Vereinen lebt der Fußball. Vamos Saca!
Impressionen
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