Eine Legende feiert Geburtstag: Jubiläumssportfest »125 Jahre Karlsruher FV«
Was kaum jemand weiß: Karlsruhe ist die einzige Stadt Deutschlands, die in zwei Jahren hintereinander mit zwei verschiedenen Vereinen den Deutschen Fußballmeister stellte. Der Haken daran: Das ist schon ein Weilchen her. 1909 wurde der FC Phönix (einer der Vorgängervereine des Karlsruher SC, der ausgeschrieben bekanntlich »Karlsruher Sport-Club Mühlburg-Phönix« heißt) zum ersten und einzigen Male Deutscher Meister, 1910 folgte der Karlsruher FV (KFV).
Letzteren hat es im letzten Jahrzehnt übel erwischt. 2004 musste der KFV aus monetären Gründen vom Spielbetrieb abgemeldet werden und sein altehrwürdiges Stadiongelände verkaufen. Der Verein blieb aber im Vereinsregister, wurde drei Jahre später wiederbelebt und fristet seitdem sein Dasein in der untersten Spielklasse, der Kreisklasse C.
Nichtsdestotrotz: Der KFV ist immer noch da und feiert 2016 seinen 125. Geburtstag. Deshalb wurde gestern ein kleines Jubiläumssportfest mit zwei Freundschaftsspielen im Carl-Kaufmann-Stadion veranstaltet, und ballreiter war dabei. Zumal man damit auch einen lokalen Ground abhaken konnte, in dem normalerweise gar kein Fußball gespielt wird…
Historischer Exkurs: Karlsruher FV
Zunächst folgt ein kleiner »historischer Exkurs« in Sachen Karlsruher FV. Wer das nicht braucht (»laaaaaaangweilig, tl;dr!«), kann das auch überspringen.
Karlsruhe war ab Ende des 19. Jahrhunderts eine der deutschen Fußballhochburgen. Die legendäre Fußballgründergestalt Walther Bensemann zog mit seinen Eltern im Alter von 16 Jahren nach Karlsruhe und begann gleich, dort seinen Lieblingssport Fußball zu organisieren. Unter den vielen Vereinen, die der Serienvereinsgründer Bensemann in Deutschland ins Leben rief, war auch der KFV, der am 17. November 1891 gegründet wurde und dementsprechend in diesem Jahr 125 Jahre alt wird.
[Logo: »Logo des Karlsruher FV« auf Wikimedia Commons von Mr.Clever, gemeinfrei]
In den nächsten 20 Jahren war der Karlsruher FV einer der erfolgreichsten Vereine in der Gründerzeit des deutschen Fußballs. Fünfmal hintereinander, von 1901 bis 1905, und dann noch einmal dreimal hintereinander, von 1910 bis 1912, wurde der KFV Süddeutscher Meister. Und nach einem erfolglosen Versuch 1905 (der KFV verlor 1905 als haushoher Favorit das Endspiel gegen Union 92 Berlin mit 0:2) gelang dann 1910 nach einem 1:0 n.V. gegen Holstein Kiel endlich der Gewinn der Deutschen Meisterschaft. Mit Fritz Förderer, Gottfried Fuchs und Julius »Juller« Hirsch hatte der KFV damals drei der besten Angreifer ihrer Zeit in seinen Reihen.
Nach dem Ersten Weltkrieg war die erfolgreichste Zeit des KFV vorbei. Bis 1947 spielte man noch in den damals höchsten Spielklassen, 1947 stieg man aus der Oberliga Süd ab. In der 50ern lehnte man eine Fusion mit dem Lokalrivalen VfB Mühlburg ab, der sich statt dessen mit dem FC Phönix zum »Karlsruher SC« vereinigte und fortan die stärkste Kraft im Karlsruher Fußball war. 1957 stieg der KFV auch aus der 2. Liga Süd ab. Bis Ende der Siebziger hielt man sich noch in den höheren Amateurklassen, bis dann ein Abstieg in die unteren Ligen begann, der mit der Abmeldung vom Spielbetrieb 2004 (wg. Schulden von 300.000 Euro) seinen Tiefpunkt erreichte.
1904 hatte der KFV ein eigenes Stadion bekommen, den KFV-Platz an der Telegrafenkaserne. Nach der Abmeldung vom Spielbetrieb verkaufte die Stadt Karlsruhe das Stadiongelände und zerstörte damit eines der ältesten Fußballstadien Deutschlands. Denn an der Stelle des Vereinsheims und eines Großteils des alten Grounds wurde ein Seniorenheim errichtet; eine ömmelige Stele ist alles, was vom traditionsreichen alten KFV-Ground übrig geblieben ist…
Was exemplarisch für den Umgang der Stadt Karlsruhe mit ihrem Erbe als »Pionierstadt« während der Frühzeit des Fußballs ist. Sicher kann man sich nicht die Stadt mit alten Fußballplätzen als Denkmäler zustellen. Ob man aber unbedingt seine für die Fußballgeschichte einzigartigen Grounds ruinieren muss, ist die andere Frage. Ausgerechnet auf den Engländerplatz musste eine Mensa gebaut werden, ausgerechnet auf den KFV-Platz ein Seniorenheim. Auch wenn der KFV zum damaligen Zeitpunkt den Platz definitiv nicht mehr benötigte: Umbau, Weiternutzung und damit Erhalt des Platzes für die vielen Karlsruher Sportvereine wäre sicher drin gewesen. Die Fußballgeschichte ist den Karlsruher Amtsträgern halt nicht sonderlich wichtig. Während fast jeder Ort, an dem z.B. Karl Drais, der amtliche Karlsruher Historienfetisch Nummer 1, beim Rumlaufen mit der Draisine eine Pinkelpause eingelegt hat, erwähnenswert ist, kam beim Stadtgeburtstag 2015 Karlsruhe als Pionierstadt des Fußballs gar nicht erst vor…
Aber zurück zum KFV. Kurz vor dem Abriss hatte ich das Stadion 2006 noch einmal besucht und im damaligen Blog drüber geschrieben und einen flickr-Set angelegt.
Mit dem »Comeback« des KFV 2007 hatte der Verein somit keinen eigenen Platz mehr und muss seitdem seine Kreisklassen-Partien als Untermieter auf fremden Plätzen durchführen. Aktuell spielt man als Untermieter auf dem Platz der Spielvereinigung Olympia Hertha am Adenauerring. Dieser Ground ist übrigens auch legendär. Und zwar dafür, dass er 2008 komplett von Wildschweinen umgegraben wurde…
Mehr zur wechselvollen Geschichte des Karlsruher FV findet man in der »Chronik« auf der Website des KFV.
Jubiläumssportfest »125 Jahre KFV«
Auch wenn die aktuelle sportliche Lage nicht zum Feiern ist – das Jubiläum wird trotzdem gefeiert. Neben dem gestrigen Sportfest wird es noch einen Festakt zum »amtlichen« Geburtstag im November geben, und eine Festschrift »125 Jahre Karlsruher Fußballgeschichte« wird aufgelegt werden.
Beim gestrigen Sportfest gab es zwei Freundschaftsspiele. Zunächst spielte der KFV gegen den ehemaligen Stadionnachbar FC West, und danach die zweite Mannschaft des KSC gegen den Oberliga-Rivalen 1. CFR Pforzheim. Der Ort des Geschehens war das (nach dem zweimaligen Silbermedaillengewinner der Olympischen Spiele 1960 benannte) Leichtathletikstadion Carl-Kaufmann-Stadion, das mit seinem Raum für über 2.000 Sitz- und Stehplätze zwei bis drei Nummern zu groß war. Aber, s.o., ohne eigenen Platz muss man nehmen, was man bekommen kann…
Karlsruher FV vs FC West 1:2
Den Auftakt machte das Spiel zwischen der neuformierten Mannschaft des KFV und dem höherklassigen Gegner (Kreisliga A) FC West. Der KFV, Tabellenletzter der letzten Saison, hat im Sommer 16 neue Spieler bekommen. Das Team des KFV spielte somit zum ersten Mal in dieser Besetzung zusammen. Was man dem Zusammenspiel auch deutlich ansah. Die Akteure gaben sich aber alle Mühe und konnten das Spiel gegen den höherklassigen Gegner bis kurz vor Schluss offen halten. Am Ende siegte der FC West aber doch noch »standesgemäß« mit 2:1. Es verloren sich leider nur eine Handvoll Zuschauer auf der Tribüne (siehe Bild ganz oben)…
Karlsruher SC II vs 1.CfR Pforzheim 1:1
Sportlich ernsthafter (und auch voller auf den Rängen) wurde es beim zweiten Spiel. Weil der KSC-Vorgängerverein FC Phönix und einer der Vorgängervereine des 1. CfR Pforzheim, der 1. FC Pforzheim, alte Rivalen in der Oberliga Süd zur Glanzzeit (s.o.) des KFV waren, wurden beide zu einem Testspiel im Rahmen des Jubiläumssportfest eingeladen.
Beide beendeten die letzte Saison in der Top 5 der Oberliga Baden-Württemberg. Die zweite Mannschaft des KSC hängt seit dem Zwangsabstieg 2012 (wg. des damaligen Abstiegs der ersten Mannschaft in die Dritte Liga) in der Oberliga Baden-Württemberg fest und möchte in der kommenden Saison unter Trainer Stefan Sartori den nächsten Anlauf zur Rückkehr in die Regionalliga unternehmen. Was nicht so einfach wird, denn aus der Regionalliga kommen mit der SpVgg Neckarelz, dem SV Spielberg, der zweiten Mannschaft des SC Freiburg und dem Bahlinger SC starke Teams in die Oberliga hinunter.
Wie bei den Großen zollte der KSC II dem aktuellen Zeitpunkt der Vorbereitung Tribut und spielte das Match mit zwei kompletten Mannschaften in jeder Halbzeit. Der von den KSC-Profis in die zweite Mannschaft »hinabgestufte« Stürmer Vadim Manzon kam so gleich zu seinem Debüt, ohne groß in Erscheinung zu treten.
Das Spiel war ein ganz flotter Kick, ohne dass es über weite Strecken zu richtigen Torchancen kam. Von Pforzheimer Seite eingebrachte unnötige Härte wurde vom Schiedsrichter per Gelber Karte gleich unterbunden. Die erste Hälfte endete torlos.
In der zweiten Hälfte gab es dann Tore. Ridje Sprich, Neuzugang vom Freiburger FC, brachte den KSC in der 52. Minute in Führung, in der 70. gelang den Pforzheimern der Ausgleich.
Fazit
Ein kleinerer Rahmen und mehr Zuschauer hätten der Atmosphäre des Jubiläumssportfestes sicher gut getan. Aber auch so konnte sich der KFV mal wieder in Erinnerung rufen. Auch wenn der KFV heute nur noch ein Kreisliga-C-Klub ohne eigenen Ground ist – als traditionsreicher Verein, ehemaliger Deutscher Meister und einer von 86 Gründungsvereinen des DFB bleibt man doch trotz allem immer noch etwas Besonderes unter den »normalen« Amateurklubs…