Neues aus Schottland #10: Bye Bye Ronny Deila
Was für ein Debakel: Der Schottische Meister Celtic flog im Elfmeterschießen gegen den Zweitligisten und Glasgower Stadtrivalen »Sevco« Rangers aus dem Pokal hinaus und gab vier Tage später die Trennung von Trainer Ronny Deila zum Saisonende bekannt. Außerdem gibt es Auflösungserscheinung bei Dundee United im Vorstand und auf dem Rasen. Und der schottische Fußball beweist wieder seine Professionalität mit einer »einfach so« aus dem Netz gelöschten Website eines Erstligisten…
[Foto: »Celtic FC Nike 07/08 Home Kit« auf flickr CC BY-NC-ND 2.0 von Shaun Wong , thanks!]
Scottish Cup: Rangers vs Celtic 2:2 (5:4 E)
Das große dramatische Derby im Halbfinale des schottischen Pokals endete mit einem Debakel für Celtic. Nach einem (für Celtic etwas unglücklichen) 2:2 nach Verlängerung ging es ins Elfmeterschießen, das die Rangers zu ihren Gunsten entscheiden konnten.
Celtic ließ sich in der ersten Halbzeit von den Rangers »den Schneid abkaufen«. Rangers spielten das, was sie können: Aggressiv und mit Tempo auf das gegnerische Tor anlaufen. Celtic hatte dem in der ersten Halbzeit wenig entgegen zu setzen, folgerichtig führte schon nach 16 Minuten ein (in dieser Saison leider typisches) Durcheinander in der Celtic-Abwehr zur Rangers-Führung durch Kenny Miller. »Ausgerechnet« ex-Celtic-Spieler Kenny Miller, der als »Abtrünniger« (Miller war im Jahre 2006 erst der dritte Spieler nach dem Zweiten Weltkrieg, der für beide verfeindete Klubs spielte) im grünen Teil Glasgows nicht unbedingt zu den beliebtesten Fußballern zählt…
Zur Halbzeit hatte Celtic nach einer schwachen Leistung Glück, nicht höher zurück zu liegen. Nach der Pause war Celtic deutlich aggressiver und übernahm die Kontrolle über das Spiel. Die Hoops machten nun ziemlichen Druck und kamen in der 50. Minute nach einer Ecke zum Ausgleich durch Abwehrspieler Erik Sviatchenko. Weitere gute Chancen vermochte Celtic nicht zu nutzen, so ging es in die Verlängerung.
In dieser gab es gleich die kalte Dusche für Celtic. Umringt von drei Celtic-Spielern konnte Barrie McKay von der Strafraumgrenze die Kugel unbehelligt in den Winkel hämmern. Celtic gab noch einmal Gas und erzielte in der zweiten Hälfte der Verlängerung den Ausgleich durch Tom Rogic, hatten sogar noch einen Pfostentreffer nach einem Freistoß von Leigh Griffiths. So gab es das Elfmeterschießen, das durch den epischen Fehlschuss von Tom Rogic in den Himmel über Glasgow zugunsten der Rangers entschieden wurde…
The ball from Tam Rogic's penalty just landed in my garden.
— Tam Selleck (@TamSelleckCSC) April 19, 2016
Deila Out!
Die sowieso schon latent vorhandene Unzufriedenheit mit Trainer Ronny Deila erreichte danach neue Dimensionen, ganz Twitter war voll mit »Deila out«. Trotz Tabellenführung in der Meisterschaft war diese Niederlage gegen den Erzrivalen nach den Europapokal-Enttäuschungen der letzten beiden Jahre eine Niederlage zu viel. Entsprechend wurde vorgestern die Trennung zum Saisonende offiziell bekannt gegeben.
Eigentlich ist es schade. Ronny Deila, in Norwegen einst überraschend Meister mit Strømsgodset, hatte versucht, die Spielweise des Klubs weg vom »typisch schottischen« Spiel hin zu einer modernen europäischen Prägung zu verändern. Was ihm nur in Ansätzen gelang, besonders das zweimalige Ausscheiden in der CL-Qualifikation gegen Maribor und Malmö wurde ihm zum Verhängnis.
Das Problem bei Celtic ist auch die Erwartungshaltung aus der glorreichen Vergangenheit heraus. Man hält sich für einen Topklub für große Trainer-Namen, die Realität 2016 ist aber ein Team, das etwa den Marktwert des Kaders von Hannover 96 hat. Damit ist man in Schottland »der King«, international aber ein ziemlich kleiner Fisch und liegt selbst hinter Klubs wie dem FC Basel.
Es ist nun zu befürchten, dass einer der üblichen Verdächtigen mit Celtic-Stallgeruch wie Ex-Trainer und -Spieler Neil Lennon oder der in England und Spanien gescheiterte David Moyes als Trainer verpflichtet werden und Ronnys Ansätze zur Modernisierung und Europäisierung von Celtics Spiel zurück genommen werden. Ein weiterer Trainer »von außen« täte dem Verein gut. Dieses Schmoren im eigenen Traditionssaft durch eine übermächtige glorreiche Vergangenheit ist nie gut, wie gerade Gladbach-Anhänger aus der Vergangenheit der Nullerjahre nur zu gut wissen…
Kalamitäten bei Dundee United
Im zweiten Halbfinale unterlag der ballreiter-Liebling Dundee United als noch-Erstligist dem Zweitligisten Hibernian aus Edinburgh, ebenfalls im Elfmeterschießen. Somit haben wir in Schottland eine reines Zweitligisten-Pokalendspiel zwischen Rangers und Hibernian.
Das Ausscheiden im Pokal ist aber im Moment Dundee Uniteds geringste Sorge. Wie Stammleserinnen und Stammleser wissen, krebst der ruhmreiche Klub vom Firth of Tay am Tabellenende der Scottish Premiership herum. Am letzten Spieltag der Hauptrunde am vorletzten Wochenende gab es eine desillusionierende 0:2-Heimniederlage gegen Inverness Caley Thistle. Wenn man sich im folgenden Highlight-Video anschaut, wie die Tore fallen (United sind natürlich die in Orange-Schwarz), so macht das wenig Hoffnung auf die notwendige Siegesserie in der Abstiegsrunde:
Außerdem gibt es Zerfallserscheinungen auf und neben dem Platz. Während des erwähnten Spiels hatte Verteidiger Gavin Gunning plötzlich einfach keine Lust mehr, nahm den Ball in die Hand und marschierte vom Rasen. Wie damals auf dem Bolzplatz, als der Besitzer des Balls sauer wurde und heim ging. Sowas sieht man im Profifußball nicht alle Tage…
Wenige Tage später trat Vorstandsmitglied Justine Mitchell, die Schwester des Präsidenten Stephen Thompson, von ihrem Posten zurück. Und der Anteil eben jenes Vorsitzenden Thompson am Niedergang des Klubs ist Objekt diverser Diskussionen bei Beobachtern des Klubs.
Zum Auftakt der Abstiegsrunde spielt Dundee United, mit schon 8 Punkten Rückstand auf den Vorletzten Kilmarnock Tabellenletzter, am Sonntag zu Hause gegen Hamilton Accies. Konkurrent Kilmarnock muss in den Highlands beim heimstarken Team von Inverness antreten. Ein Sieg ist absolute Pflicht, um bei einem durchaus möglichen Punktverlust von Killie die kleine Chance auf die Rettung zu wahren.
Und weiter…
Ronny Deila möchte zum Abschluss natürlich Meister werden, Celtic spielt Sonntag gegen Ross County. Der Tabellenzweite Aberdeen muss zur Wahrung seiner minimalen Meisterschaftschance (8 Punkte Rückstand sind es schon) am heutigen Freitagabend in Perth beim FC St. Johnstone antreten. Dieses Match gibt es heute abend ab 20:45 live bei Sport1+ zu sehen.
Apropos Ross County. Der schottische Fußball bietet immer wieder erstaunliche Geschichten. So wurde Ross County durch einen Unfall des Providers einfach so die gesamte Website gelöscht und tauchte erst nach einigen Tagen wieder auf. Onlineticketing etc. waren einfach »weg«. Einmal mit Profis…