»Unter aller Kanone«: Rätselhaftes Rasengeschehen in Ingolstadt
Ingolstadt ist nicht nur die Stadt des Lieblings-Autoherstellers aller Ed-Hardy-T-Shirt-Träger. Sondern auch eine Stadt voller rätselhafter Dinge. So wurde dort z.B. 1776 der geheimnisvolle Illuminaten-Orden gegründet. Seit gestern gibt es ein neues Ingolstädter Rätsel: Wie konnte die Borussia aus Mönchengladbach erneut auswärts mit 1:0 gegen den FC Ingolstadt verlieren?
[Foto: »Silent cannons« auf Flickr, CC BY-NC 2.0 von novofotoo. Danke!]
FC Ingolstadt vs Borussia 1:0
Die Fohlenelf war ja gewarnt nach einem Hinspiel, in dem Aufsteiger FC Ingolstadt die glorreiche Hinrunden-Siegesserie der Borussia unter André Schubert jäh enden ließ und sich mit ihrer Spielweise in nur einem Spiel in die Riege der aus Borussen-Sicht »bösen« Klubs einreihte. Mit dieser Warnung und stabilen Leistungen aus den letzten Wochen im Gepäck war ganz Borussia voller Hoffnung, dass die fast ein halbes Jahr andauernde Sieglos-Auswärtsserie endlich ein Ende finden würde. Selbst sonst eher skeptische Stimmen strahlten Optimismus aus. Das konnte ja nur schief gehen…
Und das tat es auch! André Schubert vertraute der siegreichen Elf aus dem 5:0 gegen Hertha. Ingolstadt bearbeitete die Borussia vom Beginn an mit ihrem üblichen »fiesen« Pressing, eine Spielweise, die der Fohlenelf bekanntlich überhaupt nicht gefällt. Trotzdem fanden die Borussen Wege aus der Pressingfalle. Schon in der 8. Minute wurde Hahn aus der eigenen Hälfte steil geschickt und tauchte mutterseelenalleine vor dem Tor von Ingolstadt-Keeper Özcan auf. Dort agierte Hahn aber viel zu umständlich und brachte es fertig, sich vom zurück geeilten Hübner noch den Ball abnehmen zu lassen. In der 20. Minute gab es eine weitere Großchance durch Hazard, die Torwart Özcan zunichte machte.
Nun kann man, wie unlängst schon nach dem Spiel in Gelsenkirchen-Buer, trefflich über das rätselhafte »Pech« im Abschluss philosophieren. Letztendlich ist das aber auch eine Qualitätsfrage. Es ist eine Sache, in einem Heimspiel mit zufriedenem Publikum gegen einen besiegten Gegner das 3:0 oder das 4:0 zu erzielen und sich feiern zu lassen. Seine wenigen Chancen dann aber auch in einem engen Auswärtsspiel zu nutzen, das ist eine andere Sache. Eine Sache von deutlich höheren Anforderungen an die individuelle Qualität des Spielers…
Trotzdem war das Spiel in HZ1 nicht so schlecht. Borussias Defensive stand recht stabil und verhinderte weitestgehend Ingolstädter Chancen, so dass es mit einem verdienten 0:0 in die Pause ging.
Gladbachs Kapitän Xhaka hatte im Hinspiel bekanntlich als willkommenes Opfer dezenter Ingolstädter Provokationen Gelb-Rot gesehen und vor ein paar Tagen verkündet: »Diesmal werden wir alle ruhig bleiben […] Die Ingolstädter können diesmal so viel provozieren, wie sie wollen.«
Nun, nicht ganz. Nachdem Xhaka zunächst nach einem Tritt mit der Sohle auf das Bein eines Ingolstädters noch ohne Karton davon kam, sah er nach einem Ellebogeneinsatz kurz danach die Gelbe Karte und ist damit im nächsten Spiel bei Hannover 96 gesperrt. Wenn das Absicht zur kontrollierten Gelbsperrensteuerung (lieber gegen Hannover fehlen als gegen Leverkusen) war es clever, wenn nicht, dann eher nicht so…
Jedenfalls kommentierte der offizielle Twitter-Account der Schanzer:
(29') #Xhaka, der jetzt ein ruhigerer Mensch ist, sieht die erste Gelbe der Partie.
— FC Ingolstadt 04 (@Schanzer) April 9, 2016
__
0:0 #FCIBMG
Touché! Allerdings heizte das die sowieso schon (und durch das Spiel nicht gerechtfertigte) leicht irrationale Anti-Ingolstadt-Stimmung der Gladbach-Twitteria noch einmal kräftig an und verursachte einen »Mini-Shitstorm«…
Schubert wollte das Ziel der Gelbsperrensteuerung wohl nicht durch ein Gelb-Rot für Xhaka riskieren. Deshalb nahm er selbigen zur Pause heraus und wechselte Jantschke ein, der in die Defensive rückte und Nordtveit auf die Sechs neben dem (wie so oft auswärts) nicht sonderlich glorreich agierenden Dahoud rücken ließ. Dahoud hatte als Sechser am Ende bei seiner Auswechslung in der 68. Minute eine Zweikampfquote von 14%!
Die zweite Halbzeit war dann aus Gladbacher Sicht eine einzige rätselhafte Enttäuschung. Die Fohlenelf ließ sich von kämpferischen und hellwachen Ingolstädtern (wir greifen tief in das Fußball-Phrasenbuch!) »den Schneid abkaufen« und fand praktisch offensiv nicht mehr statt. Ingolstadt verstand es aber nicht, die Feldüberlegenheit in Tore umzusetzen, so dass es trotzdem noch nach einem 0:0 aussah.
Bis zur 87. Minute. In der lief der Ex-Borusse Matthew Leckie über rechts und flankte in die Mitte, wo Cohen mit Nordtveit, Christensen und Elvedi gleich drei Borussen mit einem simplem Durchlassen des Balls ziemlich alt aussehen ließ und der herangepirschte Moritz Hartmann die Kugel problemlos ins Tor schieben konnte – 1:0 für Ingolstadt, der Siegtreffer!
In der Nachspielzeit hatte dann Hahn noch einmal die Chance auf den Ausgleich per Kopf, die von Özcan vereitelt wurde. Sie wissen schon, die Qualität im Abschluss…
So stand am Ende ein verdienter Ingolstädter Sieg. Ingolstadt war in allen relevanten Statistiken der Sieger. 15:7 Torschüsse waren es am Ende, alleine in der zweiten Halbzeit 9:4! Ingolstadt hatte dazu auch mehr Ballbesitz (was gegen Borussia nicht so oft vorkommt) und eine bessere Zweikampfquote. Auch wenn die Abwehr der Fohlenelf meistens sicher stand – Ingolstadt war der Chef im Mittelfeld und die Gladbacher Angreifer sahen gegen Hübner, Bauer oder da Costa kaum einen Ball. Ein Champions-League-Aspirant tritt anders auf…
So war dieses Spiel nach dem Optimismus der Woche eine harte Landung:
Gestern Abend war ich noch voller Optimismus. Und jetzt? Können die Jungs nicht einmal auswärts erfolgreich sein? #gladbach #fohlenelf
— Der Fohlenflüsterer (@Fohlenfluestrer) April 9, 2016
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kicker-Spielbericht. Die Noten zwischen 3 für Xhaka und Christensen bis zu einer 5 für Hazard und Johnson. Der bärenstarke Danny da Costa schaffte es auf Ingolstädter Seite verdientermaßen in die Elf des Tages.
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borussia.de – Stimmen zum Spiel. Max Eberl mal wieder mit einer Schönredeattacke: »Wir halten überragend dagegen.« Ähm… Nein!
Und nun?
Erleidet die Fohlenelf im Kampf um die Europapokalplätze erneut einen Rückschlag. Die Reihe siegloser Auswärtsspiele ist auf 8 angewachsen, am Freitag steht bei Fast-Absteiger Hannover 96 das nächste an. Es bleibt das große Rätsel dieser Saison, warum die Fohlenelf das eigene Potenzial auswärts nicht abrufen kann.
Im Sommer war Max Eberl in seiner immerwährenden Mission des permanenten Erwartungsdämpfens mit der steilen These hausieren gegangen, dass Borussia nur dann CL spielen könne, wenn jemand anderes »schwächelt«. Was bei einer 66-Punkte-Runde natürlich wenig stichhaltig war.
Diese Saison trifft es aber tatsächlich zu. Es ist wirklich erstaunlich, dass Borussia trotz einer Fünfer-Loser-Serie zum Saisonauftakt und einer Serie von 8 sieglosen Auswärtsspielen noch immer alle Chancen bis hinauf auf Rang 3 hat. Das Niveau der Bundesliga hinter Bayern und Dortmund ist wirklich mies. Mit Hertha und Borussia stehen nach den Samstags-Spielen der Rückrunden-Neunte und -Zehnte auf den Rängen 3 und 4 der Tabelle. Borussia hat dabei bereits mehr Niederlagen eingefahren als Darmstadt 98!
Somit ist noch nichts verloren. Eine Steigerung der Auswärtsleistungen ist aber notwendig, wenn man seine Platzierung nicht immer nur auf der Schwäche anderer und der Heimstärke aufbauen möchte…