Krefelder Stadtderby-Nostalgie-Groundhopp: KFC Uerdingen vs VfR Fischeln 3:0 – 24.3.2016

Stadion

KFC Uerdingen vs VfR Fischeln 3:0

Ein Länderspielpause und das Osterwochenende fallen zusammen! Man weiß, was das bedeutet: Länderspiel-Langeweile, kein spannender Ligen-Fußball, keine Stadionatmosphäre. Tristesse pur…

Es sei denn man schaut mal ein paar Ligen tiefer. Da boten die Amateurligen im Westen am Gründonnerstag einen kompletten Spieltag an. In der Oberliga Niederrhein stand das Krefelder »Stadtderby« zwischen dem ex-Bundesligisten KFC Uerdingen und dem Stadtrivalen VfR Fischeln (beides Stadtteile von Krefeld) auf dem Programm. Da sich Team Ballreiter aus Gründen in der Region aufhielt war klar: Es ging nach ca. 30 Jahren (in den 80er-Jahren war der ballreiter öfter zu Auswärtsspielen von Gladbach im nahen Uerdingen) mal wieder zu einem Spiel in die Grotenburg…

KFC Uerdingen

Banner »Uerdinger Fußballfreunde«

Zu einer anständigen Elegie über den schrecklichen Zustand des zeitgenössischen Fußballs gehört eine Strophe über die neumodischen »bösen« künstlichen Mäzen- und Werksvereine. In Wirklichkeit sind diese gar nicht so neumodisch, selbige gab es während der ganzen Geschichte der Bundesliga hindurch, wie z.B. Wattenscheid 09, Fortuna Köln oder eben Bayer Uerdingen. Der KFC Uerdingen war als »Bayer 05 Uerdingen« insgesamt 14 Jahre in der Fußball-Bundesliga unterwegs und gewann 1985 den DFB-Pokal. Und steht in der ewigen Tabelle noch stets vor so manchem aktuellen Bundesligisten…

Auch international war Uerdingen einige Jahre dabei und drang bis ins Halbfinale des Europapokals der Pokalsieger 1986 vor, wo gegen Atléti Endstation war. Im Viertelfinale jener Saison gab es das legendäre »Wunder von der Grotenburg« vom 19.3.1986, als Uerdingen nach einer 0:2 Hinspielniederlage bei Dynamo Dresden im Rückspiel zur Halbzeit bereits 1:3 zurück lag und daraus in der zweiten Halbzeit noch einen sensationellen 7:3-Sieg machte.

Zum Ende der Saison 1994/95 trennte sich das Bayer-Werk vom Verein, der sich seitdem als KFC Uerdingen ohne Werksunterstützung durchschlagen musste und in der Folge von Liga zu Liga nach unten durchgereicht wurde. 2008 war der KFC dann nach diversen Insolvenzen und Beinahe-Insolvenzen in der damals sechstklassigen Niederrheinliga angelangt…

In den Jahren danach sorgte der KFC als etwas heruntergekommener Traditionsverein eher durch Verpflichtungen von Altstars wie Ailton, einer Vereinsmitgliedschaft für Rockstar Pete Doherty und durch sein Maskottchen »Grotifant« für Schlagzeilen als durch Großtaten auf dem Rasen…

2013 war man wieder in der Regionalliga angelangt, aus der man im letzten Sommer wieder abstieg. In dieser Saison in der fünftklassigen Oberliga Niederrhein war natürlich der Wiederaufstieg in die Regionalliga das Ziel. Nach diversen Niederlagen in der Rückrunde wuchs der Rückstand auf den Tabellenführer Wuppertaler SV aber fast uneinholbar an, so dass in der Woche vor dem Derby Trainer Michael Boris gehen musste und durch den ehemaligen St. Pauli-Profi Jörn Großkopf ersetzt wurde. Es geht also auch in der Oberliga recht lebhaft zu beim KFC…

VfR Fischeln

Das Gegenteil ist der Oberliga-Lokalrivale VfR Fischeln. Dieser war seit seiner Gründung im Jahre 1920 als eher breitensportorientierter Stadtteilklub unterwegs, kletterte aber in den 2000er-Jahren in die höheren Amateurklassen hinauf und hatte im Jahre 2009 den »großen« Lokalrivalen KFC Uerdingen »ligenmäßig« eingeholt, als man in jene Niederrheinliga aufstieg, in die der KFC (s.o.) nach unten durchgereicht wurde. Der VfR war in den letzten Jahren eine Fahrstuhlmannschaft zwischen Landes- und Oberliga, steht aber in dieser Saison recht solide im oberen Mittelfeld der Tabelle.

Grotenburg-Stadion

Der KFC spielt noch stets, wie in den glorreicheren Zeiten, im traditionsreichen 1927 eröffneten Grotenburg-Stadion neben dem Krefelder Zoo. Der alte Name »Grotenburg-Kampfbahn« war natürlich erheblich cooler, wurde aber beim Umbau des Stadions zu einem reinen Fußballstadion 1986 abgelegt. Theoretisch würden über 34.000 Zuschauer ins Stadion passen, diverse Stehplatzbereiche durften und dürfen aber wg. allerlei Baurechtsgedöns nicht genutzt werden.

Wie so viele leicht heruntergekommene traditionsreiche Stadien ist die Grotenburg natürlich großartig und ein Fest für jeden Fußball-Nostalgiker. Gerade weil sie in unserer Zeit der baugleichen funktionalen modernen Arenen in der Pampa so aus der Zeit gefallen wirkt und mit jedem Stein und jeder Sitzschale die wechselvolle Fußballgeschichte des heimischen Vereins erzählt…

Grotenburg-Stadion Uerdingen

Grotenburg-Stadion Uerdingen

Ab 8 Euro (Stehplatz, 14 Euro Sitzplatz) ist man beim KFC dabei. Die Versorgung mit Bier (und einem üppig ausgestatteten Kiosk für Kaffee und Kuchen) erfolgt über ein für Oberliga-Verhältnisse leicht »überkandidelt« wirkendes Wertmarkensystem. Dafür gibt es neben Alt aus der lokalen Königshofer Brauerei ein köstliches obergäriges Lagerbier der ebenfalls einheimischen Gleumes-Brauerei zu trinken. Letzteres wird aus einem Fass an einem Tisch hinter der Haupttribüne ausgeschenkt, sollte man unbedingt probieren wenn man mal nach Uerdingen groundhoppt…

Das Stadtderby: KFC Uerdingen vs VfR Fischeln 3:0

Das »Stadtderby« ist aufgrund der unterschiedlichen Historie beider Krefelder Stadtteilvereine eigentlich kein »richtiges« Derby, obwohl aktuell beide in der selben Liga spielen. Somit hielt sich die Derby-Atmosphäre auch in Grenzen, ca. 10 (als solche sichtbare) Fans aus Fischeln wurden auf den Rängen gesichtet…

Vor dem Spiel gab es einen mit reichlich Applaus und reger Anteilnahme des Grotifanten bedachten Rückblick in die glorreiche Vergangenheit als die Uerdinger Helden der Pokalsiegermannschaft von 1985 mit einer Ehrenmitgliedschaft ausgezeichnet wurden.

Danach ging es dann endlich los auf dem Rasen. Das kickende Personal ist dem Nicht-Insider der Oberliga Niederrhein natürlich weitestgehend unbekannt. Mit Ausnahme zweier Uerdinger:

Kapitän der Uerdinger war der aus seiner Zeit in Aachen und Sandhausen wohlbekannte Außenverteidiger Timo Achenbach. Und im Sturm stand mit Mo Idrissou ein alter Bekannter aus Gladbacher Zeiten auf dem Rasen. Dem mittlerweile 36-jährigen Stürmer gelangen in der bisherigen Saison immerhin 18 Tore. Beim Derby gelang ihm kein Tor (eine Chance versemmelte er relativ kläglich). Mo spielte auch mehr auf dem Flügel, rackerte und rannte aber sehr ordentlich mit. Und verschaffte seinen Mitspielern Freiräume, da die Fischelner sich stets mit zwei Mann auf den Ex-Bundesliga-Kicker stürzten, wenn dieser in die Nähe des Balles kam.

Das Spiel war in der ersten Halbzeit für eine Oberliga-Begegnung von Beginn an temporeich und kurzweilig. Im Mittelfeld wurde munter attackiert und die Uerdinger suchten den schnellen Weg zum Tor. Und wurden schon nach drei Minuten belohnt, als Silvio Pagano mit einem harten Schuss von der Strafraumgrenze zum 1:0 einschoss.

Nach 14 Minuten stand es schon 2:0. Mo Idrissou hatte außen den Ball erobert und ließ die alte Klasse aufblitzen, als er zu Mitspieler Darko Anic passte. Der passte zu Florian Abel und es stand 2:0. Fischeln gab nicht auf und kam nach etwa 20 Minuten besser ins Spiel, es gelang aber kein Anschlusstreffer.

Die zweite Halbzeit fiel dann gegenüber der ersten ab, Uerdingen verwaltete die Führung, Fischeln konnte sich nur wenige Chancen herausspielen. In der 71. Minute wurde die Partie durch Armand Drevinas Treffer zum 3:0 endgültig entschieden und war vorbei.

Die ca. 2.100 Uerdinger Fans freuten sich und feierten den ersten Sieg im ersten Spiel des neuen Trainers. In einer Mischung aus Freude und Galgenhumor wurde das Europapokallied angestimmt, und begleitet von einem leicht wehmütigen Gesang trudelte das Spiel dann langsam aus:

»Eines Tages, eines Tages, eines Tages wird‘s geschehen, denn dann fahren wir nach Mailand, um Uerdingen zu sehen…«

Weitere Impressionen

Fazit: Ein gelungener Abend in der herrlichen alten Grotenburg.

Es folgen weitere Impressionen. Und der kleine Reminder dass alle Bilder dieses Artikel durch einen Klick/Touch auf ein Bild in einer Slideshow vergrößert angeschaut werden können.

Fanblock

Grotenburg-Stadion Uerdingen nach dem Spiel