»Auswärtsdeppen reloaded«: Sieben Erkenntnisse vom Mittellandkanal
Das schmucke Stadion des VfL Wolfsburg, neben dem Autowerk an der Bahnlinie gelegen, war selten ein lohnenswertes Ausflugsziel für reiselustige Borussen-Fans. So auch dieses Mal, mit 1:2 gab es eine weitere Auswärtsniederlage. Und die Auswärtsserie entwickelt sich zum Saisonziele gefährdenden Trauma…
[Foto: »VW Arena« auf flickr von gerdxx, CC BY-NC-ND 2.0, thanks!]
VfL Wolfsburg vs Borussia 2:1
1. Schlechte Vorzeichen
»Auswärts in Wolfsburg« ist auch so eine typische Borussia-Misserfolgsgeschichte. In der gesamten gemeinsamen Bundesliga-Historie mit dem VfL Wolfsburg (also seit 1997) gab es dort nur zwei Borussia-Siege. Das legendäre »Wunder von Wolfsburg« (was im Grunde das »dicke Ende« nur um ein Jahr hinaus zögerte) fand noch im alten Wolfsburger Stadion statt. In der seit Ende 2002 bespielten neuen VW-Arena gab es in 12 Versuchen nur einen Sieg im November 2003 unter Trainer Holger Fach. Damals war das übrigens der erste Auswärtssieg nach 20 Monaten ohne selbigen, glorreiche Auswärtsserien sind auch so eine alte Gladbacher Spieler- und Trainergenerationen-übergreifende Tradition…
2. André Schuberts Taktik-Fehlgriff
Trainer Schubert begann mit der Aufstellung der glorreichen Heim-Gala gegen den VfB Stuttgart nach der Wendt-Auswechslung, also mit einer Dreierkette aus Elvedi, Christensen und Nordtveit und Hinteregger auf der Wendt-Position. Ansonsten war das Motto »Never change a winning team«.
Diese Taktik ging dieses Mal aber schief, die Dreierkette in dieser Besetzung war dem Wolfsburger Offensivspiel nicht gewachsen und verlor das Spiel in den ersten 20 Minuten. Nach dem 0:2-Rückstand stellte Schubert auf das »traditionelle« 4-4-2 um, das dann in der Realität eher ein 4-1-3-2 war und eine deutliche Verbesserung brachte, denn für den Rest des Spiels agierte die Fohlenelf »breiter« und unterband meistens das Wolfsburger Flügelspiel.
Aber dieses Mal war die Offensive nicht gut genug, um das defensive Handicap der Anfangsphase auszugleichen. Für eine Dreierkette gegen ein besseres Team der Liga (wie dem VfL Wolfsburg) ist die Qualität des aktuell für die Dreierkette (und für die defensiven Außenpositionen) verfügbaren Personals einfach nicht gut genug, das wird die Lehre für Schubert aus dieser Niederlage sein.
3. Wolfsburger Angriffswirbel
Die funktional kaputte Abwehrkonfiguration nutzten die Werkskicker in den ersten 20 Minuten weidlich aus. In der 15. Minute vertändelten Xhaka, Christensen und Raffael gemeinschaftlich einen langen Abschlag des Wolfsburger Torhüters Casteel an der Mittellinie gegen Vieirinha. Selbiger machte Hinteregger nass und schickte Schürrle auf dem rechten Flügel Richtung Strafraum. Der glorreiche Weltmeister flankte in den Strafraum, Xhaka, Elvedi und Dahoud bekamen das Spielgerät nicht aus der Gefahrenzone entfernt und Draxler bedankte sich – 1:0!
Zwei Minuten später verlor Dahoud am Wolfsburger Strafraum einen Zweikampf gegen Guilavogui. Der spitzelte den Ball zu Arnold, selbiger lief mit Ball dem nachsetzenden Dahoud davon und setzte sich gegen Stindl durch. Und wurde vor dem Gladbacher Strafraum von Christensen nicht angegriffen und konnte deshalb unbedrängt auf den links mitgelaufenen Max Kruse spielen. Der kurvte in den Strafraum, machte Elvedi nass und vollendete in wohlbekannter Art – 2:0! »Ausgerechnet« unser verlorener Sohn Max Kruse…
4. Gladbacher Comeback
Danach stellte Schubert (s.o.) auf eine Viererkette um und die Borussia war plötzlich ein anderes Team. Fortan standen sie deutlich sicherer, agierten Zweikampfstärker und erspielten sich Chance um Chance. Es gelang aber nur ein Tor.
In der 23. Minute eroberte Stindl im Mittelfeld die Plastikkugel, über Xhaka und Johnson gelangte der Ball zu dem von links herannahenden Raffael, der in den Strafraum kurvte und mit rechts aus spitzem Winkel die Kugel ins Netz hämmerte. Ein Klasse-Tor.
Die Fohlenelf gewann nun zunehmend die Duelle im Mittelfeld und erspielte sich diverse gute Chancen, der verdiente Ausgleich wollte aber nicht fallen.
5. Ballbesitz gewinnt keine Spiele
Borussia war nach den schlimmen 15 Minuten weitestgehend die spielbestimmende Mannschaft und hatte am Ende 57% Ballbesitz, 14:11 Torschüsse und eine ausgeglichene Zweikampfbilanz. Verloren hat die Fohlenelf trotzdem.
So war es »eigentlich« 70 Minuten lang ein ziemlich gutes Auswärtsspiel, »lediglich« die ersten 15 Minuten waren schlecht. Diese aber so richtig, nach 20 Minuten hatte Wolfsburg 3:0 Torschüsse und lag in allen Zweikampfbilanzen vorne. Dummerweise brachten diese ersten 20 Minuten die Niederlage…
6. »Auswärtsdeppen reloaded«
Wie erwähnt, schlechte Auswärtsserien gehören zur Borussia der letzten Jahrzehnte dazu, im letzten Abstiegsjahr 2007 gab es sogar mal entsprechende T-Shirts zu kaufen. Borussia hat nun 6 Auswärtsspiele hintereinander nicht gewonnen und eine Auswärtsbilanz wie Abstiegskandidat Hannover 96. Der letzte Auswärtssieg gelang am 31. Oktober bei Hertha BSC.
Wenn man das nicht abstellt, steht die Fohlenelf bei jedem Heimspiel unter dem Druck des »Gewinnen müssens« und wird nicht genug Punkte holen, um das realistische Saisonziel »Europapokal-Quali« zu erreichen. Denn das mit dem »Saisonziel Einstelligkeit« kann Eberl erzählen wem er möchte, selbst er wird Schwierigkeiten haben, Platz 8 oder 9 als Erfolg zu verkaufen. Das Auswärtsproblem hat auch Granit Xhaka erkannt, er sprach über den hauseigenen Kanal:
»Denn wenn wir letztlich nur zu Hause unsere Spiele gewinnen, auswärts aber nicht dreifach punkten, wird es enorm schwer, am Ende im oberen Teil der Tabelle zu landen.«
7. Banner des Wochenendes
Wolfsburg-Ultras(!) grüßen Braunschweig und schießen das Eigentor des Tages:
Ja Wolfsburg, dann bleibt mal ewig hinter euch selbst. 😂😂😂😂 pic.twitter.com/x0qbkj1OA1
— Jan (@broedchen) March 5, 2016
Links
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kicker-Spielbericht. Noten zwischen 2 für Raffael und 5 für Elvedi, der Rest zwischen 3 und 4. Ein wenig zu schlecht vielleicht.
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Spielverlagerung – Schuberts 3-4-3 schlägt gegen enges 4-3-3 fehl
Und nun?
Steht nächste Woche das Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt auf dem Programm, die wieder dabei sind, die »Daum-Rutsche« aus der Saison 2010/11 Richtung Zweite Liga zu wiederholen. Dummerweise hat Eintracht just heute Armin Veh entlassen, was zweifellos für die Borussia ein ungünstiger Zeitpunkt ist. Denn manchmal bringt ein Trainerwechsel bekanntlich einen (zumindest kurzzeitigen) positiven Effekt.
Aber es nützt nichts, nach der erneuten Auswärtspleite sind die Konkurrenten Wolfsburg und Leverkusen näher herangerutscht und Schalke sogar vorbei gezogen. Deshalb muss dieses Heimspiel gewonnen werden, sonst wird es langsam eng (s.o) mit dem Saisonziel »Europapokal«…