Zwischen Genie- und Schwabenstreich, oder: Sechs Aspekte zu Borussias 4:0-Gala gegen den VfB Stuttgart

Spielbetrieb

Gladbach vs VfB im November 2012 Schlag auf Schlag geht es in den Tagen der »Englischen Woche«. Eine Flut von Spielen rauscht nur so vorbei, und das Publikum bleibt keinen Tag ohne Bundesliga-Fußball. Die Borussia veredelte die mediokre Flut der Spiele mit einem glorreichen 4:0 gegen den VfB Stuttgart und legte damit endlich den 11 Jahre währenden üblen Heimspiel-Fluch gegen den Klub aus dem schmutzigen schwäbischen Talkessel zu den Akten.

Listengebloggte Aspekte: Borussia vs VfB 4:0

In diesen englischen Wochen ist Fußball gucken und drüber bloggen fast schon ein Fulltime-Job, man kommt kaum hinterher. Man kann es andererseits aber auch nicht ertragen, das gebloggte »Narrativ« der Saison unvollständig zu haben. Daher noch einige Anmerkungen, Links und Lobeshymnen zum 4:0-Sieg der Borussia im beliebten gebloggten Aufzählungsformat. Das alle abgrundtief hassen, aber trotzdem immer selbst verwenden…

1. André Schubert Taktik-Gott!

Selbst die von überkritischen Anhängern des Favre-Sicherheitsfußballs dominierten borussianahen Onlinemedien waren mit dem zufrieden, was André Schubert gegen den VfB aufgeboten und eingestellt hatte. Lars Stindl kehrte nach Gelbsperre natürlich zurück in die Startelf. Der seit seiner Verletzung nicht mehr so gut spielende Traoré musste raus, Thorgan Hazard hat ihm mit seinen guten Spiele in der Rückrunde den Platz weggenommen.

Die Borussia formierte sich in einer Art 3-5-3 mit einer Dreierkette mit Nordtveit, Christensen und Elvedi, die beim (an diesem Abend seltenen) Angriffsspiel der Stuttgarter von Xhaka, Wendt (und später Hinteregger) zur Vierer- oder Fünferkette verstärkt wurde. Was aber nur selten notwendig wurde, zu schwach war die Offensivleistung des VfB. Und gegen Borussias (wie fast immer) spielstarke und rochierende Offensivabteilung war die hölzerne VfB-Defensive hoffnungslos überfordert. Ob diese Formation nun der Weg zur »Betonabwehr« ist wird sich zeigen, der VfB war zu schwach um ein wirklicher Test in dieser Hinsicht zu sein.

2. Tore zwischen Genie- und Schwabenstreich

Das 1:0 in der 16. Minute war ein Geniestreich. Johnson kam über den rechten Flügel und verarbeitete in großartigster Weise einen langen Ball aus der eigenen Hälfte. Man schaue sich dieses Tor an, Johnson nimmt den 50-Meter-Pass perfekt an und spielt ihn schon während der Ballannahme »um die Ecke« weiter, da er gerade dabei ist, Richtung Tor abzubiegen. Manch einem wäre dieser Ball bei so einem Versuch in hohem Bogen ins Aus versprungen. In der Mitte bekam der im »Rücken der Abwehr« völlig alleine vor dem Tor stehende Hazard den Ball und schob ihn in den Kasten. Hazard kam so nach seinen guten Rückrunden-Leistungen auch endlich zum ersten Saisontor.

Erst in der 60. Minute wurde weiter gescored, dieses Mal aber aus der Kategorie »Schwabenstreich«. Das 2:0 durch Raffael war ein klassisches »Kacktor des Monats«. Der stets listige Raffael profitierte von einem grotesken Missverständnis zwischen Gentner und Torwart Tyton.

Das 3:0, 8 Minuten später, war dann was für das schwarz-weiß-grüne Herz. Dahoud spielte einen perfekten Ball in den Lauf des 30 Sekunden zuvor eingewechselten Patrick Herrmann, der in altbekannter Manier von halbrechts Richtung Tor stürmte und die Plastikkugel in die linke Ecke des Netzes donnerte. Erste Ballberührung, erstes Tor nach viereinhalb Monaten Verletzungspause – was für ein Jubel! Da kann man nur sagen: Willkommen zurück auf dem grünen Rasen, Patrick Herrmann!

Zum Abschluss gab es in der 90. Minute wieder einen »Schwabenstreich«. Torwart Tyton verpasste in fast schon bemitleidenswert schlechter Weise einen Flankenversuch von Herrmann. Der hinter ihm herannahende Kevin Großkreutz wurde davon überrascht und ließ den Ball beim Versuch einer Ballkontrolle ins eigene Tor trudeln. »Ausgerechnet« (wie man bei der Sportjournaille bekanntlich sagt) Großkreutz, als Ur-Dortmunder und Effzeh-Sympathisant in Gladbacher Kreisen nicht gerade ein Publikumsliebling, unterlief so ein Kacktor. Das war ein würdiger Abschluss für diesen gelungenen Gladbacher Fußballabend…

3. Granit Xhaka Fußball-Gott!

Granit Xhaka machte erneut ein starkes Spiel als absichernder und unauffällig agierenden »Defensiv-Babo« im Mittelfeld. Mit fast 70% gewonnenen Zweikämpfen kamen die schwachen Stuttgarter an ihm nur schwer vorbei.

Seit der Rotsperre spielt Xhaka deutlich »unauffälliger« (und damit ohne Gelbe Karten) und defensiver und macht das ausgezeichnet. Nicht nur gegen Stuttgart, sondern auch schon beim 2:2 gegen Augsburg war Xhaka stark unterwegs. Nur war Augsburg natürlich zwei Klassen stärker als die harmlosen VfB-Schwaben. Die »unauffälligere« Rolle bringt ihm nun schlechtere Noten in der einschlägigen Presse ein, schon gegen Augsburg hatte eigentlich nur der Kicker Xhakas gutes Spiel erkannt und entsprechend gewürdigt. Das ist wohl der Fluch der guten (kartenfreien) Tat…

4. Raffael Fußball-Gott!

Raffael ist eine Maschine. Der stets mit dem gleichen stoischen Gesichtsausdruck in die Welt hinaus schauende Edel-Techniker hat nun schon wieder 11 Tore und 10 Vorlagen auf dem Scorerkonto. Im Borussia-Trikot erzielt er konstant jede Saison zweistellige Tore und Vorlagen. Gegen den VfB war Raffael voller Spielfreude und ein von der VfB-Defensive nie zu bremsender Gefahrenherd, er hatte noch Gelegenheiten für zwei weitere Tore. Ganz klar des ballreiters Spieler des Spiels!

5. Das Ende der eingebildeten Krise

Nach den zwei Auftaktniederlagen zum Rückrundenauftakt hat die Fohlenelf in folgenden fünf Spielen nur noch einmal verloren. Somit kann man wohl das Ende der so genannten »Krise« feststellen. Diese »Krise« war wohl tatsächlich eher eine Formschwäche, die André Schubert im Grunde so auch plausibel erklärt hatte. Das Krisengerede mit Infragestellen des Trainers in Borussias aktuellen Tabellenregionen (das wurde in den letzten Wochen hier ja hinreichend thematisiert und kritisiert), die gerade die »borussianahen Onlinemagazine und -Medien« in den letzten Wochen an den Tag legten, war schon eine ziemlich panische Überreaktion und gegenüber André Schuberts Arbeit alles andere als fair.

Das einzige wirklich Schlechte aktuell ist die Auswärtsbilanz, seit 31. Oktober (4:1 bei Hertha) wurde auswärts kein Dreier mehr geholt. Wenn es nun noch gelingt, mal wieder auswärts zu gewinnen, kann der Borussia-Anhang beruhigt in Richtung »Europapokalqualifikation« schauen. Ein Sieg beim kriselnden Mitkonkurrenten VfL Wolfsburg am Sonntag wäre in dieser (und jeglicher) Hinsicht eine feine Sache und würde auch diesen Kritikpunkt zu den Akten legen…

6. Die mediokre überbewertete Bundesliga

Das Interessante ist ja: Borussia konnte sich eine Formschwäche zum Rückrundenauftakt leisten ohne groß Boden in Sachen »Europa« zu verlieren, weil die Liga so schlecht ist. Wenn man sich anschaut, was in Teams wie Leverkusen, Wolfsburg oder Schalke für ein unfassbares Geld steckt und was sie aktuell auf den Rasen bringen, sollten sich die Verantwortlichen dort beschämt in eine Ecke des Trainingsplatzes verkriechen. Hertha-Blogger Marxelinho hat bezüglich der Hertha schon Recht:

»Dass eine Mannschaft, die noch so offensichtlich mit der Sicherung ihrer Lernerfolge beschäftigt ist, auf Platz 3 stehen kann, stellt der Liga allerdings kein gutes Zeugnis aus.«

Es ist auch überwiegend schlechter Fußball, der in den meisten Spielen der Bundesliga geboten wird. Im Schnitt sind 6 von 9 Spielen eines Spieltags »unanguckbares« ödes Mittelfeld-Gekicke. Man darf gespannt sein, wie lange die Medienblase »Beste Liga der Welt« in Sachen TV-Geld und Vermarktung angesichts der tristen Realität auf den Spielfeldern aufrecht erhalten werden kann.…

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