Sieger mit einem Punkt
Lucien Favre hat in seiner Amtszeit ziemlich viele bestehende »Angstgegner«-Serien zerschmettert, eine bleibt bestehen: Noch nie konnte die Borussia beim FC Augsburg in der Bundesliga gewinnen. Auch im fünften Versuch gelang das nicht, mit einem 2:2-Unentschieden war die seit Oktober auswärts sieglose Fohlenelf aber trotzdem der große Spieltagssieger im Kampf um die Europapokal-Plätze.
Auswärtsdeppen reloaded?
In der Hinrunde war bekanntlich ein furioser 4:2-Heimsieg gegen den FC Augsburg zum Debüt von André Schubert an der Seitenlinie der Auftakt zur großen »interims-unschlagbaren« Siegesserie. Von einer solchen ist die Elf vom Niederrhein derzeit weit entfernt.
Insbesondere in der Fremde läuft derzeit nicht viel, der letzte Auswärtssieg war das 4:1 bei Hertha Ende Oktober, was ja nun auch schon vier Monate her ist. 3 Siege und 1 Unentschieden standen nach 10 Versuchen auf der Haben-Seite. Immerhin besser als Wolfsburg, die sich mit einem Sieg und vier Remis aus 11 Versuchen »schlechteste Auswärtsmannschaft« nennen dürfen…
Die Aufgabe beim FCA, in dessen typisch deutschen Einheits-Neubau-Stadion des 21. Jahrhundert am Stadtrand auf einer Betonplatte inmitten landwirtschaftlicher Nutzfläche, war alles andere als einfach. In 4 Versuchen hat die Borussia beim FCA noch nie gewonnen (der Sieg in der Zweiten Liga zählt nicht).
FCA vs Borussia
Um endlich mal wieder auswärts zu gewinnen, setzte André Schubert auf die siegreiche Derby-Elf. Nur der gesperrte Stindl wurde durch Traoré ersetzt, für den der in den letzten Spielen erfreulich gut aufspielende Hazard auf die Stindl-Position in die Mitte als »hängender Neuner« rutschte.
Vom Anpfiff weg entwickelte sich eine typische Bundesliga-Mittelfeldschlacht, beide Teams ließen sich kaum Raum für Offensivaktionen. Überraschend war die Laufbereitschaft des FCA, wer mit Müdigkeit nach der Europapokalschlacht beim FC Liverpool gerechnet hatte, sah sich getäuscht. Die Fohlenelf machte es dem FCA aber auch relativ leicht, da in den Offensivaktionen das Tempo und vor allem die Präzision fehlte.
In der 33. Minute agierte die Borussia einmal etwas flotter, und gleich fiel das Tor. Von Hazard kam der Ball links heraus auf Wendt. Der spielte in den Strafraum, wo ein Augsburger nur halbherzig klärte und Wendt den Ball postwendend zurück gab. Der passte ansatzlos auf den heranstürmenden Traoré, der wiederum sofort zu Raffael durchsteckte – 0:1! Das ging alles viel zu schnell für die Abwehr des FCA.
Das Tor war aber die Ausnahme im langatmigen Angriffsspiel der Fohlenelf, in der Folge kam sogar eher der FCA zu guten Gelegenheiten, die aber am 0:1 zur Halbzeit nichts änderten.
Nach der Pause ging es dann rund. Augsburgs Trainer Weinzierl brachte Koo ins Spiel. Der führte sich in der 50. Minute gleich gut ein und schoss am Strafraum Richtung Tor. Nordtveit konnte nur unkontrolliert abklatschen lassen, was das Spielgerät zu Verhaegh auf den rechten Flügel beförderte. Dessen Flanke segelte zu Finnbogason, der, von Christensen nur mäßig bedrängt, zum 1:1 einköpfen konnte.
Und drei Minuten später klärte Xhaka eine Flanke des ex-KSC-Spielers Max per Kopf zu kurz. Der abgefangene Ball gelangte unter interessierter Beobachtung der Gladbacher Abwehr zum von Nordtveit und Christensen alleine gelassenen Cayubi, der dankend zum 2:1 traf – Spiel gedreht!
Wiederum 2 Minuten später marschierte die Fohlenelf über den rechten Flügel zur Grundlinie. Dort bediente Traoré den mitgelaufenen Elvedi, der flankte in die Mitte zu Johnson – 2:2.
Nach diesen wilden 5 Minuten hatten die Akteure ihr Offensivpulver verschossen, das Spiel ging wieder in den Mittelfeldkampfmodus der ersten Halbzeit mit gelegentlichen Torchancen. Einziges Highlight aus Borussen-Sicht war das Comeback von Patrick Herrmann in der 68. Minute. Dass dieser nach der Verletzungspause keine Bäume ausreißen würde war klar, aber gut dass er wieder dabei ist!
Aufregung gab es erst wieder in der Nachspielzeit, als Finnbogason aus einem Gladbacher Abwehrdurcheinander heraus nur den Pfosten traf. Glück gehabt! Überhaupt, Alfred Finnbogason, eine auffällige und gute Leistung des isländischen Leihspielers von Real Sociedad, für mich der Spieler der Partie.
So endete die Partie mit einem Unentschieden. Und wieder kein Auswärtssieg…
- kicker-Spielbericht. Erstaunlich gute Noten für die Fohlenelf, mit einer 2 für Xhaka als »Spieler des Spiels« (selbiger wäre für mich eher Augsburgs Finnbogason gewesen). Schlechteste Note eine 4 für Nordtveit.
- Bundesliga.de – Topdaten. Borussia mit 10 Ausländern in der Startelf, der einzige Deutsche war Mo Dahoud. Und Raffael hat nun in seiner dritten Spielzeit für Borussia zum dritten Mal zweistellig getroffen!
Und nun?
Neben Hertha und Mainz ist die Fohlenelf trotz des ausgebliebenen Auswärtsdreiers der große Sieger im Rennen um die Europapokalplätze. Denn auch von den vermeintlichen Hauptkonkurrenten Leverkusen, Schalke und Wolfsburg konnte niemand einen Dreier einfahren, somit steht die Elf vom Niederrhein mit 36 Punkten (und drei Zählern Rückstand auf die drittplatzierte Hertha) auf Rang 4.
Natürlich machte sich auch nach dem Auswärtsunentschieden in Foren und Social-Media wieder die übliche Borussen-Weltuntergangsstimmung breit, die langsam pathologische Züge annimmt.
Dabei hat die Borussia nur 4 Punkte weniger auf dem Konto als zum gleichen Zeitpunkt der Vorsaison. Und das trotz einer in Mittelfeld und Defensive ganz klar schwächer besetzten Mannschaft. Dahoud zeigte wieder eines seiner weniger guten Spiele. Xhaka spielte zwar solide, konnte aber nicht verhindern, dass das Mittelfeld viele Bälle verlor. Einen zuverlässigen Mittelfeld-Defensivabräumer, wie es Kramer in der letzten Saison war, gibt der Kader derzeit ebensowenig her wie eine Innenverteidigung mit internationaler Klasse.
Denn mit einem Innenverteidiger Nordtveit (mit 36% Zweikampfquote) ist die Borussia in der Abwehr nicht mehr so gut besetzt wie letzte Saison mit Stranzl, Dominguez oder Jantschke. Und auch der hochgelobte Christensen ist noch lange nicht fehlerlos (wie auch, in seinem Alter). Und deshalb braucht man sich nicht über die vielen Augsburger Torschussversuche (24:10 am Ende) wundern. In der letzten halben Stunde stand mit Nordtveit und Hinteregger die wahrscheinlich schlechteste Innenverteidigung seit Jahren auf dem Rasen. Von daher: Das war ganz klar ein Punktgewinn.
Diese Woche ist eine englische, somit steht am Mittwoch gleich die nächste »Angstgegnerserie« auf dem Plan: Heimspiel gegen den VfB Stuttgart, gegen den seit fast 11 Jahren auf heimischen Rasen nicht mehr gewonnen werden konnte. Beim letzten Heimsieg schossen noch Neuville und Sverkos die Tore und Horst Köppel saß auf der Trainerbank…
Höchste Zeit, mal wieder eine schwarze Serie zu beenden und die Position unter den ersten Vier der Tabelle zu halten! Auch um die anhaltende Jammerstimmung im Umfeld mal wieder etwas zu dämpfen…