Der HSV-Fluch und die »Schubikalypse«, oder: Hallo Fehlstart!

Spielbetrieb

Das ebenso kümmerliche Hinspiel vom September 2015 Statt einer Revanche für den Hinrunden-Bundesliga-Tiefpunkt, das grausame 0:3-Hinspiel, gab es einen hübschen neuen Rückrunden-Tiefpunkt: Mit einer grottenschlechten Leistung, viel schlechter als es das nackte Ergebnis am Ende aussagt, verlor die ruhmreiche Fohlenelf vom Niederrhein beim Hamburger SV 2:3. Und hat damit in dieser Saison dem HSV unglaubliche 6 Punkte überlassen!

HSV vs. Gladbach 3:2

Dabei sollte doch eigentlich alles gut werden: Der »Aggressive Leader« Granit Xhaka kehrte nach drei Spielen Rot-Sperre in die Startelf zurück, Vertreter Nordtveit rückte nach rechts hinten in die Abwehr und ersetzte den erkälteten Elvedi. Ansonsten blieb das siegreiche Team der Vorwoche unverändert.

Und präsentierte sich zu Beginn vielversprechend. Borussia setzte vom Anpfiff an das Tor des HSV mit schnellen Angriffen unter Druck. Was in der 14. Minute bereits die Führung einbrachte. Aus einem Konter heraus bediente Raffael den schnellen Hazard auf dem rechten Flügel. Der flankte, leicht abgefälscht, zu Johnson, der vollstreckte: 0:1! Alles sah so aus, als würde das Spiel den gewünschten Verlauf nehmen.

Unverständlicherweise ließ die Fohlenelf aber danach die Zügel schleifen, kickte pomadig und ohne richtigen Druck auf dem Rasen umher und brachte den HSV zurück ins Spiel, der das natürlich ausnutzte. Mit ihren simplen aber effektiven fußballerischen Mitteln – Ball nach vorne und alle rennen hinterher, Kampf und lange Flanken in die wackelige Gladbacher Abwehr – brachten sie die indisponierten Borussen immer mehr in Schwierigkeiten.

Es dauerte bis zur 38. Minute, ehe passierte, was passieren musste: Hunt brachte eine Ecke in den Strafraum, Verteidiger Cleber köpfte den Ball an die Latte, von wo aus die Kunstlederkugel zurücksprang auf den Schädel von Spahic. Dessen Kopfballversuch wurde von Dahoud auf der Linie gerettet, der dann beim Versuch, den Ball möglichst kunstvoll irgendwohin zu dreschen, ein großes Luftloch trat. Jung setzte zu einem verunglückten Schussversuch an, der dann von Hinteregger in einem ebenso verunglückten Rettungsversuch ins eigene Tor befördert wurde. Das war das 1:1, ein ganz heißer Kandidat für das Kacktor des Monats Februar.

Nun war Borussia den brachialen aber effektiven Angriffsbemühungen des HSV geradezu hilflos ausgesetzt, was 3 Minuten später mit der 2:1-Führung des HSV endete: Ein Abschlag von Torwart Adler flog über die zu weit aufgerückte Abwehrkette hinweg und wurde von Rudnevs aufgenommen und zur Führung ins Netz geknallt. Unglaublich! Die Fohlenelf ist Rudnevs‘ Lieblingsgegner, er traf in seiner wechselvollen Bundesliga-Karriere schon zum dritten Mal gegen die Borussia, so oft wie gegen keinen anderen Gegner…

Nach der Pause änderte sich zunächst nicht viel. In der 57. Minute reagierte André Schubert, nahm den neben sich stehenden Dahoud raus (hätte er mit den ebenso neben sich stehenden Xhaka allerdings genauso machen können) und brachte Traoré ins Spiel. Was das Signal für ein großes Positionsrutschen war: IV Christensen rückte auf die Doppelsechs, Nordtveit in die Mitte der IV, Johnson auf RV und Traoré für Johnson in den Angriff.

Das war eine gute Umstellung und brachte die Borussia langsam aber sicher ins Spiel zurück. Zumal die kräftezehrenden Angriffe des HSV seltener wurden. Es gab diverse Chancen zum Ausgleich durch Stindl und Hazard, der gestern bester Borusse auf dem Rasen war.

Wenn der HSV aber nach vorne kam, brannte es wieder. Besonders nach Standards, und so brachte in der 80. Minute auch eine weitere Ecke die Entscheidung: Hunts Eckball wurde von Spahic zu »Kopfarbeiter« Ilicevic verlängert, der im mies verteidigten Raum alleine stand und dankend zum 3:1 einköpfte.

Borussia gab nicht auf und kam durch Raffael in der 88. Minute noch einmal zum Anschlusstreffer, mehr ging aber nicht mehr.

Fazit: Eine bittere Niederlage, eine zu Beginn überlegene Fohlenelf begann nach der eigenen Führung pomadig zu spielen und ließ sich vom HSV mit deren simplen fußballerischen Mitteln den Schneid und das Spiel abkaufen. Auf Spielen gegen den HSV scheint neuerdings ein Fluch zu liegen, aus den letzten drei Bundesliga-Begegnungen gegen den alterschwachen Dino gab es lediglich einen Punkt…

Und nun?

Ist Borussia aus den Europapokal-Rängen heraus gepurzelt, und steht nach nur einem Sieg und drei Niederlagen auf Rang 14 der Rückrundentabelle. Das ist wohl dann doch der Rückrundenfehlstart, den wir letzte Woche schon abgewandt wähnten. Da hat André Schubert nun eine Aufgabe, denn machen wir uns nix vor: Die EL-Quali ist ein »Muss« für die Borussia in dieser Saison. Man muss sehen wo wir her kommen, von Rang 3 und CL…

Erstaunlich ist aber das Ausmaß der aktuellen Kritik an Schubert. In den letzten Jahren ähnelte das Gladbacher (Medien- und Fan-)Umfeld in seiner bemerkenswerten Kritiklosigkeit einer religiösen Gemeinschaft, in der die Gurus Favre und Eberl immer Recht hatten und alles, was sie taten, stets »alternativlos und richtig« war. Umso bemerkenswerter, mit welcher Vehemenz nach gerade einmal 5 Monaten und 16 Bundesliga-Spielen im Amt nun die Kritik auf André Schubert einprasselt. Dabei hat er immerhin eine erstaunliche Hinrunden-Rettung aus jenen hoffnungslosen Null-Punkte-Abstiegsregionen auf der Haben-Seite, in denen Lucien Favre die Borussia zu Saisonbeginn hinterlassen hatte. Was dann zumindest einmal für »Kredit« in einer Halbserie langen sollte. Aber Fehlanzeige:

Und das nicht nur von den üblichen Social-Media-Krakelern, sondern von respektablen alteingesessenen Online-Medien aus dem Borussen-Umfeld. Bspw. wird in dem aktuellen Text bei Halbangst bereits mehr oder weniger ein Trainerwechsel »spätestens im Sommer« gefordert…

Die Trainerpersonalie und die »neue« taktische Ausrichtung schmeckten manch altem Favre-Jünger im Grunde bereits in der erfolgreichen Hinrunde nicht. Nur konnte man schlecht was sagen, wenn die Mannschaft siegt und siegt. In der Zeit der ausbleibenden Resultate aber schon, und so wird das dann zunehmend deutlicher formuliert. Nicht einmal ein großartiger Sieg gegen Darmstadt war noch gut genug, denn es gab Gegentore und er wurde nicht im Favre-Stil errungen. Und auch beim 5:1 gegen Werder wurde dann in erster Linie moniert, dass Werder etwa 20 Minuten beim Stand von 3:1 einige Torchancen hatte…

Selbstverständlich hat André Schubert eine andere Vorstellung von einer »guten Taktik« als Lucien Favre. Das hat in der Hinrunde auch sehr gut funktioniert. Und so lange man gewinnt, ist die Anzahl der Gegentore in der Tat völlig egal, denn »wenig Gegentore haben« ist kein Selbstzweck. Außer vielleicht für den einen oder anderen Taktiknerd.

Und wenn das jetzt, aus welchen Gründen auch immer (ob es mehr an Schubert liegt oder mehr an der Qualität des verfügbaren Personals sei mal dahingestellt), nicht mehr funktioniert wie in der Hinrunde, muss André Schubert selbstverständlich entsprechend reagieren und sein Spielsystem anpassen und wird sich dann an den Resultaten messen lassen müssen. Nur, ihn jetzt nach gerade einmal 16 Bundesligaspielen und einer erfolgreichen 12-Spiele-Hinrunde mehr oder weniger »rauszuschreiben«, das ist schon »Schalke 04 zu Jens-Keller-Zeiten« in Reinkultur…

Borussia hat nach des ballreiters bescheidener Meinung sowieso, was die defensiven Positionen angeht, ein Qualitätsproblem im aktuellen Kader. Es ist ziemlich auffällig, dass sowohl Schubert als auch Favre Probleme mit dem defensivem Mittelfeld und der Abwehr hatten/haben und dass Schuberts Resultate (und die Gegentorverhinderung) seit Dominguez' Verletzungspause zunehmend schlechter werden. Bereits Lucien Favre hat in wild wechselnder Defensivbesatzung in 5 Spielen 12 Gegentore kassiert, und vielleicht ist es auch einfach so, dass ein Teil des Defensivpersonals für die gestiegenen Ansprüche (mindestens EL-Platz, am liebsten CL-Platz) einfach (noch) nicht gut genug ist. Zumindest dürfte das an der aktuellen Lage einen gewissen Anteil haben. Was nicht unbedingt in der Verantwortung von André Schubert liegt…

Wie auch immer, jetzt kommt am nächsten Spieltag das Derby gegen den Effzeh, das in der Hinrunde die klägliche Abschiedsvorstellung von Lucien Favre war. Es ist Schuberts Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es nicht wieder einen pomadigen Auftritt wie gestern gibt und dass nicht so nachlässig verteidigt wird. Denn bekanntlich gibt es bei Borussia keinen größeren Stimmungstöter als eine Derby-Niederlage gegen den Effzeh…