Fehlstartversuch gescheitert, Bremen weggehauen und der »Rage-Schubert«…

Spielbetrieb

Borussia Park, Nordkurve Borussias Versuch der Wiederholung des Hinrunden-Fehlstarts ist krachend gescheitert: Im dritten Versuch gab es mit einem ungefährdeten 5:1-Sieg gegen Werder Bremen den ersten Rückrunden-Dreier für die Elf vom Niederrhein. Damit kann die »Krise« (nun mit 32 Punkten aus 15 Spielen, die 5 Katastrophenkicks unter Favre sind ja abzuziehen) eigentlich zu den Akten gelegt werden. Wäre da nicht ein Umfeld, dass unter Schubert seine kritische Ader entdeckt hat und den Trainer in den »Rage-Mode« schaltet…

Die Lage vor dem Spiel: Krise, Kritik und Werder-Fluch

Die bisherigen beiden Spiele gegen Werder in dieser Saison liefen bekanntlich mehr »so mittel«. Im Dezember gab es daheim das Aus im DFB-Pokal, und im Hinspiel war nach der dritten willenlosen Niederlage im dritten Spiel endgültig klar, dass Borussia zu Beginn der neuen Saison in einer handfesten tiefgreifenden Krise steckte. Gerade weil Lucien Favre nach diesem Spiel mit seinem berühmten »die Mannschaft wird in zwei bis drei Jahren wieder richtig gut sein«-Zitat eine bedenkliche und offensichtlich seltsame Einschätzung der Realität eines Bundesliga-Dritten und CL-Teilnehmers, der gerade 30 Mios für Transfers ausgegeben und lediglich zwei Abgänge hatte, an den Tag gelegt hatte. Rückblickend der Tag, an dem im Hause ballreiter erstmals ernsthafte Zweifel an Favre aufkamen. Und die bis dahin absurde Vorstellung eines anderen Borussia-Trainers als Favre plötzlich gar nicht mehr so absurd erschien…

Das Umfeld verkannte die Krisen-Symptome: In einem Fan-Podcast wurde die Existenz einer Krise als »Quatsch« bezeichnet, Seitenwahl rief zu »Ruhe bewahren« und Vertragsverlängerung mit Favre auf, und Torfabrik rief zum Umdenken auf, ohne aus dieser doch im Grunde für den Tabellendritten der Vorsaison deprimierenden Erkenntnis in irgendeiner Form Konsequenzen anzudenken…

Umso erstaunlicher ist im Lichte dieses doch damals recht nachsichtigen Borussen-Umfelds die Vehemenz, mit der jetzt, nach einer 29-Punkte-Hinrunde aus 12 Spielen, die Kritik auf Schubert wg. dessen angeblicher »Strukturprobleme« in der Defensive einprasselt. Und die Tote-Holz-Medien sprangen auf den Kritik-Zug, in Gladbach sind das Bild und RP-Online (der Rest schreibt nur ab). Das taten sie schon, als Borussia trotz »Strukturkrise« gewann. Umso vehementer wurde das dann nach den ersten beiden Rückrunden-Niederlagen gegen Dortmund und Mainz.

Diesen seltsamen Widerspruch (»Katastrophenkicks und Nachsicht unter Favre« vs »29 Punkte und vehemente Kritik unter Schubert«) muss man sich bewusst machen um zu verstehen, warum Trainer Schubert nach einem 5:1-Sieg dünnhäutig wirkend im »Rage-Mode« unterwegs war…

Gladbach vs Werder 5:1

Aber zum Spiel: Mo Dahoud kehrte nach seiner seltsamen »haushaltsüblichen Schnittverletzung« ins Team zurück, um das in den beiden ersten Rückrunden-Spielen exorbitant zweikampfschwache defensive Mittelfeld wieder zu stärken. Außerdem mussten Traoré und Korb raus und wurden durch Hazard und Elvedi ersetzt. Gerade Hazard tat dem Angriffsspiel gut, sein Einsatz war einer der Schlüssel zum Gladbacher Sieg. Borussia spielte dieses Mal ohne taktische Experimente, es war das unter Favre klassische 4-4-2 zu sehen, in dem Dahoud aber mangels defensiver Beschäftigung mehr als Spielmacher in der Offensive unterwegs war. Und das ganz hervorragend.

Borussia war von Beginn an der Babo auf dem Rasen des Borussia-Parks und setzte die Bremer Wackeldefensive unter Druck. Angriff um Angriff rollte auf das Bremer Tor. Der erste Treffer war nur eine Frage der Zeit, und diese Zeit war schon in der 12. Minute gekommen. Dahoud eroberte an der Mittellinie den Ball und marschierte mit dem Spielgerät ungestört durch die Bremer Hälfte. Kurz vor dem 16er passte er auf den rechts mitgelaufenen Hazard, der butterweich den in der Mitte heranstürmenden Lars Stindl anspielte – 1:0! Ein herrliches Tor!

Danach ließ Borussia ein wenig nach, ohne dabei die Kontrolle über das Spiel zu verlieren. Um die 25. Minute herum hatte Werder dann eine bessere Phase mit zwei Chancen durch Fritz und Pizarro, die aber nicht präzise genug waren. Sie reichten aber aus, um die Borussia wieder munterer werden zu lassen und den Druck zu verstärken. In der 31. Minute stürmte Johnson in den Bremer Strafraum und übergab den Ball trotz Anwesenheit zweier Bremer Verteidiger an den an der Grundlinie stehenden Raffael. Der legte ein kleines Tänzchen mit Ball hin und spielte die Kugel zum Abschluss auf Dahoud, der das Spielgerät mit einem Außenrist-Zuckerpass nach rechts auf den ungestört in den Strafraum laufenden Christensen spielte. Selbiger schob den Ball sanft ins Tor – 2:0.

Mit diesem für Werder noch schmeichelhaften Spielstand ging es in die Pause.

In HZ2 ging es gerade so weiter. 50. Minute, Ecke Raffael, Kopfball Christensen, 3:0! Ein Doppelpack für Innenverteidiger Christensen, als einziger Innenverteidiger der Bundesliga in dieser Saison neben dem Kölner Maroh!

Danach schaltete Borussia in den Verwaltungsmodus, Bremen wurde etwas energischer und kam zu Torchancen. Denen es aber wie jenen in der 1. Halbzeit an Präzision mangelte. So war schon ein Elfer notwendig um ein Bremer Tor zu feiern. In der 56. Minute stieg Hinteregger Öztunali auf den Fuß wie Hulk auf der Tanzfläche. Pizarro verwandelte zum 3:1.

Borussia kontrollierte das Spiel trotz etwas energischer werdender Bremer. Werder könnte aber jetzt noch spielen und hätte immer noch kein Tor aus dem Spiel erzielt. Hinten wackelig, vorne harmlos – so gewinnt man nix im Borussia-Park.

Die Spiel-Verwaltungsmaßnahmen der Fohlenelf führten schließlich noch zum 4:1 durch einen von Raffael verwandelten Foulelfmeter in der 70. Minute. Und den 5:1-Endstand in der 88. Minute durch einen großartigen Distanzschuss von Kapitän Nordtveit.

Fazit: Ein hochverdienter Sieg der Borussia, die sich im Vergleich zu den beiden Auftaktniederlagen deutlich verbessert zeigte und wieder die offensive Treffsicherheit der Schubert-Hinrundenspiele auspackte. Allerdings im defensiven Mittelfeld, dem neuralgischen Punkt der beiden Aufttakt-Niederlagen, durch schwache Bremer nie richtig gefordert wurde.

  • kicker-Spielbericht. Raffael, Stindl, Dahoud und Christensen landeten in der kicker-Elf des Tages. Und Christensen wurde auch noch Spieler des Spieltags. Verdient!

  • Seitenwahl – Abend der Rückkehrer. Seitenwahl hat wieder eine Defensive ausgemacht die »zwischenzeitlich bedenklich wackelte«. Glauben Sie mir, verehrte Leserinnen und Leser, das mit Borussia und der Defensive, das ist ein Fetisch den uns die Favre-Jahre eingebrockt haben…

  • Torfabrik – Wertvoll für die Psyche. Auch die Torfabrik gibt nach einem 5:1 wieder den Bedenkenträger und macht eine (für mich nicht nachvollziehbare) »fehlende Souveränität in der letzten halben Stunde« aus.

Raging Schubert

Nach dem Spiel lederte ein trotz Sieg sichtlich angefressener André Schubert im Sky-Interview los. Beklagte das seiner Ansicht nach unangemessene Gerede von einer Krise. In Gegentorstatistiken und willkürlich begrenzten Zeiträumen wie »5 Niederlagen aus 6 Pflichtspielen« würde immer viel zu viel reininterpretiert. Es habe 8 Pflichtspiele in 20 Tagen gegeben, man habe gegen Gegner wie ManCity und Leverkusen gespielt. Und sein Team sei zum Rückrundenstart noch lange nicht bei 100% gewesen, gegen Mainz sei es schon besser gewesen und heute habe man gesehen, dass mit mehr körperlicher Frische die Dinge auch wieder besser greifen würden.

Und ärgerte sich massiv über die Vorberichterstattung bei Sky, bei der das Reden von »Krise« mit »Zeugen« aus der lokalen Journaille reichlich Raum eingenommen hatte.

Das wäre an sich nicht weiter schlimm, zumal Schubert ja im Grunde Recht hat. Bedenklich war eher die Art des Vortrags. Schubert gewöhnt sich wieder diese schulmeisterliche Mimik und Gesten an, die Zweitligastammzuschauende noch aus seiner Zeit bei Paderborn und St. Pauli kennen. Da das in letzter Zeit häufiger vorkommt gibt er damit indirekt jenen neue Munition, die schon zu seiner Interimszeit vermuteten, Schubert sei noch stets der alte und habe in seiner Pause »Kreide gefressen« Medientraining gehabt vor seinen öffentlichen Auftritten bei Borussia.

Die »alte Art« sollte Schubert sich schleunigst wieder abgewöhnen. Es ist zwar Fakt, dass das unter Favre erheblich geduldigere Umfeld gegenüber Schubert bei viel weniger schlimmen Dingen deutlich kritischer gestimmt ist (s.o., einleitender Absatz), aber damit wird Schubert leben müssen. Und eine Dauerkonfrontation mit Medien und (Fan-)Umfeld kann man sich vielleicht erlauben wenn man Mou oder Pep ist, als ex-Zweitligatrainer auf seiner ersten Bundesligastation allerdings eher weniger. Wäre doch schade, wenn seine zweifellos gute Arbeit in Medien-Nebenschauplätzen untergehen würde…

Und nun?

In der Tabelle ist Borussia nun wieder voll dabei im Kampf um die europäischen Plätze. Borussias Zeit als Krisenherd Nr.1 des oberen Tabellendrittels könnte nun zu Ende gehen. Der VfL Wolfsburg, aktuell mit 27 Punkten Tabellenachter, bewirbt sich energisch als Nachfolger. Von ihrem selbsternannten Anspruch sind die Wolfsburger meilenweit entfernt.

Und nächste Woche gibt es die »Rache« für das wahrscheinlich schlechteste Bundesliga-Spiel der Favre-Ära (und ich war dabei, Hurra!), das 0:3 im Hinspiel gegen den HSV. Dieser befindet sich nach einer (für ihre aktuellen Verhältnisse) guten Hinrunde auf dem absteigenden Ast. Sechs Spiele sieglos, letzter Sieg am 28. November, und dabei nur 5 Tore geschossen – die Zahlen des HSV sind ziemlich deutlich. Es bleibt zu hoffen, dass die Fohlenelf dort nächste Woche nicht den Aufbaugegner gibt…