Ein Sonntag in der Fußball-Oper: Real Madrid CF vs Real Sporting de Gijón 5:1 – 17.1.2016
Was ist besser als ein Groundhopp ins Stadion? Genau, noch ein Groundhopp!
Folgerichtig ging es drei Tage nach dem Besuch bei Atléti in die Höhle des Löwens (wenn man es mit Atléti hält), zum großen Lokalrivalen, zum Vorzeigeklub des kommerzialisierten modernen Fußballs schlechthin: Ins berühmte Estadio Santiago Bernabéu zu Real Madrid!
Estadio Santiago Bernabéu
Als das Estadio Santiago Bernabéu 1944 erbaut wurde, lag es noch in den Außenbezirken von Madrid.
Mittlerweile ist die Stadt in den Stadtteil Chamartín hinein gewuchert, dieser ist das »Business-Zentrum« von Madrid mit Konzern-Hochhäusern. Und mittendrin steht, wie eine gewaltige Burg mit vier Türmen, das Stadion.
Benannt ist es nach dem ehemaligen Präsidenten Santiago Bernabéu Yeste, der von 1944 bis 1978 Präsident von Real Madrid CF war und in dessen Regentschaft der Verein zu dem wurde, was er heute ist.
Das Stadion ist mit vier markanten wuchtigen Ecktürmen (siehe Bild oben) ausgestattet. Diese sind die Eingänge für die Oberränge, in dem Turm kann man dekadent mit Rolltreppen zu den oberen Rängen hinauf fahren.
Und »obere Ränge« sind hier durchaus wörtlich gemeint. Ähnlich dem Camp Nou des großen Rivalen Barça ist das Bernabéu ein sich gewaltig auftürmendes Stadion mit exorbitant steilen Rängen. Auch hier kommt auf Bildern nur unzureichend rüber, wie gewaltig groß und steil dieses Stadion ist.
Selbst im fünften von sechs Rängen ist man näher am Platz als bspw. im Karlsruher Wildpark im A1-Block oder im Borussia-Park im Oberrang und hat eine fantastische Sicht auf den penibel gepflegten Rasen. Das Bernabéu kommt dem perfekten Fußballstadion schon ziemlich nahe, eine großartige Arena!
Heutzutage, in den Zeiten der »All-Seater«, passen knapp 85.500 Zuschauer hinein. In den guten alten Zeiten der Stehplätze waren darin aber auch schon mal 128.000 Zuschauer (das war der Rekordbesuch bei einem Europapokalspiel in den 70ern).
Ebenso dekadent wie die Rolltreppen im Turm: Damit man in der »Fußball-Oper« bei winterlichen Temperaturen (in Madrid wird es Winter durchaus auch mal kalt) nicht frieren muss, sind am Tribünendach Heizstrahler angebracht…
Real Madrid CF
Über Real Madrid CF muss man nicht viel sagen: Einer der erfolgreichsten Klubs der Welt, zehnfacher Sieger der CL/Europapokal der Landesmeister, 32-facher Spanischer Meister und 19-facher Pokalsieger. Außerdem eine Sportgemeinschaft teurer Superstars wie Cristiano Ronaldo oder Gareth Bale. In dieser Saison sind sie aktuell »nur« Dritter in La Liga. Dass es dabei vier Punkte Rückstand auf den die Tabelle anführenden Lokalrivalen Atléti sind, schmerzt besonders. Deshalb wurde ob dieser »Krise« Trainer Rafa Benitez kürzlich entlassen und durch die Spieler-Legende (und Trainer-Neuling) Zinedine Zidane ersetzt.
Noch etwas für den Fußball-Hipster-Smalltalk in der FC-Magnet-Bar: In Deutschland wird das Team von Real Madrid häufig von der Sportjournaille als »die Königlichen« bezeichnet, wg. des »Real« (= königlich) im Namen. Das ist aber eine deutsche Spezialität wie »Arsenal London« oder »Celtic Glasgow«. Der Klub heißt »Real Madrid Club de Fútbol«, und das »Real« ist lediglich ein royalistischer Namenszusatz, der Sportvereinen zu Beginn des 20. Jahrhunderts von der spanischen Monarchie unter Alfonso XIII gleich reihenweise vergeben wurde. Alleine in der aktuellen Primera Division dürfen sich sieben Vereine in ihrem Briefkopf »königlich« nennen. So auch der Gegner des Groundhopp-Tages. Der richtige Spitzname von Real Madrid ist »Los Blancos« (die Weißen, natürlich wg. der blütenweißen Trikots) oder »Los Vikingos« (die Wikinger, weil sie in den 70ern viele Spieler aus skandinavischen Ländern hatten und auf dem Spielfeld alles weghauten und die Titel »raubten«).
Real Sporting de Gijón
Zurück zum Spieltag. Der Gegner des Tages war der asturische (im Norden Spaniens an der Atlantikküste gelegen) Klub Real Sporting de Gijón. Sporting wurde 1905 gegründet und spielt (Achtung, Fußball-Hipster-Smalltalk-Wissen!) in dem ältesten professionellen Fußballstadion Spaniens. Seit 1908 wird bereits im »El Molinón« gekickt. Das Stadion von Sporting war bei der Fußball-WM 1982 Schauplatz der berühmten »Schande von Gijon«.
Sporting ist eine typische »Fahrstuhlmannschaft«, im Sommer 2015 stiegen sie mal wieder in die erste Liga auf. Der große David Villa begann einst seine Karriere bei Sporting.
Als Aufsteiger dümpeln sie in den Tabellenregionen der Abstiegsränge herum, brachten aber einen für spanische Verhältnisse erstaunlich zahlreichen und lautstarken Auswärtsmob (die »Sportinguistas«) mit ins etwas 400km entfernte Madrid.
Matchday
Um 16:00 ging es dann endlich los. Immer wieder erstaunlich in anderen Ländern: Während des Aufwärmens der Spieler ist das Stadion praktisch noch leer, aber pünktlich zum Anpfiff haben plötzlich alle ihren Platz eingenommen und das Stadion ist voll. Mit 70.000 Zuschauern wirkte das Bernabéu gut gefüllt. Zum Auftakt gab es eine Gedenkminute für den kürzlich verstorbenen Manuel Velázquez, der von 1962 bis 1977 mehr als 300-mal im Trikot von Real Madrid aufgelaufen war. Etwas befremdlich: Fast alle blieben zur Gedenkminute einfach sitzen…
Danach ging es dann aber endlich los! Zur Freude des groundhoppenden Team Ballreiter hatte Neu-Trainer Zidane das gesamte Starensemble (inklusive Tony Kroos) aufgeboten, mit dem »BBC-Angriff« (für »Bale - Benzema - Cristiano«) an der Spitze.
Und wie es los ging! Der kürzliche Trainerwechsel hat das Starensemble wohl von irgendetwas befreit. Wie einst »Los Vikongos« berannten sie vom Anpfiff weg das Tor des bedauernswerten Aufsteigers aus Gijón, der in den ersten 20 Minuten kaum aus der eigenen Hälfte heraus kam. Schon in der 7. Minute klingelte es: Eine Ecke von Kroos köpfte Gareth Bale ins Netz – 1:0.
Zwei Minuten später spielte ein Sporting-Verteidiger einen üblen Pass vor die Mitte des eigenen Strafraums (macht man ja bekanntlich nicht, wie man uns einst in der Jugend beigebracht hat), der Ball kam zu Benzema, der passte auf Cristiano Ronaldo – 2:0! BBC spielte groß auf, und das ausgerechnet auf das Tor hinter dem Team Ballreiter saß – Glück muss man haben!
Und es ging gerade so weiter. 12. Minute, Bale marschierte über den linken Flügel, passte ungestört in die Mitte vor das Tor, wo Benzema den Ball mit einem sehenswerten artistischen Volleyschuss zum 3:0 einnetzte.
Wieder nur 6 Minuten später, der Ball kommt auf den Flügel zu Carvajal, der in den Strafraum zu Cristiano Ronaldo spielt – 4:0. Und einen schönen typischen Cristiano-Jubel hinlegt…
Erst jetzt, nach 18 Minuten und 0:4-Rückstand, begann Sporting sich zu wehren und besser zu verteidigen. Musste aber trotzdem in der 41. Minute das 0:5 schlucken. Isco chippte den Ball in den Strafraum zu Benzema, der sich selbst von links kommend mit Rechts den Ball »One-Touch« vorlegte um dann auch mit Rechts zum 5:0 abzuschließen. Schon ziemlich gut, muss man neidlos anerkennen. Eine große Gala von Real Madrid…
Damit war das Spiel im Grunde beendet, die zweite Halbzeit sah nur Verwaltung durch Real und den Ehrentreffer für Sporting in der 62. Minute zum 5:1-Endstand durch Isma Lopez.
Fazit
Real Madrid hat eine Mannschaft mit großartigen Fußballern in einem ebenso großartigen gut gefüllten Stadion. Die Atmosphäre im Stadion ist aber ziemlich »mau«, es ist tatsächlich eine Art »Opern-Atmosphäre«. Bei besonders gelungenen Arien (Toren) erhebt man sich zum Applaus, ansonsten ist ein bisschen in die Hände klatschen die einzige Zuschauerregung auf den beheizten Rängen. Lediglich der kleine Block unter der Anzeigetafel in der Südkurve hinter dem Tor (die Weißgekleideten auf dem Bild unten) macht »Support«, wie man das aus unseren Stadien hierzulande kennt. Und nach 80 Minuten setzt bereits eine Abwanderungswelle ein…
Nichtsdestotrotz kann man den Besuch empfehlen, das Bernabéu ist einer der legendären Orte des Weltfußballs und »Los Blancos« verstehen doch recht gut mit dem Spielgerät umzugehen…