Die 13-Minuten-Terrine: Bayers Tor-Suppe mit Knall-Erbschen
Was für eine Klatsche! Vier Tage nach dem torreichen Aus in der Champions League schlug es wieder reichlich in Yann Sommers Kasten ein. Mit 5:0 fegte Bayer Leverkusen die Borussia vom Platz. Erneut brach Borussia innerhalb weniger Minuten ein, denn vier Tore der fünf schlugen innerhalb von 13 Minuten in zwei Doppeleinheiten ein. Und Leverkusens Stürmer Chicharito gelang ein Dreierpack.
Bayer 04 vs Borussia
Verletzungsbedingt baute André Schubert ein wenig um. Fabian Johnson fehlte ganz, Raffael hatte es am Zeh und nahm auf der Bank Platz. Und Nico Elvedi wurde rausrotiert. Dafür rutschte Jantschke in die Dreierkette mit Nordtveit und Christensen. Drmic und der wiedergenesene Traoré begannen im Angriff.
Borussia spielte erneut mit dem nach dem Sieg gegen die Bayern viel besungenen 3-5-2. Was zunächst gut funktionierte, die in den Wochen vor dem Spiel leicht kriselnde Bayer-Truppe tat sich in der ersten halben Stunde schwer, vor das Tor von Yann Sommer zu kommen. Borussias Defensive stand solide. Offensiv hingegen lief fast gar nichts, eine einsame Chance von Drmic war die Ausbeute. Traoré kam in seinem Comeback-Spiel überhaupt nicht zum Zug, er war zwar wie immer emsig unterwegs, kam aber nur zu einem Torschussversuch. Ebenso Drmic, auch für ihn gilt: Bemüht, aber ohne große Auswirkungen.
Was auch schwer war, denn die Bayer-Defensivabteilung schwang sich zu einer Monster-Pressing-Leistung auf und unterband wirkungsvoll die Offensivbemühungen der Fohlenelf.
Fast aus dem berühmten »Nichts« fiel dann in der 30. Minute das 1:0 für Bayer 04. Nach einer Flanke von Hilbert ließ Jantschke den reinrotierten »Bankdrücker« Kießling aus den Augen, der sich bedankte und ungestört einköpfte. Mit 1:0 ging es in die Halbzeit.
Mit André Schubert haben bei Borussia neue Auswechselsitten Einzug gehalten. Wenn etwas nicht funktioniert, wird umgehend ausgetauscht. So auch dieses Mal. Raffael kam trotz Zehenverletzung ins Spiel für Traoré, Elvedi ersetzte den angeschlagenen (und auch etwas indisponierten) Jantschke. Was aber auch nichts am Spiel änderte. Bayer legte noch einmal »einen Zahn zu« und drückte zunehmend auf das Tor der Borussia. Mit Glück und Geschick verteidigte Borussia aber zunächst das eigene Tor, kam ab und an auch offensiv vor das der Leverkusener. Ein Pfostenfreistoß von Raffael war aber die einzige Offensivausbeute in Tornähe dieser Bemühungen.
Und dann brachen bei Borussia, wie im Spiel gegen ManCity, erneut alle Dämme und Sommer kam kaum nach mit dem Bälle aus dem Tor holen. Chicharito und Sturmpartner Kießling rührten eine für Borussia ungenießbare 13-Minuten-Terrine an und packten reichlich Knall-Erbschen rein…
Nach einem Gladbacher Einwurf(!) eroberte Bayer den Ball, Kießling und Chicharito spielten einen hübschen Doppelpass mit Hacke, und am Ende machte Chicharito im Strafraum Elvedi nass – 2:0! Und zwei Minuten später: Ecke für Leverkusen, Kopfball Kießling – 3:0. Das neunte Standardgegentor unter Schubert…
Zehn Minuten später. Nach einem Klärungsversuch von Sommer verlor Elvedi den Ball gegen Kießling, der passte auf sein »Knallerbschen« Chicharito, der sich samt Ball in aller Ruhe einmal um sich selbst drehen und zum 4:0 abschließen konnte. Und wieder nur eine Minute später spielte Kampl einen langen Ball auf den Flügel zu Bellarabi. Der flankte in die Mitte zu Chicharito, und das torhungrige Erbschen vollendete mühelos seinen dritten Treffer zum 5:0-Endstand.
Mit ernüchternden 9 Gegentoren in zwei Spielen beendet Borussia diese englische Woche, die mit dem 3:1 gegen Bayern doch so grandios begann…
- Seitenwahl – Platt gemacht. Sieht im Kräfteverschleiß der englischen Wochen das Hauptproblem.
- Torfabrik – Mund abwischen. Da werden nach nur zwei Niederlagen schon wieder die typischen Durchhalteparolen wie »Mund abwischen…« ausgepackt.
- Spielverlagerung – Schmidts Bewegungsspiel und Pressing reduzieren Schubert-Effekt und Mannorientierungen. Kann diesmal nicht schlüssig erklären, warum Borussia eigentlich fünf Stück kassierte, außer: Chicharito!
Und nun?
Allenthalben wird »Müdigkeit« und »Kräfteverschleiß« als Begründung angeführt (z.B. bei Seitenwahl). Nur hatte Leverkusen genauso viele Spiele, Spieler wie Kampl, Bellarabi, Chicharito, Toprak oder Tah haben auch fast jedes Spiel gemacht. Und flogen diese Woche einen Tag nach Borussia gegen Barça B aus der CL raus, hatten also einen Tag weniger zur Regeneration und mussten die große Enttäuschung verarbeiten.
Im Gegensatz dazu haben die wenigsten Gladbacher Spieler wirklich immer gespielt. Ein Elvedi z.B. hatte nur 5 Einsätze in der Hinrunde, ein Dahoud 16 (davon 11 mal Startelf), ein Nordtveit 12 Spiele (7 mal Startelf). Das sollte für Fußballprofis, englische Woche hin oder her, zu verkraften sein. Leverkusen hatte den festen Willen, trotz englischer Wochen und Enttäuschungen, es den Kritikern mal richtig zu zeigen. Dem hatte Borussia gestern kaum etwas entgegen zu setzen.
Man kann bei einer Mannschaft wie Leverkusen mal auswärts verlieren, ohne dass das gleich ein Drama ist, das ist ja überhaupt keine Frage. Gerade nach so einer glorreichen Erfolgsserie. Dass die Mannschaft sich aber zweimal hintereinander innerhalb weniger Minuten ohne größere Gegenwehr den Kasten vollschießen ließ, ist schon ein wenig bedenklich. Man weiß nicht so recht, was man davon halten soll…
»Kräfteverschleiß« als alleiniger Erklärungsansatz greift da zu kurz. Vielleicht ist es auch, mit den vielen Verletzungen und den dafür nachrückenden Nachwuchskräften, die wohl oder übel spielen mussten, am Ende dann doch eine Qualitätsfrage. Vielleicht hat der verletzungsbedingte »Feldversuch« nun bewiesen, dass es nur mit talentierten Nachwuchskräften alleine auf diesem Niveau nicht geht. Was dann ein wertvoller Wink für die Kaderplanung der nächsten Saison geben kann, und damit war die »englische Klatschenwoche« mit der schwer verdaulichen »13-Minuten-Terrine« aus dem Chemiewerk dann vielleicht doch für etwas gut…
Was mir gestern in Twitter wieder einmal auffiel: Das Gladbacher Fanumfeld ist eine Sekte, jegliche kritische Anmerkung zum Rasengeschehen wird mit Sprüchen wie »ja, Schubert raus, alle raus« abgebügelt. Wie schon zu Saisonbeginn die Favre-Klatschen wird die Packungswoche schön geredet, fehlte eigentlich nur noch dass jemand in der Abwehrleistung von gestern »gute Ansätze« entdeckt…
Verehrte Mitborussinnen und Mitborussen, »wir wissen wo wir herkommen denn wir stiegen ja mal ab«, »die Seele brennt« oder »Gladbach ist der geilste Klub der Welt« ist zwar schön, beantwortet aber nicht die Frage, warum wir in zwei Spielen und 18 Minuten 9 Gegentore kassieren konnten…
Weiter weiter!
Nach der harten englischen Woche bietet die nächste auf dem Papier leichtere Aufgaben an. Dienstag geht es im DFB-Pokal gegen den etwas indisponierten SV Werder Bremen, Samstag kommt der frisch von Hertha niedergebügelte Aufsteiger Darmstadt 98 in den Borussia-Park. Gute Gelegenheiten, um wieder auf den Pfad des Erfolges zurück zu kehren…