Die kippende Euphorie: Sevilla FC vs Borussia Mönchengladbach 3:0

Spielbetrieb

Bild: CL-Dekoration am Borussia-Park

Endlich war es soweit! Der Moment auf den alle, die es mit Borussia Mönchengladbach halten, monatelang hingefiebert hatten, war da: Das erste Spiel in der Champions League stand auf dem Programm, auswärts bei Sevilla FC. Mit großen Europapokalabenden sollte geerntet werden, was mit der besten Rückrunde der Bundesliga gesät wurde…

Das Ergebnis sollte auch die letzten Anhänger der »vorübergehende-Formschwäche«-Theorie gründlich desillusioniert haben. Wer »hey, nach dem grottigen Auftritt gegen den HSV kann es nur besser werden« dachte, wurde eines Schlechteren belehrt…

Das Spiel

Lucien Favre brachte die HSV-Elf in Sevilla auf den Rasen, mit einer Ausnahme: Für den verletzten Stranzl kam Traoré. Stindl wechselte nach dem komplett misslungenen Experiment auf dem Flügel gegen den HSV zurück auf die Doppel-Sechs neben Nordtveit, Hazard durfte sich neben Raffael als Mittelstürmer versuchen.

Von Beginn an bot die Borussia-Defensive das aus den bisherigen Saisonspielen gewohnte Bild des Chaos. Sevilla, selbst mit 2 Punkten aus 3 Spielen nicht gerade überragend in die Liga gestartet, wusste mit dem zunächst nicht viel anzufangen und liess diverse Großchancen liegen. Borussia konterte ein paar Mal und es sah dabei »in Ansätzen« wieder nach Fußball aus. Die aus den bisherigen Spielen bekannte Harmlosigkeit vor dem Tor blieb aber bestehen.

Es glich einem kleinen Fußball-Wunder, dass es mit 0:0 in die Kabine ging. Denn wer permanent die spanische Offensiv-Armada im eigenen Strafraum rumsegeln lässt, wartet ja praktisch auf Gegentore. Borussias Defensive hatte keinen geplanten Spielaufbau aus der Abwehr heraus zu bieten. Geklärte Bälle wurden nur ins Mittelfeld gepöhlt, wo sie umgehend wieder verloren gingen. Kurz vor der Pause hatte Jantschke nach einer Ecke sogar die Chance zur Führung, was den Spielverlauf ordentlich auf den Kopf gestellt hätte.

In der zweiten Halbzeit war das Glück aufgebraucht. Nach zwei Minuten gab es ein Elfmetergeschenk für Sevilla, das man als ausgleichende Gerechtigkeit für einen nicht gegebenen Elfer in der ersten Halbzeit werten könnte. Vitolo nahm »eine Berührung« wahr und fiel, Gameiro verwandelte - 1:0 für Sevilla.

Drei Minuten später holte Brouwers Vitolo erneut von den Beinen, diesmal ein klarer Elfer. Und Gameiro verschoss – das Glück zeigte sich doch noch mal. Wer dachte »hey, der Weckruf«, sah sich getäuscht. Zwei, drei harmlose Angriffe ohne große Torgefahr war alles, was heraus sprang. Sevilla setzte die Belagerung im Strafraum fort, und so kam was kommen musste – Elfmeter Nummer 3. Jantschke fällte Gameiro und Banega verwandelte. 0:2, nach 67 Minuten war das Spiel de facto beendet.

Unterm Strich eine weitere schwache Leistung. Somit hat die Borussia in 5 Pflichtspielen 2015/16 ganze 2 Tore geschossen und 14(!) kassiert – was für ein Absturz!

Wenig souverän waren auch die Auftritte der Verantwortlichen nach dem Spiel. Lucien Favre schoss sich erneut auf Vitolo ein, Max Eberl reagiert von TV-Auftritt zu TV-Auftritt auf kritische Nachfragen biestiger und wollte bei Sky »gute Ansätze« gesehen haben…

Und nun?

Es bleibt das große Rätsel dieser Saison: Wie konnte der 66-Punkte-Tabellendritte-Rückrundenmeister über den Sommer in einen solchen Zustand geraten?

Die Abwehr ist löchrig, der Sturm präsentiert sich harmlos, und das in fast jeder beliebigen personellen Kombination.

Die größte Baustelle scheint das defensive Mittelfeld nach dem Kramer-Abgang zu sein. Ein Problem, das schon in der Saison-Vorschau dieses kleinen Blogs so erwartet wurde. Auch die Doppel-Sechs-Besetzung Nordtveit/Stindl stand in Sevilla komplett neben sich. Unerklärlich ist die Verunsicherung von Lars Stindl, es scheint als habe ihm Favres Geschiebe von Position zu Position jegliches Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten genommen. Wer sich erinnert, wie jener Stindl letzte Saison Hannover 96 als »Babo auf dem Rasen« gerettet hatte und ihn heute spielen sieht, käme nie auf die Idee, dass das der selbe Spieler ist…

Auch Favres Handeln in der Offensive scheint rätselhaft. Trotz Torflaute wird das Ohne-Stürmer-Spiel in jedem Spiel trotzig durchgezogen. Mit Drmic und Hrgota hatte Favre in Sevilla zwei Stürmer auf der Bank verfügbar. Drmic kam in der 83. Minute beim Stand von 0:3…

Und jetzt steht das Boykott-Derby vor der Tür. Das man gewinnen müsste. Die Frage ist nur: Wie? Und wer?

Eine große Herausforderung für Lucien Favre. Selbiger hat selbstverständlich noch genug Kredit, aber man kann sich schon fragen, wie es zu der umfassenden Formschwäche kommen konnte. Für solche Dinge ist letztendlich der Trainer verantwortlich. Es ist Lucien Favre zuzutrauen, dass er wie so oft die funktionierende Lösung findet. Aber allzu lange sollte das nicht mehr dauern, wenn nach der CL-Euphorie nicht die ganze Saison in eine vor wenigen noch undenkbare Richtung kippen soll…

Das Echo