»Football without the fans is nothing« – Zum 30. Todestag von Jock Stein

Ballkultur

Bild: Celtic Park, Glasgow, Plastik von Jock Stein vor dem Eingang Jock Stein war der legendäre Trainer von Celtic und der schottischen Nationalmannschaft. Auf der gesamten Insel wird Jock Stein als Trainerlegende verehrt, der Masse der deutschen Fußballfans ist er aber weitestgehend unbekannt.

Heute vor 30 Jahren, am 10. September 1985, starb Jock Stein während des Qualifikationsspiels zur Fußball-WM 1986 zwischen Wales und Schottland »im Dienst« als schottischer Nationaltrainer. Dass er buchstäblich die letzten Sekunden seines Lebens auf einem Fußballplatz verbrachte, ist typisch für einen Mann, der »den Fußball lebte« und über den Sir Alex Ferguson einmal sagte:

»I am proud to say that I knew Jock Stein as a manager, as a colleague and as a friend… he was the greatest manager in British football… men like Jock will live forever in the memory.«

Der Spieler

Der 1922 geborene Jock Stein arbeitete unter Tage in den Kohleminen Lanarkshires und wurde Berufsfußballer beim lokalen Team Albion Rovers, um nicht mehr unter Tage arbeiten zu müssen. Nach einem kurzen Abstecher nach Wales wechselte er 1951 zu Celtic. Ursprünglich als Reservespieler eingekauft, gelang ihm schnell der Sprung in die Mannschaft, und schon 1952 war er Celtics Kapitän. Ab 1955 wurde er von Knieproblemen geplagt, so dass er 1957 seine aktive Karriere beendete. [Foto: The Celtic Wiki, Creative Commons Attribution-NonCommercial-Share Alike 3.0 License, thanks!] Bild: Jock Stein als Spieler (links)

Da Steins soziale Herkunft protestantisches »Rangers-Milieu« war, wandten sich Freunde und Familie teilweise von ihm ab, als er zu Celtic wechselte. Das machte ihn zu einem Gegner des zwischen Rangers und Celtic stets präsenten politischen und religiösen »Sektierertums«. So hüpfte er einmal nach einem Spiel ins Publikum und fragte ebensolche Lieder anstimmende Celtic-Fans:

»Surely there are enough Celtic songs without introducing religion or politics or anything else?«

Schon als Spieler reiste er 1954 zur Fußball-WM in die Schweiz, beobachtete die Spiele der schottischen Mannschaft und lernte von den Spielen anderen kontinentaler Teams, insbesondere von den damals als bestes Team der Welt geltenden Ungarn.

Der Celtic-Trainer

Nach seinem Karriereende als Spieler trainierte Jock Stein 1957 die Celtic-Reserve. Als Protestant hatte er aber das Gefühl, bei Celtic nicht weiter zu kommen, da dort bisher alle Trainer Katholiken waren. So wechselte er 1960 zu Dumfernline und gewann 1961 prompt den schottischen Pokal. 1964 wechselte er in die Hauptstadt Edinburgh zu Hibernian.

Die schottische Fußball-Fachwelt hatte längst mitbekommen, dass Stein in seinen Trainingsmethoden und seinem Verständnis des Spiels den »normalen« Trainern der 60er Jahre weit voraus war. So kam im Mai 1965 Celtic, dass gerade eine weniger gute Phase erlebte, reumütig an und bot ihm, als ersten Protestanten der Vereins-Geschichte, die Position des Cheftrainers an. Stein sagte natürlich zu und gewann auch gleich den schottischen Pokal.

In der folgenden Saison 65/66 kehrte Celtic an die Spitze zurück und gewann erstmals seit 1954 wieder die schottische Meisterschaft. Außerdem zog Celtic bis ins Halbfinale des Europapokals der Pokalsieger ein.

Mit der Stärke des Erfolgreichen krempelte Jock Stein Celtic um. Der vorherige Trainer war mehr oder weniger Befehlsempfänger des Vereinsvorstand gewesen. Stein setzte durch, das in Fragen der Zusammenstellung der Mannschaft und allen sonstigen sportlichen Fragen nur der Trainer das sagen haben sollte.

Stein war einer der ersten modernen Trainer, wie wir sie heute kennen. Er trainierte viel mit dem Ball, führte Spezialtraining für Torhüter ein, und er analysierte methodisch Lauf- und Passwege der Spieler (mit Papier und Stift, versteht sich). Und stellte ein Team aus lokalen Spielern der Region Glasgow zusammen, dass zur besten Elf der Vereinsgeschichte werden sollte.

Als Meister 1966 war Celtic 65/66 im Europapokal der Landesmeister am Start. Und sie marschierten durch bis ins Endspiel und gewannen als erste Mannschaft von der britischen Insel den Vorgängerwettbewerb der Champions League im Lissaboner Finale gegen Inter Mailand:

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Gefragt wie er das gemacht habe, liess Jock Stein eines seiner vielen legendären Zitate vom Stapel:

»We did it by playing football. Pure, beautiful, inventive football.«

Das siegreiche Team ging als »Lisbon Lions« in die Vereinsgeschichte ein.

Celtic gewann unter Jock Stein neunmal hintereinander von 1966 bis 1974 die Meisterschaft. Mit dem Europapokalsieg, 10 Meisterschaften, 8 Pokal- und 6 Ligapokalsiegen (dabei zweimal das »Triple«) war die Ära Stein die erfolgreichste der Vereinsgeschichte. Ähnlich der Fohlenelf der Siebziger in Gladbach, ist diese Phase bis heute identitätsbildend für den Verein Celtic. Wer einmal den Celtic Park besucht, stolpert praktisch an jeder Ecke über Erinnerungen an Jock Stein und seine »Lisbon Lions«.

1978 war das unter Jock Stein sieggewohnte Celtic nur noch Fünfter, und der Vorstand wollte ihn in den Vorstand »hinwegbefördern«. Was Stein mit den Worten ablehnte:

»I’m sorry to leave but I just could not be a salesman.«

Der Schottland-Trainer

Stattdessen wurde Jock Stein 1978, nach einem kurzen Zwischenspiel in England, schottischer Nationaltrainer. 1982 gelang die Qualifikation für die Fußball-WM in Spanien, und Schottland war 1985 auf einem guten Weg, auch bei der WM 1986 in Mexiko dabei zu sein.

An jenem schicksalsträchtigen 10. September 1985 kam es zum Showdown der WM-Qualifikation in Cardiff gegen Wales. Schottland brauchte einen Punkt, um mindestens einen Play-Off-Platz sicher zu haben. Wales ging 1:0 in Führung:

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In der letzten Trainer-Entscheidung seines Lebens wechselte Stein in der 60. Minuten jenen Cooper ein (für den heutigen schottischen Trainer Gordon Strachan), der dann in der 81. Minute per Handelfmeter den benötigten Punkt sicher stellte. Nach dem 1:1-Elfmeter brach Jock Stein auf der Trainerbank zusammen, wurde in die Kabine getragen und starb 30 Minuten nach dem Schlusspfiff noch im Stadion.

Stein, am Tage des Spiels 63 Jahre alt, hatte eine angegriffene Gesundheit. Manche schreiben, er hätte einen Herzinfarkt erlitten, andere dass er vergass ein notwendiges Medikament zu nehmen. Wie auch immer, der Tag des schottischen Triumphs wurde von der großen Tragödie überschattet, ein schottischer Fan schrieb:

»We'd rather be out of the World Cup and have Big Jock back.«

Die Legende

Wie schon erwähnt, als größter aller Celtic-Trainer ist Jock Stein bis heute unvergessen und bei Celtic stets präsent. Vor dem Stadion steht eine Bronze-Statue, die ihn mit dem Europapokal der Landesmeister in den Händen zeigt.

Bild: Celtic Park, Glasgow, Plastik von Jock Stein vor dem Eingang

Von den Fans wurde er 2002 zum größten Celtic-Trainer aller Zeiten gewählt und wird regelmäßig in Choreos gefeiert, wie hier 2010 zum 25. Todestag:

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Was kein Wunder ist, ist doch von den vielen zitierfähigen Sprüchen, die Jock Stein hinterlassen hat, der berühmteste jener, der auf dem Sockel seiner Statue vor dem Stadion steht:

»Football without the fans is nothing.«