Saisonstart der Scottish Premiership, oder: »Hey, erklär’ mir die schottische Liga!«

Spielbetrieb

Am Wochenende startet die erste Liga Schottlands in ihre 119. Saison. Seit ich vor ein paar Jahren erstmals in Schottland war, beobachte ich diese. Sportlich ist sie im Vergleich zu Bundesliga und Co. eher bescheiden, doch die große altehrwürdige Fußball-Tradition und der Touch der »guten alten Fußball-Zeit«, die dort in jedem Stadion zu spüren sind, faszinieren mich ebenso wie die (fast) stets freundliche und auf das Spiel fixierte Atmosphäre. Und für die englische Premier League kann sich schließlich jede(r) interessieren, als »Fußballnerd von Welt« muss man eine exotische Liga im Portfolio haben! Werfen wir also einen Blick auf die Schottische Liga und ihre Protagonisten…

Die Scottish Premiership

Die »Premiership«, wie die erste schottische Liga seit 2013 heißt, spielt 38 Spieltage mit 12 Vereinen, in einem etwas seltsamen Modus, den die vollständige Wikipedia erklärt und der 5 Spieltage vor Schluss zu einer Teilung in zwei Ligen à 6 Teams führt.

Der Tabellenerste nach 38 Spieltagen wird Schottischer Meister und »darf« alle Runden der Champions-League-Qualifikation durchspielen. Titelverteidiger ist der Celtic FC aus Glasgow.

Der Zweit- und Drittplazierte (in der Vorsaison der Aberdeen FC und die Highlander von Inverness Caledonian Thistle) sowie der Pokalsieger dürfen die Europa-League-Quali spielen. Der Letzte steigt ab in die zweite Liga, die »Scottish Championship«. Und der Vorletzte muss eine Play-Off-Relegation gegen die Vereine auf den Rängen 2 bis 4 der Championship spielen.

Die europäischen Quali-Runden laufen ja schon ein paar Wochen. St. Johnstone, für Pokalsieger Inverness aufgerückt, ist peinlich gegen den armenischen Vertreter Alashkert FC ausgeschieden. Ebenso Inverness gegen Astra Giurgiu aus Rumänien. Immerhin ließ Aberdeen aufhorchen, die das in der EL enorm heimstarke Rijeka aus Kroatien mit einem glorreichen 3:0-Auswärtssieg ausschalteten, den ihnen wohl vorher niemand zugetraut hatte.

Die mäßigen Quali-Ergebnisse zeigen schon den Stellenwert der schottischen Liga, sie ist nicht gerade eine europäische Topliga. Glaubt man den Marktwertschätzern von transfermarkt.de, so haben alle Spieler der Scottish Premiership zusammen einen geringeren Marktwert als bspw. der Kader von Borussia Mönchengladbach.

Der Favorit – Celtic FC

Bild: Celtic Park, Glasgow

Von den 119 ausgespielten schottischen Meisterschaften gingen 101 an ein Team aus Glasgow. 54 Titel gingen an die Rangers, 46 an Celtic, und einer an das 1967 aufgelöste Team Third Lanark. Letzteres ist Premium-Small-Talk-Wissen für das gepflegte Fußballnerd-Gespräch in der FC Magnet Bar…

Und es ist ebenso sicher wie die Deutsche Meisterschaft für Bayern dass es 2015/16 die 102. Meisterschaft für ein Team aus Glasgow gibt, nämlich für das letzte der drei Glasgower Meisterteams in der ersten Liga: Celtic.

Celtic steckt in einem Umbruch, letzte Saison kam mit Ronny Deila ein neuer Trainer vom schwedischen Überraschungsteam Strømsgodset IF und verpasste Celtic ein modernes europäisches laufintensives Spielsystem. Deila hatte mit der gleich zweifach verpassten CL-Quali einen schwierigen Start, »Deila out« tobte es schon nach wenigen Wochen durch Twitter.

Deila baute den Kader um, indem er u.a. die Offensive von Dundee United leer kaufte. Mit Nadir Ciftci, Gary Mackay-Steven und Stuart Armstrong spielen heute gleich drei der am kürzlich gebloggten Derbysieg von Dundee United beteiligten Leistungsträger bei Celtic. Letztere beiden gehören, mit dem Stürmer Leigh Griffiths, zum »neuen« schnellen fitten Offensivspieler-Typ den Deila bevorzugt. Und zu den vielversprechendsten schottischen Talenten.

Bis zum Winter war die Liga erstaunlich eng an der Spitze, als Deilas System aber langsam funktionierte und Celtic ins Rollen kam, war die Meisterschaft eine klare Sache. Mit 17 Punkten Vorsprung holte sich Celtic die »Silverware«, zum 4. Mal hintereinander.

Die großen Abwesenden: Glasgow Rangers

Celtics Dominanz liegt auch daran, dass Celtic mit dem Lokalrivalen Rangers der »ewige Gegner« abhanden gekommen ist. Diese mussten wg. Bankrott bis in die vierte Liga hinunter, sind mittlerweile in der zweiten Liga angekommen und verpassten den Aufstieg in der Relegationsrunde, als sie vom FC Motherwell in zwei Spielen mit insgesamt 1:6 demontiert wurden. Auch aktuell ereignen sich bei den Rangers groteske Dinge in Sachen Finanzen, im Januar 2015 waren sie schon wieder kurz vor dem erneuten Bankrott.

Somit werden die »Bhoys« von Celtic die Liga auf absehbare Zeit so dominieren wie Bayern die Bundesliga. Gut die Hälfte des Marktwertes aller Spieler der Premiership geht auf das Konto von Celtic. »Deutsche Verhältnisse« in Schottland.

Die »Verfolger«

Bild: Tynecastle Stadium, Edinburgh, Heart Of Midlothian

Aberdeen FC

Hoffnungen auf einen Celtic-Konkurrenten machen am ehesten die »Dons« vom FC Aberdeen. Letzte Saison lange Zeit nahe an Celtic dran, wurden die Dons am Ende deutlich distanziert, nicht zuletzt durch vier Niederlagen in den direkten Duellen mit Celtic.

Nach der starken Vorstellung in der EL gegen Rijeka gedeihen aber Hoffnungen, diese Saison wieder der Celtic-Konkurrent zu werden. Die Leistungsträger blieben bis auf Torhüter Ward (war eine Leihgabe von Liverpool) alle an Bord, von Konkurrent Inverness wurde Außenverteidiger Graeme Shinnie abgeworben. Und die auf der Insel beliebten »Pundits« in den Medien schreiben die Spannung zwischen Celtic und Aberdeen geradezu herbei. Wenn Celtic »schwächelt« werden die Dons zur Stelle sein, bei einem normalen Saisonverlauf sollte es aber wieder Rang 2 werden.

Aberdeens Hauptproblem scheinen eher die frechen Möwen in ihrem Stadion an der Nordseeküste zu sein, deshalb wurde ein Falke verpflichtet, als Abwehrchef gegen die Möwen, liest man…

Inverness Caledonian Thistle

Die Highlander vom Loch Ness, Inverness Caledonian Thistle, sind der große »Außenseiter«. In der Vorsaison endeten sie auf Rang 3, und bezwangen Celtic im Halbfinale des Pokals, um selbigen dann zu gewinnen. Das waren die beste Liga-Position und der größte Erfolg der Vereinsgeschichte, Coach John Hughes wurde Trainer des Jahres. Es spricht nichts dagegen, dass Caley Thistle wieder eine gute Rolle spielt, für die Meisterschaft müsste bei Celtic und Aberdeen schon eine Menge schief laufen. Europa könnte aber wieder drin sein.

Heart Of Midlothian

Der glorreiche Hauptstadtklub aus Edinburgh, Heart Of Midlothian, stieg wg. finanzieller Kalamitäten ab und musste ein Jahr in der zweiten Liga einlegen. Und stieg mit einer beeindruckenden Bilanz von 29 Siegen aus 36 Spielen wieder in die Premiership auf. Da die Finanzen wieder geordnet sind, und wg. der starken Vorstellung in der Championship, gelten sie als »Geheimfavorit« für einen europäischen Platz unter den ersten Drei.

Das Mittelfeld

Bild: Dens Park, Dundee FC

Dundee United

Die »Terrors« von Dundee United lagen zur Halbzeit der Vorsaison hervorragend im Rennen um einen europäischen Platz, mussten aber in der Wintertransferphase ihre Leistungsträger Mackay-Steven und Armstrong an Celtic verkaufen. Danach brachen sie fürchterlich ein und rutschten noch auf Platz 6 ab. Was für ordentlich Frust bei den Anhängern sorgte (wobei auch finanzielle Verwicklungen des Trainers McNamara an den Transfers kolportiert wurden), der in der Sommerpause durch den Verkauf von Stürmer Ciftci an Celtic nicht weniger wurde. Einige Fans fürchten schon den Abstiegskampf, es wird leider eine schwere Saison für Dundee United werden, wenn nicht wieder junge Talente aus dem Hut gezaubert werden.

Eines dieser Talente, U21-Nationalspieler Robbie Muirhead, sorgt aktuell mit seiner Nominierung beim UEFA »Goal of the season« zwischen Granden wie Messi, Ronaldo und de Bruyne für Aufsehen. Voten Sie jetzt bitte für den jungen Herrn Muirhead, Danke!

St. Johnstone

Die »Saints« aus Perth sind nach einer guten Saison auf Rang 4 vor den beiden Dundees gelandet und wg. des Pokalsiegs von Inverness in die EL-Quali gerutscht. Nach dem Ausscheiden in der ersten Runde gegen ein Team aus Armenien(!) ist von der Freude darüber allerdings nicht mehr viel übrig. Nach dem Aufstieg von Hearts wird es schwer für die Saints, wieder in den Top 4 zu landen.

Dundee FC

Der andere Dundee-Klub, der Dundee FC, genannt »The Dees«, quälte sich nach der Derby-Packung durch die Saison und landete so gerade mit einem Punkt Vorsprung auf Hamilton in den Top 6. In die Top 6 zu kommen dürfte auch diese Saison wieder das Ziel sein.

Mit Torjäger Greg Stewart haben die Dees einen interessanten Shooting-Star in ihren Reihen, der erst 2014 Vollprofi wurde und vorher in einer Raffinerie arbeitete und unterklassig als »Feierabend-Profi« spielte.

Hamilton Academical

Die »Accies« aus der kleinen Stadt Hamilton waren der Sensationsaufsteiger des Jahres 2014, als sie die Hibernians aus Edinburgh in der Relegation in die zweite Liga kickten. Hamilton spielte einen gepflegten modernen Fußball und verpasste nur knapp die Top 6. Was wohl seinen Grund darin hatte, dass sie im Januar ihren Aufstiegshelden, Spielertrainer(!) Alex Neil, zu Norwich City in die Premier League ziehen lassen mussten.

Der Kampf um den Klassenerhalt

Partick Thistle

Partick Thistle, ein kleiner Vorortklub aus Glasgow, wird froh sein, wenn sie die Klasse halten können.

Für Furore sorgten die »Jags« kürzlich im Internetz durch ihr neues groteskes Maskottchen namens Kingsley (Bild von Andrew Hendo in Wikimedia Commons):

Bild von Kingsley, Maskottchen von Partick Thistle

Kilmarnock FC

Kilmarnock, der älteste Profi-Klub in Schottland, hat schon bessere Zeiten erlebt, zuletzt gewannnen sie 96/97 den Pokal und 2007 den Liga-Pokal. Für Killie wird es um eine »ruhige Saison« ohne Abstiegssorgen gehen. Zweifellos haben sie aber das coolste Wappen der gesamten Liga, denn was ist cooler als »zwei Eichhörnchen an einem Fußball und zwei Finger dahinter« (Bild Wikimedia Commons)?

Wappen Kilmarnock FC

Ross County

Ross County ist der zweite Klub aus den schottischen Highlands in der Premiership und der Lokalrivale von Inverness. Gelten seit ihrem Aufstieg 2012 stets als einer der heißesten Abstiegskandidaten, rissen sich aber bisher ebenso stets zusammen wenn es drauf ankam, drin zu bleiben.

Motherwell FC

Die »Steelmen« aus Motherwell mussten letzte Saison in die Relegationsrunde und hielten, s.o., souverän gegen die Rangers die Klasse. Haben als 129jähriger Traditionsverein und Mitglied der »European Club Association« und mehrfacher Europapokalteilnehmer eigentlich andere Ambitionen als nur den Klassenerhalt.

Los geht’s!

Die Premiership wird Samstag 13:45 MESZ mit dem Spiel Celtic vs. Ross County eröffnet, dem traditionellen »Flag Day« des Meisters. Der schottische Meister (und auch Hearts als Sieger der Championship tags drauf) zieht eine »Meisterflagge« der schottischen Fußballliga SPFL im Stadion hoch. Diese weht dann dort so lange, bis der nächste Meister gekürt wird.

TV-Übertragungen in Deutschland gibt es so gut wie nicht, gelegentlich zeigte Sportdigital in Deutschland vereinzelte Spiele, meistens wenn Celtic beteiligt war.

Selbst in Britannien gibt es nicht jedes Spiel zu sehen, die meisten Vereine unterhalten deshalb eigene kommerzielle Internet-TV-Sender um die Anhängerschaft mit Bildern zu versorgen, wie Celtic TV, Hearts TV oder die »Arab Zone« von Dundee United.

Die beste Adresse für den deutschen Schottenfußball-Gelegenheitsgucker ist der offizielle Youtube-Channel der schottischen Fußballiga SPFL, der kurz nach den Spieltagen Zusammenfassungen der Spiele bereit stellt.