Derby in Dundee: Dundee United vs Dundee FC 6:2 – 1.1.2015
Vorbemerkung: Dieser »Groundhopp« liegt schon einige Monate zurück, aber zum einen existierte »der ballreiter« damals noch nicht, und zum anderen war es, wie man im Fußball so sagt, »Stand heute« der »exotischste« Stadionbesuch des Jahres.
Auf der Insel gibt es eine gute alte Tradition: Die Fußballligen spielen dort ohne Winterpause durch, und an den Spieltagen rund um die Weihnachtstage und Neujahr gibt es Derbys. Eines davon, das traditionsreiche Derby in Dundee, ist eines der interessantesten Stadtduelle im Weltfußball, liegen doch die beiden Stadien der Rivalen nur wenige hundert Meter voneinander entfernt in der Tannadice Street in Dundee, Schottland.
Da sich »Team ballreiter« über den Jahreswechsel in Schottland aufhielt und das Dundee-Derby für den Neujahrstag 12:15 Uhr angesetzt war, und das zum ersten Mal am Neujahrstag seit 1983, war klar: Neujahrsderby in Dundee, da muss man hin!
Nach Dundee
Was sich als gar nicht so einfach heraus stellte. Die Jahreswechselfeierlichkeiten, in Schottland »Hogmanay« genannt, verbrachte »Team ballreiter« in Edinburgh, etwa 95 km von Dundee entfernt. Das Problem dabei: Am Neujahrstag fahren in Schottland keine Züge, denn »everybody is drunk«, wie uns der freundliche Mitarbeiter der britischen Eisenbahn beschied. Einzige Möglichkeit: Ein teurer Fernbus, Abfahrt 8:20 in Edinburgh.
So war es dann auch. Zusammen mit einigen übernächtigten Gestalten, die von der abendlichen Hogmanay-Party auf den Straßen Edinburghs übrig geblieben waren, ging es früh am Neujahrstag in den Bus. Nach einer Fahrt über menschenleere Straßen Richtung Norden wurde pünktlich das Ziel in Dundee erreicht. Die alte Hafen- und Textilstadt am Firth of Tay präsentierte sich am Neujahrsmorgen wie ausgestorben, weit und breit niemand zu sehen. Nichts deutete darauf hin, dass hier in 2 Stunden ein Derby in der ersten schottischen Liga ausgetragen werden sollte.
Dundee United
Dundee United spielt seit 1909 im Tannadice Park. United stand in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stets im Schatten des Rivalen FC. Erst Jerry Kerr (man sieht auf dem Foto oben die nach ihm benannte Tribüne) coachte United in den 60ern in die erste schottische Liga. In den 80ern folgte unter Jim Mc Lean die erfolgreichste Ära für United. Auf zwei Liga-Pokal-Siege folgte 1982/83 die erste und einzige Schottische Meisterschaft und viele Jahre im Europapokal, wo man sogar 1987 den ruhmreichen FC Barcelona im Viertelfinale des UEFA-Cups besiegte. Ein Kunststück, das in den 60ern schon einmal gelungen war, United ist »gegen Barça unbesiegt«.
Aus dieser Zeit, den 80ern, stammt auch meine erste Berührung mit Dundee United. Zweimal spielte Borussia Mönchengladbach gegen United im Europapokal und zweimal zog man den Kürzeren, 1981 mit einer für mein damaliges jugendliches Ich schockierenden 0:5-Auswärtsklatsche in eben jenem Tannadice Park, dessen Besuch am Neujahrstag anstand.
Im Tannadice Park
In der Geschäftsstelle lagen die von Deutschland aus telefonisch bestellten Tickets zur Abholung bereit, die haben drüben in Dundee einen besser funktionierenden Service in dieser Hinsicht als manch ein Zweitligist bei uns vor der Haustür…
Wie erwähnt, Uniteds Tannadice Park liegt nur wenige hundert Meter auf der selben Straße entfernt vom Dens Park, dem Stadion des Lokalrivalen und Derby-Gegners Dundee FC, was dieses Derby so besonders macht:
Wenn man vor dem Stadion herumlungert, kann es passieren, dass einem das Team vom Dundee FC über den Weg läuft (Bild unten, links ist der Dens Park zu sehen), das den Weg zum Auswärtsspiel, im Trainingsanzug und mit Herrentoilettentaschen ausgestattet, zu Fuß erledigt.
Anders als in Deutschland ist es in Schottland nicht üblich, sich länger als notwendig im Stadion aufzuhalten. Da es im Stadion nichts zu trinken gibt (sprich, kein Bier) findet das Treffen vor dem Spiel in den umliegenden Pubs statt. Das Stadion öffnet erst eine dreiviertel Stunde vor Spielbeginn, wenn die Spieler sich schon warm machen, und die Tribünen füllen sich erst unmittelbar vor Spielbeginn.
Im Inneren atmet das Stadion den Charme der guten alten Fußball-Zeit. Durch enge »Turnstiles« (Drehkreuze) geht es hinein, stilistisch dominieren die 70er und 80er Jahre. Den letzten größeren Umbau gab es in den 90er Jahren, als in Großbritannien die Stehplätze abgeschafft wurden. Trotzdem ist das Preisniveau britannien-üblich recht hoch angesetzt, mindestens 25 Pfund muss man für einen Platz schon hinlegen. Immerhin gibt es dafür im Inneren der Tribüne eine flauschige warme Verpflegungsstation, die »Canteen«, wo man sich mit Kaffee, Pies und heißem Käse versorgen kann.
Das Spiel
Zum Spielbeginn war das Stadion dann vollständig gefüllt, rätselhaft wo die alle auf einmal her kamen. Zwei Drittel des Stadions gehörten dem orangenen Teil der Stadt, dem Heimteam von United, ein Drittel den blauen Gästen vom FC gegenüber. United war zu dem Zeitpunkt oben an der Tabellenspitze dran, Dundee FC kämpfte ein wenig darum sich aus der zweiten Tabellenhälfte zu entfernen.
Bei Dundee FC standen drei deutsche Legionäre im Aufgebot. Der ehemalige Karlsruher Thomas Konrad stand in der Innenverteidigung, im Tor durfte der für ein paar Monate als Ersatztorhüter verpflichtete Arvid Schenk, ehemals St. Pauli und Wolfsburg, den verletzten Stammkeeper Scott Bain ersetzen. Und Stürmer Luka Tankulic saß auf der Bank.
Zum Auftakt wurde ein hübscher orangefarbener Smoker (die Farben von United sind »Black and Tangerine«) auf den Platz geworfen, siehe Aufmacherbild des Artikels oben. Was das Maskottchen von United dazu animierte, rund um das rauchende Dingen ein paar Faxen zu machen, und ansonsten niemanden groß aufregte. So ein tanzendes Maskottchen um ein rauchendes Ding auf dem Spielfeld würde ich gerne einmal in Deutschland sehen. Und dann vor allem das Medienecho danach…
Das Spiel selbst war eine »Demolishing« des bedauernswerten Dundee FC, schon nach 31. Sekunden lag der Ball in Arvid Schenks Tor. United spielte sich in einen Rausch, zur Halbzeit führten sie schon 4:1. In Halbzeit 2 ließen sie es dann ruhiger angehen und gewannen das Spiel mit 6:2. Gegen Mitte der 2. Halbzeit hatte der blaue Teil des Publikums schon genug gesehen, die Tribünen leerten sich rapide, von »Cheerio, Cheerio, Cheerio«-Gesängen des orangenen Teils begleitet.
Trotz des für den FC deprimierenden Spiels lief das Spiel in einer außerordentlich friedlichen Atmosphäre ab, es gab nichts was auch nur ansatzweise aggressiv aussah. Sehr wohltuend: Es gibt in Dundee keine Ultras mit Dauergesängen, es gibt dort vielmehr noch Fußballatmosphäre »wie früher«, mit durchaus ruhigen Phasen, aber auch einem »Roar« wenn es in Richtung Tor geht.
Am Ende war man bei United natürlich hochgradig zufrieden, mit »Glory glory Dundee United«-Gesängen wurde die Helden in Orange in die Kabine verabschiedet. Und kurz drauf leerte sich das Stadion genauso schnell, wie es sich kurz vor Spielbeginn gefüllt hatte.
Für den armen Arvid Schenk im Tor von Dundee FC war das Spiel mit den sechs Gegentoren gleich seine Abschiedsvorstellung. Weil er beim Debüt so den Kasten voll bekam wurde er von der Presse etwas unfair behandelt und sein Vertrag wurde nicht verlängert. Heute steht er bei Altona 93 im Tor.
Fazit
Ein großartiges Derby an einem legendären Ort, den man als Fußballfan mal gesehen haben muss, wenn irgendwie machbar. In einer auf das Spiel fokussierten Fußball-Atmosphäre. Dafür muss man heutzutage wohl nach Schottland fahren.